Interview mit Hildegard Knef
Den ersten Preis – eine Auszeichnung als beste weibliche Darstellerin in dem Streifen "Film ohne Titel" – erhielt sie 1949, die letzte Ehrung wurde ihr 2001 zuteil. In den dazwischen liegenden 52 Jahren legte sie eine Karriere hin, die sich nur selten ereignet. Hildegard Knef hat sich von einer Trickzeichnerin zu einer Film-Diva hochgearbeitet, die bei einem breitem Publikum höchst beliebt war.
In der Trickfilmabteilung
Geboren wurde Hildegard Knef am 28.12.25 in Ulm, jedoch aufgewachsen ist sie in Berlin. Nach der Mittelschule drohte ihr eine Abkommandierung zum Arbeitsdienst, deshalb versuchte sie über das Arbeitsamt eine Lehrstelle zu finden. Man vermittelte ihr nun die Chance, an einer Aufnahmeprüfung für eine Ausbildung in der Trickfilmabteilung der Ufa teilzunehmen. Der Beruf: Zeichnerin. In ihren Memoiren erinnert sich Hildegard Knef an ihre Freude über die Aufnahme in die Filmfirma: "Nach 22 Tagen steht Mutter an der Korridortür und wedelt einen weißen Zettel. Ich falle über Stühle, quetsche Finger, ich springe, ich hopse, schicke Telegramm ‚Hurra, bin angekommen’ an Tanzstundenfreund auf Truppenübungsplatz Gardelegen. Mit Mutter zum Dönhoffplatz, leuchtend, dankbar, Ufa-liebend. Dreijähriger Ausbildungsvertrag von Mutter und Klemke unterschrieben." Hier wurde sie nun für die Schauspielerei entdeckt und bekam zunächst Schauspielunterricht von Karl Meichsner und Else Bongers. Ab 1944 begann sie vor der Kamera zu stehen – unter anderem in Helmut Käutners Streifen "Unter den Brücken". Damit war nun der Startschuss für eine Karriere gefallen, die sie weit über die Grenzen des Landes bekannt machen sollte.
Die Skandalschauspielerin
Nach dem Krieg spielte Hildegard Knef zunächst auf Berliner Theaterbühnen, doch bald bekam sie auch eine weitere Filmrolle angeboten. 1946 spielte sie im ersten deutschen Nachkriegsfilm, in dem Streifen "Die Mörder sind unter uns". Dort übernahm sie die Rolle der Susanne Wallner, einer KZ-Überlebenden, die einen Fall von Selbstjustiz verhindert. Bald nach dieser erfolgreichen Produktion folgte die nächste: das Drama "Film ohne Titel", in dem Hildegard Knef neben Hans Söhnker die Hauptrolle übernahm. Sie spielte dort das Hausmädchen Christine Fleming. Und nun der erste Erfolg: für diese Rolle erhielt sie ihren ersten Preis - bei den Filmfestspielen in Locarno wurde sie als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Doch der Film, mit dem Hildegard Knef einen überwältigenden Erfolg verbuchen sollte, entstand erst 1950: "Die Sünderin", eine Geschichte um eine Prostituierte, die, um ihren kranken Geliebten vor dem sicheren Tod zu bewahren, noch mal ihrem alten Gewerbe nachgeht und anschließend ihn und sich selbst tötet, wurde in der prüden Nachkriegszeit zu einem Skandal. Eine kurze Nacktszene sorge damals für große Aufregung, bescherte dem Film jedoch zugleich einen großen Kassenerfolg.
Dennoch: um der erhitzten Debatte in Deutschland zu entkommen und als "echte Sünderin" von vielen abgestempelt, floh Hildegard Knef nach Hollywood. Dort drehte sie den Film "Entscheidung vor Morgengrauen", der sehr erfolgreich in den amerikanischen Kinos lief. Der Weg für weitere Rollen in den US-Produktionen stand für Hildegard Knef nun offen.
Talente
Den endgültigen internationalen Durchbruch brachte der Schauspielerin der New Yorker Broadway. Dort spielte sie die Ninotschka in Cole Porters Musical "Seidenstrümpfe". Neben zahlreichen weiteren Rollen entdeckte Hildegard Knef 1963 auch ihre zweite Begabung: mit ihrer unverwechselbaren Stimme betätigte sie sich als Chansonsängerin. Und das mit großem Erfolg. Ihre erste in Deutschland veröffentlichte Langspielplatte trug den Titel "So oder so ist das Leben" und war direkt ein großer Erfolg – landete direkt auf Platz 8 der deutschen Charts. Von da an ging Hildegard Knef mit ihren Liedern, von denen manche auch ihre eigenen Texte enthielten, auch oft auf Tourneen. Eine zweite Karriere nahm nun ihren Lauf. Laut der Neuen Zürcher Zeitung vom 22.12.95 soll die amerikanische Jazzlegende Ella Fitzgerald die Schauspielerin als die "beste Sängerin ohne Stimme" bezeichnet haben. Doch diese Sängerin hatte noch ein weiteres Talent: Hildegard Knef begann zu schreiben. 1970 erschien die Autobiographie der damals 45-Jährigen mit dem Titel "Der geschenkte Gaul". Und es war ein sensationeller Erfolg: das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und wurde über 3 Millionen Mal verkauft. Zwei Jahre später meldete sich Hildegard Knef erneut als Autorin zu Wort: diesmal mit einem Buch mit Chansons, Gedichten und Prosastücken. Es trug den Titel "Ich brauch' Tapetenwechsel". Als drittes Buch von Hildegard Knef erschien 1975 eine sehr persönliche Schilderung ihrer Odyssee durch die Krankenhäuser mit dem Titel "Das Urteil". Weitere Veröffentlichungen sollten noch im Laufe der Jahre folgen. Doch die vielseitige Schauspielerin hatte noch weitere Ideen: 1997 feierte sie ihr Debüt als Modeschöpferin. Auch aus dem Film- und Theatergeschäft hat sich Hildegard Knef nicht zurück gezogen. 2001 erhielt sie ihre letzte von vielen Auszeichnungen: den Bambi für ihr Lebenswerk. Hildegard Knef starb am 1.2.02 in Berlin. "Der Spiegel" vom 1.02.02 bezeichnete sie als "Deutschland letzte Diva" und "ein skeptischer Star mit vielen Begabungen."
Im Oktober 1976 unterhielt sich DW-Redakteurin Emmy Jepsen-Foege mit Hildegard Knef über ihre Arbeit und ihr Leben.
Autor: Andreas Zemke
Redaktion: Diana Redlich