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"Ägypten macht Weltgeschichte"

14. Februar 2011

Mubarak ist gestürzt - das freut auch die deutschen Zeitungen. Allerdings fragen sich viele Kommentatoren, ob die Militärregierung wirklich ihre Macht freiwillig abgeben wird und Ägypten eine Demokratie wird.

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Bild: DW

Die Stuttgarter Zeitung lobt den Volksaufstand in Ägypten:

"Ägypten selbst hat sich in den 18 Tagen des Volksaufstands ganz neu erfahren. Ein Land, dessen Bevölkerung normalerweise nicht einmal geordnet in eine Metro einsteigen kann, stand plötzlich geduldig und ohne Drängeln Schlange an den Kontrollen vor dem Tahrir-Platz (...). Zahllose Ärzte und Krankenschwestern ließen zu Hause alles stehen und liegen. Tag und Nacht versorgten sie unter Plastikplanen Verwundete und schliefen irgendwo auf den Bürgersteigen. (...) Zum ersten Mal sehen sich die Ägypter als aktive Bürger ihres eigenen Landes - nicht als Masse von Untertanen."

Die Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) ist skeptisch, ob die Militärregierung den Übergang zur Demokratie will:

"Nach dem Ende der Proteste könnte die Militärregierung versucht sein, den Status quo zu zementieren. Denn die neuen Herren von Kairo riskieren mit einem allzu rasanten Wandel ihre Privilegien und Pfründe, die ihnen Mubarak garantierte. Im Augenblick hat die Opposition nicht mehr gewonnen, als die Hoffnung auf bessere Zeiten. Deshalb muss sie jetzt jeden Schritt der Militärs beobachten und darauf bestehen, den Übergangsprozess maßgeblich mitzugestalten."

Auch die Rheinische Post ist skeptisch:

"Das Militär hat jetzt zwar einen Termin für Wahlen in Aussicht gestellt, doch eine mit Zivilisten besetzte Übergangsregierung soll es wohl nicht geben. Skepsis ist also angesagt. Schließlich sind die neuen Strippenzieher der Macht nichts anderes als Wendehälse, die noch vor kurzem ihrem Präsidenten ewige Treue geschworen haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine solche Truppe plötzlich entdeckt, wie schön es sich auch mit militärischen Kommuniqués und herrischen Dekreten regieren lässt."

Die Financial Times Deutschland (FTD) schreibt dazu:

"Die nächste Überraschung wäre, wenn das ägyptische Militär die Macht, die ihm der Volksaufstand gegeben hat, freiwillig und auf demokratischem Wege wieder abgeben würde."

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) schreibt, der Sturz von Mubarak habe Auswirkungen auf den gesamten Nahen Osten:

"Ägypten macht Weltgeschichte. Der Millionen-Jubel auf dem Tahrir-Platz zog am Ende den ganzen Globus mit in seinen Bann. Tunesien war das erste schwere Donnergrollen, Ägypten jetzt der politische Vulkanausbruch im Zentrum der arabischen Welt. Der Orient erlebt seinen eigenen Fall der Mauer - einer Mauer aus Machtmissbrauch und Polizeiterror, aus Ignoranz und erzwungener politischer Unmündigkeit. Keines der Regime kann sich diesem Sog mehr entziehen. Ob in Algerien, Libyen, Palästina, Jordanien, Syrien oder Jemen - überall gärt es."

Die Rhein-Zeitung aus Koblenz schreibt zur Lage im Nahen Osten:

"Es stimmt, jede Veränderung birgt Risiken. (…) Jeder, der heute Prognosen wagt, kann morgen eines Besseren belehrt werden. Doch der Status quo - lähmende Stagnation, die ein potenziell so reiches Land wie Ägypten zum Armenhaus degradiert - ist auf Dauer die schlechtere Alternative zu den Unwägbarkeiten des Umbruchs."

Die Badischen Neuesten Nachrichten (Karlsruhe) fordern nun eine andere Politik gegenüber Diktaturen:

"Die weltweit geäußerte Erleichterung über das Ende der Ära Mubarak ist verständlich. Aber merkwürdig mutet es doch an, dass westliche Regierungen überschwänglich einen Wandel ausgerechnet des Landes feiern, das sie bis kurz zuvor als Garanten der Stabilität lobten. Nichts macht deutlicher, dass der Fall Mubarak auch einen Prüfstein für die internationale Diplomatie darstellt: Wenn sie nicht in den Ruf von Wankelmut geraten will, wird sie hinfort eine entschlossenere Haltung einnehmen müssen."

Die Westfälischen Nachrichten (Münster) kritisiert den Westen:

"Die nun gestürzten Regierungen in Nordafrika konnten sich nicht zuletzt deshalb so lange halten, weil der Westen sie als Bollwerk gegen den Islamismus angesehen hat. Da wurden brutales Vorgehen gegen Oppositionelle und Korruption in Kauf genommen, um politische Stabilität zu behalten. Der Westen wird nun seine Strategien überdenken müssen. Gerade in Afrika, wo viele Despoten über viele Bodenschätze herrschen, steht die Zukunft der Demokratie auf dem Prüfstand."

Das Neue Deutschland schreibt:

"Jetzt, da Mubarak gestürzt ist, hat er offenbar im Westen niemals Freunde gehabt. Euphorisch feiert die abendländische Welt 'einen Sieg der Demokratie' in Ägypten, den sie nachweisbar nicht wollte und den sie erst zu feiern begann, als er nicht mehr aufzuhalten war."

Zusammengestellt von Dirk Eckert.