Die Termine des François Fillon
Terminschwierigkeiten: Dieses Wort mussten François Fillon und sein Wahlkampfteam in den vergangenen Tagen öfters hören. So hätte er am 16. Februar eigentlich eine Wahlkampfveranstaltung in Clermont-Ferrand bestreiten sollen. Sie fiel aus. Man könne den Termin in der gegebenen Zeit nicht organisieren, hieß es aus der südfranzösischen Stadt. Auch etwas weiter westlich, in Limoges, wurde es mit einem Mal eng. "Terminprobleme" auch dort. Andere drückten es weniger diplomatisch aus: "Der Bürgermeister hat sich geweigert, François Fillon zu empfangen", berichteten eine namentlich nicht genannte Person aus dem Umkreis des Präsidenten der Zeitung Le Figaro.
Ähnlich unschön verlief es für den der Vetternwirtschaft verdächtigten Fillon auch anderswo. In dem Städtchen Juvisy-sur-Orge, einige Kilometer südlich von Paris, hatte er sich eigentlich auf der Straße zeigen wollen. Doch dann zog er es vor, das wegen zu erwartender unfreundlich beschrifteter Plakate nicht zu tun. Auch in Poitiers, im Westen des Landes, strich er einen Termin. Dort hatten sich Vertreter eines linken Bündnisses zur Demonstration angesagt.
Bibelstunde auf La Reunion
Selbst auf der westlich von Madagaskar gelegenen französischen Insel La Réunion verlief es ungemütlich. Dort hatte der Kandidat der Republikaner am Wochenende einen Auftritt, geplant waren schöne Bilder vor strahlender Meereskulisse. Einige hübsche Szenen gab es zwar, doch wurden sie überschattet von weniger anmutigen Anekdoten, die in der nationalen Presse umgehend die Runde machten. Über die spitzen Fragen einiger Journalisten etwa. "Man sagt, Sie hätten sich einiges verzeihen zu lassen" warf ihm ein Journalist entgegen. "Was werden Sie beichten?" wollte ein anderer wissen. Fillon zog es vor, zu schweigen.
Ungemütlich wurde es für den überzeugten Katholiken auch während eines Gottesdienstes auf der Insel. Der Pfarrer zitierte aus dem Matthäus-Evangelium, genauer, dem fünften Kapitel. Dort mahnt Jesus, Gerichtsstreitigkeiten so schnell wie möglich beizulegen. "Wahrlich, ich sage dir: Du wirst nicht von dort herauskommen, bis du auch den letzten Pfennig bezahlt hast", zitierte der Prediger aus dem Heiligen Buch. Wie ihm das Kanzelwort gefallen habe, wurde Fillon beim Verlassen der Kirche gefragt. Wieder zog er es vor, nicht zu antworten.
Fillon sei in einer schwierigen Lage, erklärte der republikanische Abgeordnete Benoist Apparu der Zeitung "Le Journal du Dimanche". "Entweder er zeigt sich in der Öffentlichkeit und muss Forderungen nach seinem Rücktritt ertragen. Oder er kapselt sich ab und macht überhaupt keinen Wahlkampf mehr." Der Kandidat stehe vor einer schwierigen Entscheidung, so Apparu weiter. Wie er sich entscheide, stehe wohl erst in einigen Tagen fest. "Einen Präsidentschaftswahlkampf neu zu starten, ist ein riskantes Unternehmen", fügte Apparu warnend hinzu.
Medienschelte als Verteidigungsstrategie
Fillon selbst versucht sich derweil durch Angriffe zu verteidigen. "Man untersucht mein Leben wie mit einem Laser", erklärte er. "Man sucht nach kleinsten Verfehlungen, kleinsten Fehlern." Er sei "Ziel unerbittlicher und parteiischer Angriffe" erklärte er - "sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag." Das zielte vor allem in Richtung der Medien. Er werde ungerecht behandelt, man müsse ihn unterstützen.
Doch solche Klagen kamen nicht überall gut an. "Indem er die Medien zum Sündenbock erklärt und behauptet, sie verzerrten die Realität, begibt sich François Fillon auf eine populistische Ebene", sagte der Historiker und Medienexperte Christian Delporte der Zeitung "Le Monde". "Der Versuch, ein realitätsfremdes Bild zu entwerfen und auf das Misstrauen der Franzosen hinsichtlich der Journalisten zusetzen, geht als Tradition auf Le Pen (den Gründer des rechtsextremen Front National, Anm. d. Red.) zurück. Doch auch Nicloas Sarkozy hat diese Taktik ausgiebig eingesetzt."
Wahlkampf wie unter Drogen
"Nichts läuft wie vorhergesehen": Mit diesem Wort des glücklosen Präsidenten François Hollande versucht die Zeitung "Libération", den allgemeinen Verlauf des diesjährigen Wahlkampfes zu beschreiben.
Denn Unruhe ist nicht nur im Fillon-Lager entstanden. Es gibt zusätzlich Gerüchte über die angebliche Homosexualität des derzeit erfolgreichsten Präsidentschaftskandidaten, Emmanuel Macron; dessen Klagen über massive Cyber-Attacken aus Russland; die Sorgen vor einer dem Front National (FN) entsteigenden "Faschosphäre"; und schließlich die Furcht sowohl vor Wladimir Putin wie auch vor Donald Trump, die beide großes Interesse an einem Wahlsieg des FN hätten: All dies heizt die Stimmung im Land zusätzlich auf.
Zur Not hilft nur Optimismus
Man müsse die Lage entspannt sehen, rät augenzwinkernd die Kolumnistin der Libération, Alexandra Schwartzbrod. Zwar wirke der Wahlkampf, als sei er von einem unter Drogen stehenden Regisseur entworfen worden; zwar lache die ganze Welt über die französischen Politiker, obwohl man, fügt sie hinzu, weltweit in letzter Zeit doch eine Menge bemerkenswerter Vertreter dieser Zunft gesehen habe.
Aber man könne es auch anders, nämlich viel optimistischer sehen: Frankreich sei gerade dabei, sich von einer Generation verbrauchter Politiker zu trennen und eine neue politische Ethik aus dem Boden zu stampfen. "Dieser Übergang kann sich nur unter Schmerzen vollziehen, denn er zwingt dazu, sich von Göttern zu trennen, die sich an ihr Amt klammern."