Iran: „Hoffnung auf Lockerung der Zensur realistisch“
Was ist von der Ankündigung des iranischen Präsidenten Hassan Rohani zu halten, die Internet-Blockade in seinem Land zu lockern?
Irans neuer Präsident hat sich seit seinem Amtsantritt im August mehrfach zu einer Lockerung der Internetzensur im Land geäußert. Neulich in einem Tweet-Wechsel mit Twitter-Mitgründer Jack Dorsey und in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender CNN. Rohani sprach vom Recht der Iraner auf ungehinderten Zugang zu globalen Informationen. Der Präsident hat offensichtlich ernsthafte Absichten, dies tatsächlich zu realisieren. Der Widerstand der Konservativen im Land ist allerdings, was die Internetzensur betrifft, immer noch sehr groß.
Die Internetzensur hatte nur eins zur Folge: Viele junge Iraner sind zu IT-Experten geworden. Sie wissen, wie man eine Internet-Sperre umgehen kann. Beispielsweise hat sich seit der Blockade des Farsi-Angebots auf dw.de im Januar 2009 die Zahl der Visits auf das Farsi-Angebot mehr als verzehnfacht. Präsident Rohani ist sich bewusst, dass die Zensur ihre Schwächen hat. So forderte er die Hardliner auf, ihm nur eine einzige Meldung zu zeigen, die erfolgreich zensiert worden sei.
Es handelt sich nach meiner Überzeugung nicht um eine Charme-Offensive mit Blick auf das Ausland und reines Machtkalkül, sondern um einen ernsthaften Ansatz hin zu moderaten gesellschaftlichen Veränderungen.
Haben Sie Hinweise darauf, dass Veränderungen festzustellen sind? Eine kurzfristige Freischaltung von Facebook und Twitter wurde mit einer technischen Panne begründet.
Es gab in den vergangenen Wochen positive Veränderungen in Bezug auf die Menschenrechtssituation im Land. Einige politische Gefangene wurden freigelassen, vor allem namhafte Journalisten. Gleichzeitig ist eine Lockerung der staatlichen Kontrolle auf Medien spürbar. Das sind positive Signale.
Sichtbare Schritte hin zu einer Lockerung der Internetzensur sind bisher nicht erkennbar. Im Gegenteil: Zuletzt ist ein deutlich höherer Zugriff auf Antifiltering-Instrumente zu beobachten. Beispielsweise stieg dort die Zahl der Nutzer des von der DW bereitgestellten Anti-Zensur-Tools Psiphon in den letzten beiden Monaten um rund 27 Prozent.
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass einige hochrangige iranische Minister und Präsident Rohani selbst in Sozialen Netzen aktiv sind. Sogar der religiöse Führer Ayatollah Khamenei hat eine Facebook-Seite. Das führt zu einem Paradox: Warum nutzen Politiker Soziale Medien, obwohl sie doch angeblich so verwerflich sind, und erschweren gleichzeitig ihren Landsleuten den Zugang?
Dennoch: Ich denke, dass die Hoffnung auf eine Lockerung der Internetzensur durchaus realistisch ist. Diese Einschätzung teilen bedeutende Netzaktivisten. Beispielsweise sprach Reza Mohabbat-Kar von der Nichtregierungsorganisation „Transparency for Iran“ in der DW-Sendung Shababtalk von einer „unglaublichen Aufbruchstimmung“. Er sieht einen „Energieschub für die Social-Media-Szene in Iran“, warnte aber gleichzeitig davor zu glauben, die Lockerung der Internet-Zensur führe automatisch zu einer Demokratisierung.
Gibt es auch in den iranischen Auslandsmedien – Press TV und IRIB – Anzeichen für einen neuen Kurs?
Der Kurswechsel in der iranischen Außenpolitik hat sich auch in den Medien gezeigt. Direkte Gespräche zwischen Iran und den USA sind nicht mehr tabu, sie werden offen sowohl in den Auslandsmedien als auch in den Medien im Land behandelt. Auch ist der Ton der Medien in Bezug auf die Konflikte mit der Weltgemeinschaft moderater geworden.