Im Wettstreit der Stimmen

Welche Rolle spielen Medien für Demokratie und Politik? Die Journalistinnen Anne Applebaum und Ellen Ehni diskutierten hierzu bei der achten GMF-Session.

GMF Session | Wahlen und die Medien | Screenshot
Bild: DW

Medien erleben bei Wahlen turbulente Zeiten. Zunehmend geraten sie auch ins Visier von Antidemokraten. Vor dieser Entwicklung stellt sich die Frage: Welche Rolle spielen Medien für Demokratie und Politik? Die Journalistinnen Anne Applebaum (USA) und Ellen Ehni (WDR-Chefredakteurin TV) diskutierten hierzu am 26.10. bei der achten GMF-Session. Dritte in der weiblichen Top-Runde war Moderatorin Sarah Kelly.

„Wir halten Demokratie für so selbstverständlich wie Wasser aus der Leitung“, so die US-Journalistin Anne Applebaum. Und gleiches gelte auch für unser Verhältnis zu Medien. Das könne fatal sein. „Nach Wahlen erleben wir immer öfter, dass Wahlgewinner die demokratischen Regeln und Grundsätze, unter denen sie gewählt wurden, sukzessiv demontieren“, so Applebaum. Medien würden als „Fake“ verunglimpft oder gleich durch wirtschaftliche Übernahmen kalt gestellt. In Europa sei letzteres etwa in Ungarn und Polen geschehen, beschrieb Applebaum, die auch Historikerin ist, die Lage. Antidemokraten und Autokraten wollten mit der Methode den „Wettstreit der Stimmen“ unterbinden. Sie halte Bildung für den Schlüssel zu kritischen Gesellschaften, die die Demokratie verteidigen.  

Wettstreit der Stimmen

Gegner eines Wettstreits der Stimmen gebe es mit der AfD auch in Deutschland, die die Öffentlich-Rechtlichen als Lügenpresse diskreditierten, so Ellen Ehni. „Das Vertrauen in uns ist während der Corona-Krise zwar gewachsen“, so die WDR-Chefredakteurin TV, “wir müssen dennoch kämpfen, um mehr zu erreichen“. In der live gestreamten Diskussionsrunde betonte Ehni: „Unser Job ist es, jedem zuzuhören. Wir brauchen mehr Diversität und sollten bei der Themenwahl nicht nur die ‘Lauten', etwa die Corona-Leugner, in den Fokus rücken. Zu Diversität zählten auch die ‘Stillen', die etwa die Corona-Maßnahmen akzeptieren.“

Rückgewinnung des öffentlichen Diskussionsraums

„Die Algorithmen sorgen dafür, dass ich denke, alle Welt teilt meine Meinung“, lenkte Anne Applebaum den Blick auf Soziale Medien. „Respekt für die Meinung anderer scheint nicht mehr erforderlich. Das, was Demokratie im Ursprung meint, verlernen wir so“, sagte die Historikerin. „Wir müssen den öffentlichen Diskussionsraum zurückgewinnen.“ Medien, die Diversität widerspiegelten, seien Teil dieses öffentlichen Diskursraumes. Öffentlich-Rechtliche Systeme seien sehr gut. Menschen sollten dennoch möglichst eine Vielzahl von Medien und Quellen zur Verfügung haben.

Einig waren sich beide Journalistinnen, dass Medien zur Förderung starker und stabiler Demokratien beitragen. Anne Applebaum appellierte an die GMF-Community: „Jeder kann Medien unterstützen, indem wir sie kaufen, oder Crowdfunding-Journalismus finanzieren“.

Moderiert wurde die Runde von Sarah Kelly, Anchor der DW News und „To the Point“. Isabela Oliveira Kalil, Professorin an der São Paulo School of Sociology and Politics Foundation konnte aus technischen Gründen kurzfristig nicht dabei sein.

Den Mitschnitt der GMF-Session finden Sie hier auf Youtube.