„Wir sind Marktführer in Äthiopien“

Seit 50 Jahren macht die Deutsche Welle ein Amharisch-Programm für Menschen in Äthiopien. Redaktionsleiter Ludger Schadomsky erläutert im Interview die aktuelle Mediensituation und die Rolle der DW im Zielgebiet.

50 Jahre Amharisch-Redaktion der Deutschen Welle: Positives Feedback - auch mobil
50 Jahre Amharisch-Redaktion der Deutschen Welle: Positives Feedback - auch mobilBild: DW

Was sind die Meilensteine der 50-jährigen Geschichte des Amharisch-Angebots?

Die Gründung 1965 ist der erste Meilenstein. Dass die DW ein Amharisch-Programm ins Leben rief, geht auf mehrere Entwicklungen und Faktoren zurück. Mitverantwortlich dafür ist etwa, dass Kaiser Haile Selassie als erstes ausländisches Staatsoberhaupt Bonn besucht hatte. 1963 erfolgte die Gründung der Organisation für die Afrikanische Einheit; Äthiopien hat dabei maßgeblich mitgewirkt. Die Bedeutung der äthiopischen Forschung und die Unabhängigkeitsbestrebungen der 1960er-Jahre sind weitere Aspekte.

All dies hat sich zu der Idee verdichtet, ein Programm für die Menschen in Äthiopien zu machen. Ein weiterer Meilenstein ist der Übergang von Kaiser Haile zum Mengistu-Regime, dem sogenannten Derg-Regime, das bis heute für verheerende Menschenrechtsverletzungen steht. Die nächste Zäsur kam 1991 mit dem Sturz Mengistus Das waren die großen Umbrüche, die wir im Programm intensiv verfolgt haben.


Welchen Stellenwert hat die DW aktuell in Äthiopien?

Redaktionsleiter Ludger Schadomsky
Redaktionsleiter Ludger Schadomsky Bild: DW/P. Henriksen

Wir sind Marktführer in Äthiopien, die DW ist das meistgehörte Auslandsprogramm. Wichtigster Mitbewerber ist die Voice of America, die nicht nur auf Amharisch sendet, sondern gleich in vier äthiopischen Sprachen präsent ist. Wir setzen neben der Kurzwelle, die im Radiomarkt Äthiopien nach wie vor eminent wichtig ist, vermehrt auf den Bereich Social Media.

Äthiopien ist ein sehr junges und dynamisches Land. Viele Jüngere, junge Multiplikatoren nutzen bereits unsere Social-Media-Angebote. Wir haben 250.000 Facebook Fans, bei einer aktiven Facebook-Community von nur 900.000 Nutzern im gesamten Land. Im Hinblick auf die sehr geringe Internet- und Mobildurchdringung Äthiopiens sind das sehr positive Rückmeldungen, die uns zudem helfen, wenn das Hörfunk-Programm wieder einmal „gejammt“, also gestört wird – was immer wieder vorkommt.


Wie bewerten Sie die aktuelle Mediensituation im Zielland und die damit verbundenen Herausforderungen für die DW?

Social-Media mit Lidet Abebe und Mantegaftot Sileshi
Social-Media mit Lidet Abebe und Mantegaftot Sileshi Bild: DW

Eine aktuelle Studie von Human Rights Watch beleuchtet die Rolle der DW und die Probleme vor Ort. Das Wahljahr 2005 markiert dabei eine dramatische Zäsur. Die Wahlen endeten sehr blutig, weil die großen Gewinne der Opposition nicht anerkannt wurden. Es gab mehr als 100 Tote. Das hat bis heute Auswirkungen auf unsere Beziehungen zur äthiopischen Regierung. Man hat der DW damals eine unausgewogene Berichterstattung im Umfeld der Wahl vorgeworfen. Diesen Vorwurf konnten wir gegenüber der äthiopischen Regierung in allen Punkten entkräften. Gleichwohl geht diese weiter sehr hart mit uns ins Gericht. Die DW bleibt aber im Dialog, hat zugleich wiederholt gegen das Stören des Kurzwellenempfangs und gegen die Verweigerung von Korrespondentenlizenzen protestiert.

Ende Mai stehen Wahlen an – wir werden sehen, ob man in Addis erneut zum „Jamming“ greift. Meinungs- und Pressefreiheit, auch Medienvielfalt sind in Äthiopien eben nicht gewährleistet. Es gibt zwar einige nominell unabhängige Zeitungen. Andererseits sind sehr viele Journalisten ins Exil getrieben worden oder sitzen in Addis im Gefängnis. Es laufen viele Gerichtsverfahren gegen Journalisten, Oppositionelle und Aktivisten. Das ist das Spannungsfeld in dem wir uns täglich bewegen.


Wie können Sie die Menschen in Äthiopien auch künftig erreichen?

Das Redaktionsteam 2015
Das Redaktionsteam 2015 Bild: DW

Aufgrund staatlicher Regulierungen können wir unser Programm keinem UKW-Sender im Land zur Verfügung stellen, kommen also nicht über Partner in den äthiopischen Markt. Daher sind wir bis auf Weiteres auf die Kurzwelle angewiesen. Wir hoffen, dass sich die Situation nach der Wahl dahingehend entspannt, dass die immer wieder versprochenen Privatlizenzen auf den Markt kommen, es vielleicht Community Radios geben wird, die wir als Partner gewinnen können. Gleichzeitig setzen wir auf eine Social-Media- und Mobilstrategie, zum Beispiel Facebook-Diskussionen mit unseren Nutzern. Diese sollen unser Angebot nicht nur liken, teilen und kommentieren, sondern sich direkt mit unseren Jugendredakteuren austauschen können. Gerade die mobilen Medien werden durch den Ausbau der Mobilfunknetzte und sinkende Kosten für Mobilfunkverträge immer wichtiger. Gleichwohl gibt es in Äthiopien derzeit noch keine freie Telekommunikationslandschaft, auch hier wird zensiert.

Radio via Kurzwelle bleibt in Äthiopien aktuell und wichtig
Radio via Kurzwelle bleibt in Äthiopien aktuell und wichtig Bild: DW


Fragen von Lara Stockschläder und Benedikt Blomeyer