Überlebenskampf in der Autoindustrie
26. September 2012"Europas Autobauer sind im Überlebenskampf. Hinter dem Glamour der Ausstellungsstände steht die Angst", orakelt Ferdinand Dudenhöffer, der deutsche Papst der Automobilwirtschaft von der Uni Duisburg-Essen, im Vorfeld des Pariser Autosalons. Der Grund: Die Europäer kaufen wegen der Wirtschaftskrise immer weniger Autos - Experten sagen für das kommende Jahr den schlechtesten Absatz seit 20 Jahren voraus. Und die Entlastung auf den übrigen Weltmärkten wird immer dünner - dort wird der Absatz im kommenden Jahr gerade einmal um ein Prozent wachsen, schätzen Experten.
Allzu große Erwartungen setzen die Autobauer nicht einmal in die neuen Modelle, die in Paris gezeigt werden sollen. VW präsentiert den neuen Golf, Renault den Clio, Opel das neue Kleinwagen-Modell Adam. Ford stellt den neuen Mondeo vor, Citroën ein DS3 Cabrio und Toyota einen Auris Kombi. Die Experten warnen allerdings: "Jede Menge neuer Modelle, die eigentlich den Markt bewegen könnten - wenn da nicht die Schuldenkrise wäre", so Autofachmann Dudenhöffer. "Die Automärkte in Südeuropa befinden sich im ungebremsten Fall."
Milliardenverluste in Europa
Beispiel Ford: Der Absatz in der Europäischen Union fiel in den ersten sieben Monaten um sieben Prozent, allein im zweiten Quartal häuften sich die Verluste auf über 400 Millionen Euro. Nun kündigte der europäische Zweig des US-Konzerns an, in Europa mehrere hundert Stellen streichen zu wollen. Auch Opel, Peugeot und Citroën müssen in diesem Jahr im Europageschäft mit Milliardenverlusten rechnen. "Der europäische Automarkt ist ein Desaster", stöhnt Fiat-Chef Sergio Marchionne, der früher wie Ford, Opel oder Peugeot viele Kleinwagen in Südeuropa abgesetzt hat.
Auto-Experte Dudenhöffer erwartet, dass 2013 das schlechteste Verkaufsjahr in Westeuropa seit 1993 wird - mit 11,6 Millionen verkauften Pkw nach 11,9 Millionen in diesem Jahr. Der französische PSA-Konzern mit den Marken Peugeot und Citroën zieht als erster die Notbremse: Nach 819 Millionen Euro Verlust im ersten Halbjahr will die Unternehmensspitze ein Werk bei Paris schließen. Landesweit sollen 8000 Jobs gestrichen werden.
Auch Premiumhersteller warnen
Doch dabei wird es nicht bleiben. Denn nach Überzeugung von Dudenhöffer stehen die Autobauer erst am Anfang der Krise. "Spanien hat 25 Prozent Arbeitslosigkeit. Die wird nicht in zwei oder drei Jahren abgebaut. Frankreich, Italien, Portugal stehen vor der Rezession, Griechenland ist mittendrin. Die Krise in Europa ist also nicht vorbei, sie ist am Beginn."
Das spüren selbst deutsche Premiumhersteller, denen die Krise bisher nichts anhaben konnte. Der Autobauer Daimler rechnet in seiner Pkw-Sparte mit einem operativen Gewinnrückgang und reagiert mit Sparmaßnahmen. "Wir haben in Europa zunehmend schwierige Marktbedingungen", räumt Konzernchef Dieter Zetsche ein. Und: Selbst im Wachstumsmarkt China habe sich die Lage signifikant verschärft.
Rabattschlachten drohen
Dass den Autobauern das Wasser bis zum Hals steht, zeigt auch die neueste Marketingkampagne von Opel mit einer Geld-zurück-Garantie: Neuwagenkäufer dürfen ihren Opel 30 Tage und maximal 3000 Kilometer testen - und bei Missfallen zurückgeben. So wolle man neue Freunde für die Marke gewinnen, heißt es. Doch bei Experten kommt eine andere Botschaft an: Hilflosigkeit und Verzweiflung.
Selbst Volkswagen, der Konzern, der nach Expertenmeinung als einziger gestärkt aus der Krise hervorgehen wird, reagiert zunehmend nervös. VW-Chef Martin Winterkorn sprach am Dienstag auf einer Belegschaftsversammlung im Stammwerk Wolfsburg von einem deutlich schwierigeren und härteren Umfeld. Am langfristigen Unternehmensziel, bis 2018 "der beste Autobauer der Welt werden", halte man aber fest.
Ob dies mit der Verkaufspolitik zum Beispiel für den neuen Golf zu erreichen ist, wird kritisch beurteilt: "Der neue VW Golf wird mittlerweile in Anzeigen mit Rabatten bis zu 20 Prozent angeboten", weiß Autoexperte Dudenhöffer. "Das Auto ist noch nicht bei den Händlern, aber die Rabatte sind schon da. Da hat es noch nie gegeben."