Guter Journalismus muss auch verfügbar sein
Wenn im TV nur noch das staatliche Fernsehprogramm läuft, es keine oppositionellem Zeitungen mehr gibt und Demonstrant*innen von der Straße gejagt werden – dann bleibt noch das Internet. Es bietet Zugang zu freien Informationen. Andersdenkende können sich in Blogs und Sozialen Medien ohne Einschränkungen äußern, ausländische Informationsanbieter wie die DW liefern auf Fakten basierende Nachrichten. Die dahinterstehenden journalistischen Werte fußen auf einem offenem und von Diversität geprägtem Weltbild.
Insbesondere in Krisenzeiten, wenn der Bedarf nach objektiven Informationen besonders groß ist, wird Menschen dieses Recht von ihren Regierungen genommen.
Zuletzt wurde in Belarus der Stecker gezogen. Als sich im August nach den Präsidentschaftswahlen Widerstand organisierte, wurden kurzerhand mehr als70 Webseiten im Land gesperrt.
Im Kaschmir mussten die Menschen 213 Tage ohne Internet auskommen, in China und dem Iran sind seit vielen Jahren viele internationale Webseiten blockiert. Darunter auch die Seiten der DW und der BBC.
Die DW versucht, Menschen auf der ganzen Welt den Zugriff auf verlässliche Informationen zu ermöglichen. Teilweise ist hierfür die Umgehung der Zensur notwendig.
Meine Aufgabe als Internet Freedom Specialist in der Abteilung IT and Cybersecurity ist es, die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Zensurumgehung zu schaffen. Heute reicht es nicht mehr, Informationen anzubieten, sie müssen auch verfügbar gemacht werden.
Natürlich kann ich keine Firewalls zerstören, und ich hacke mich nicht in fremde Rechner. Bildlich gesprochen, kann ich aber Leitern verteilen, die das Überwinden von Firewalls ermöglichen. Manchmal gelingt nur ein kurzer Blick über die Mauer, aber oft in vielen Fällen kann der User über sie hinwegklettern.
In den vergangenen Monaten haben in Belarus zeitweise bis zu einem Drittel aller Internetuser ein Zensurumgehungstool genutzt. Im Iran hat es sich fast schon zum Volkssport entwickelt, die besten und neuesten Tools auszuprobieren.
Infolge des Ausbruchs der Corona-Pandemie hat die DW das Informationsangebot zum Thema Covid-19 in den 30 Sendesprachen erheblich ausgeweitet. Damit auch Menschen in Ländern mit Internetzensur auf dieses zugreifen können, haben wir mit einer technischen Lösung den Zugriff speziell zu den Corona-Nachrichten vereinfacht.
Technische Zensurumgehung ist in einigen Ländern unsere einzige Möglichkeit, um unser Publikum zu erreichen. Deswegen ist der erstmals von der UN ausgerufene Access to Information Day am 28. September so wichtig. Er rückt das weltweit wachsende Problem der Einschränkung von Informations- und Medienfreiheit in den Fokus und führt denjenigen, die das Recht auf Informationen jeden Tag genießen, dessen Bedeutung vor Augen.
Beitrag von Oliver Linow, Experte für Cyber Security