Klimakonferenz in Warschau
15. November 2013Schnellen Schrittes betritt Prakash Mathema das Delegationsbüro auf der ersten Etage des Warschauer Nationalstadions. Einige Treffen hat der Nepalese am Morgen bereits hinter sich, das nächste wartet schon - der Vorsitzende der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDC) ist im Stress.
Unzufrieden ist er auch. "Wir sind sehr enttäuscht darüber, wie wenig Fortschritt auf den Gebieten gemacht worden ist, die für uns besonders wichtig sind", sagt er. Seit Montag (11.11.2013) debattieren die Unterhändler auf der Weltklimakonferenz in Warschau, zum Ende der ersten Woche sind greifbare Fortschritte nicht in Sicht.
Wichtigste Frage: Klimawandelbedingte Schäden
Es geht darum, wann welche Schritte auf dem Weg zu einem globalen Klima-Abkommen getan werden sollen, das in zwei Jahren in Paris endgültig verabschiedet werden soll. Es geht um finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer, damit die sich an den Klimawandel anpassen können. Und es geht um nicht näher definierte "institutionelle Arrangements". Diese sollen sich damit beschäftigen, wie die Länder unterstützt werden können, die infolge des Klimawandels Schäden und wirtschaftliche Verluste erleiden, die sich auch durch noch so viel Anpassung nicht mehr verhindern lassen.
Diese letzte Frage ist diejenige, die für die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder besonders wichtig ist. Von Afghanistan bis zur Zentralafrikanischen Republik sind in der Gruppe insgesamt 48 Länder zusammengeschlossen - etwa zwei Drittel aus Afrika und ein Drittel aus Asien. Haiti ist das einzige Land aus der westlichen Hemisphäre.
Gemeinsame Stärke
"Die Gruppe ist lange vor den Klimaverhandlungen entstanden, nämlich im Rahmen weltweiter Handelsrunden. Erst bei der sechsten Klimakonferenz im Jahr 2000 haben sie sich auch für diese Runden zur Gruppe der LDC zusammengeschlossen", sagt Saleemul Huq. Der Mann aus Bangladesch hat über Jahre hinweg am Londoner Institut für Umwelt und Entwicklung (International Institute for Environment and Development, IIED) mit Hilfe von Stipendien Unterhändler aus den ärmsten Entwicklungsländern ausgebildet, und hat die Länder lange darin bestärkt, eine Gruppe zu bilden.
"Jedes einzelne Land hatte nur zwei Delegierte, da war es sehr schwierig, so komplizierten Verhandlungen mit so vielen verschiedenen Themenkomplexen zu folgen", sagt er. "Aber bei 48 LDC-Ländern kommen sie zusammen auf knapp 100 Leute. Wenn sie ein Team bilden und die Aufgaben verteilen, können sie also richtig viel erreichen."
In Durban siegreich gegen China
Was sie erreichen können, haben die LDC bei der Klimakonferenz in Durban vor zwei Jahren gezeigt. "In Durban haben sie sich China entgegengestellt und klar und deutlich gesagt, dass China etwas tun muss und nicht weiter so viele Treibhausgase ausstoßen darf", erzählt Saleemul Huq, "und die Chinesen haben nachgegeben."
Wenn die USA China zurechtweisen würden, sei das den Chinesen völlig egal, meint Huq. "Aber wenn die am wenigsten entwickelten Länder sagen, 'Großer Bruder, du musst etwas tun', dann ist ihnen das nicht egal", meint Huq. "China will sich mit diesen Ländern solidarisch zeigen und ihnen gegenüber nicht das Gesicht verlieren." Gemeinsam mit der EU hätten die LDC so China und Indien zum Einlenken gebracht.
LDC gegen USA und EU
Ob die LDC in Warschau einen weiteren Erfolg verbuchen können, ist aber nicht sicher. "In der Frage der klimawandelbedingten Schäden und Verluste gehen die Dinge nicht in die Richtung, die wir gerne sehen würden", sagt der Vorsitzende der Gruppe, Prakash Mathema.
Der Auftrag aus der Klimakonferenz in Doha im vergangenen Jahr lautet, in Warschau ein "institutionelles Arrangement", beispielsweise einen "internationalen Mechanismus" einzurichten, der sich mit diesen klimawandelbedingten Schäden beschäftigt. Nun möchten die USA aber auf gar keinen Fall einen Mechanismus; aus Sicht der Europäischen Union könnten bestehende Institutionen um neue Funktionen erweitert werden, um sich dieses Problems anzunehmen.
"Neuer Mechanismus für neues Problem"
Für die LDC sind beide Haltungen inakzeptabel. Sie wollen einen neuen Mechanismus - schließlich seien untergehende Inseln oder von Taifunen fast völlig zerstörte Länder auch ein neues Problem.
"Wir möchten einen Mechanismus, der sich damit beschäftigt, wie wir solche Schäden versichern können, und ab einem gewissen Punkt auch mit Schadensersatz", sagt Pa Ousman Jarju aus Gambia, der im letzten Jahr als LDC-Vorsitzender maßgeblich dafür gesorgt hat, dass dieser entscheidende Satz mit dem "Mechanismus" in das Abschlussdokument von Doha aufgenommen wurde.
"Es geht hier um Länder, deren Existenz auf dem Spiel steht, Inselstaaten, die sich nach Land woanders umschauen für den Fall, dass sie ihre Bevölkerung umsiedeln müssen", sagt er. "Schauen Sie doch mal, was auf den Philippinen passiert ist, da muss doch irgendwer irgendwo mal Verantwortung übernehmen."
Unterstützung Chinas ungewiss
Solange die Verantwortung ausschließlich aufseiten der Industrieländer gesucht wird, steht China wohl hinter seinen "kleinen Brüdern" aus Asien und Afrika. Das dürfte sich ändern, sollte der Verhandlungstext vorsehen, dass alle großen Emittenten von Treibhausgasen in die Pflicht genommen werden sollen, auch die der Schwellenländer. Von allen Ländern stößt China nämlich mit Abstand die meisten Treibhausgase aus.
Im Delegationsbüro der LDC wappnet sich Prakash Mathema derweil für die nächste Besprechung, in der er die Position seiner Gruppe verteidigen und um Unterstützung werben muss. Er wirkt angespannt und gehetzt. Dennoch gibt er sich sicher, ein positives Verhandlungsergebnis zu erzielen: "Das müssen wir einfach, um unserer Völker willen."