Medien in Serbien: Mangelnde Selbstreflexion und wirtschaftlicher Druck

Über die Lage der Medien in Serbien diskutierten Experten beim DW-Panel "Zensur und Selbstzensur – Journalisten und Autoren beim freien Wort genommen" am 17. März auf der Leipziger Buchmesse.

Die Medien in Serbien seien zwar vielen Einflussfaktoren ausgesetzt, aber den Journalisten fehle es auch an kritischer Selbstreflexion, so Sreten Ugricic, serbischer Schriftsteller und Direktor der Nationalbibliothek Serbiens.

Ugrigic diskutierte zusammen mit Sanja Blagojevic, Leiterin des Serbischen Programms der Deutschen Welle, und Michael Martens, FAZ-Korrespondent. Die Moderation hatte Sasa Bojic vom Serbischen Programm der DW. Serbien war in diesem Jahr Schwerpunktland der Leipziger Buchmesse.

Serbische Medienvertreter seien heutzutage wirtschaftlichen und parteipolitischen Einflüssen ausgesetzt und auch solchen aus nationalistischen Kreisen, sagte Sreten Ugricic. Eine weitere Art der Einflussnahme sei die des Ignorierens. „Das ist die gefährlichste Waffe.“ Es gebe dennoch Medien und einzelne Journalisten, die sich dem entzögen. Daher bestehe in der serbischen Medienlandschaft durchaus eine Vielfalt an dargestellten Meinungen.

Passivität unter Journalisten verbreitet

Den meisten Journalisten fehle es eher an der „Fähigkeit über sich selbst zu reflektieren“, so Ugricic, stattdessen gebe es viel Passivität. Ugricic war für die beiden serbischen Autoren und Blogger Sasa Illic und Sasa Ciric eingesprungen, deren Flug Verspätung hatte.

Sanja Blagojevic erklärt den Mangel an journalistischer Qualität und die wachsende Tendenz zur Selbstzensur mit dem wirtschaftlichen Druck in den Medienunternehmen und auf dem freien Markt: „Wenn einer nicht nach den Regeln spielt, muss er gehen, dann kommt der nächste und der spielt nach den Regeln. Der Einzelne tut alles, um seinen Job nicht zu verlieren, es herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit.“ Es gebe Viele in Serbien, die sich Journalisten nennen. Es sei auch eine Frage der redaktionellen Qualität, warum es das „freie Wort“ in Serbien schwer habe, so die Leiterin des Serbischen Programms. Natürlich herrsche im Vergleich zu Milosevic-Zeiten jetzt in Serbien eine Demokratie. Aber es gebe mehr wirtschaftlichen Druck auf Medien und daher eben mehr Selbstzensur.

„Krawallblätter“

Michael Martens, FAZ-Korrespondent in Südosteuropa, bezog mit Blick auf die Rangliste von Reporter ohne Grenzen (ROG), wonach Serbien zuletzt um 23 Plätze auf Platz 85 gefallen sei, eine selbstkritische Haltung für die Journalisten: „Unsere Branche neigt auch zu Übertreibungen. Korruption ist nicht messbar wie Luftdruck.“ Auch wenn er die Schwierigkeiten für Journalisten gerade in kleinen Staaten sehe – gerade wenn es dort Oligarchen mit großer Macht gebe – so müsse man dennoch genau hinschauen. Martens: „Wir sind keine homogene Berufsgruppe, es gibt auch schlechte Zeitungen.“

In Serbien gebe es „Krawallblätter“, bei denen er sich frage, wie es denn um das Gegendarstellungsrecht in Serbien stehe. Journalisten seien nicht nur Opfer, sondern manchmal auch Täter, etwa wenn sie ungeprüfte und falsche Informationen veröffentlichten, die letztlich Menschen um ihre Existenz brachten. „Menschen, die sich formal als unsere Kollegen bezeichnen, dürfen nicht weiterhin schlechten Journalismus betreiben“, sagte Martens. Guter Journalismus habe natürlich mit Geld und Zeit zu tun. Das gelte in Serbien genauso wie in Deutschland. Es müsse etwa die Möglichkeit geben, Themen zu vertiefen. „Die DW und die FAZ gehören sicherlich zu den wenigen, wo das noch möglich ist.“

Autorin: Martina Bertram
Redaktion: Kathrin Reinhardt