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100 Prozent Erneuerbare bis 2050 weltweit?

3. April 2017

Erneuerbare Energien sollen Kohle, Öl und Gas ersetzen und die Erderwärmung stoppen. Doch ist eine Energieversorgung zu 100 Prozent mit Erneuerbaren weltweit bis 2050 realistisch? Ein Report gibt jetzt darauf Antworten.

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Nordex Windenergie
Bild: Nordex

114 namhafte Energieexperten aus allen Regionen der Welt wurden für den Renewables Global Futures Report befragt.  Der jetzt in New York vorgestellte Bericht des Renewable Energy Policy Network for the 21st Century (REN21) analysiert die Machbarkeit des weltweiten Umstiegs auf 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2050 und hat dazu Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft befragt. Finanziert wurde die Studie von der deutschen Regierung und dem World Future Council. 

Andere Länder, andere Sicht

Von den befragten Energieexperten betrachten 71 Prozent eine Energieversorgung mit 100 Prozent erneuerbarer Energien bis 2050 weltweit für realisierbar. Diese Einschätzung haben vor allem Experten aus Australien, den Inselstaaten im Pazifik, Europa und internationalen Organisationen.

17 Prozent der befragten Energieexperten halten den weltweiten Umstieg auf erneuerbare Energien dagegen für nicht realisierbar und unrealistisch. Die skeptischere Haltung gibt es vor allem bei Energieexperten aus Japan und den USA.

In Japan werden laut Report erneuerbare Energien als nicht günstig wahrgenommen, zudem wehrt sich die Nuklearindustrie massiv dagegen. In den USA sehen die Experten den Ersatz von Öl im Transportsektor als die schwierigste Herausforderung bis 2050. Darüber hinaus seien die Interessen der konventionellen Energiewirtschaft ein großes Hindernis beim Energieumbau.

Auch die Experten aus Afrika und Lateinamerika sind eher skeptisch, dass eine Energieversorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2050 erreichbar sein kann. Sie bemängeln fehlendes Wissen und Bewusstsein vor allem bei Entscheidungsträgern, eine oft widersprüchliche Energiepolitik und ein fehlendes Know-how für Betrieb und Wartung sauberer Technologien.

Bildergalerie Solarenergie - China
Solar- und Windpark in Zhangjiakou: Die chinesische Regierung treibt den Ausbau massiv voran Bild: imago/Xinhua

Etwas optimistischer zeigten sich demgegenüber Energieexperten aus China und Indien. Die chinesischen Experten sehen eine weltweite Energieversorgung zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien bis 2050 aus Kosten- und Finanzierungründen skeptisch, auf lokaler und regionaler Ebene aber technisch und wirtschaftlich machbar.

Ein zweigeteiltes Bild geben in dieser Frage die zehn befragten indischen Energieexperten ab. Fünf von ihnen halten es für wahrscheinlich, dass bis 2050 die weltweite Energieversorgung zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien gedeckt wird, die anderen fünf Experten zeigten sich unentschieden oder halten dies für nicht realistisch.

Infografik Potenzial Erneuerbarer Energien größer als Energie-Nachfrage

Laut Report ist das Potenzial der erneuerbaren Energien für die Deckung des weltweiten Energiebedarfs mehr als ausreichend. In Afrika ist das Potenzial der Erneuerbaren sogar 200 Mal größer als der Energieverbrauch und in Nahost, Australien und Lateinamerika 30 bis 60 Mal höher. Auch in den Russland, China, Europa und USA gibt es ein ausreichend großes Potenzial für die Deckung des regionalen Energiebedarfs.

Starke Fehlprognosen in der Vergangenheit

Der Futures Report zeigt darüber hinaus, wie überraschend das rasante Wachstum der erneuerbaren Energien selbst für ausgewiesene Energieexperten war und dass sogar die internationale Energieagentur (IEA) bei ihren Prognosen die Dynamik der Erneuerbaren stark unterschätzte.

So prognostizierte die IEA in ihrem World Energy Outlook von 2005 eine global installierte Photovoltaik-Kapazität von 22 Gigawatt (GW) für das Jahr 2020 und von 104 GW für das Jahr 2050. Im Jahr 2016 waren aber schon weltweit Photovoltaikanlagen mit einer Kapazität von 296 GW installiert.

"Die Zukunft der erneuerbaren Energien sah damals anders aus als heute. Damals hätte sich auch niemand vorstellen können, dass schon 86 Prozent aller 2016 gebauten Stromkraftwerke in der EU ihre Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen. Auch konnte sich damals niemand vorstellen, dass China Vorantreiber der erneuerbaren Energien wird", sagt Arthourous Zervous, Vorsitzender von REN21 bei der Vorstellung der Studie in New York auf dem Sustainable Energy for All Forum. 

"Der Bericht präsentiert eine breite Palette von Gutachten. Er soll dazu beitragen, dass die Chancen und Herausforderungen diskutiert werden, die mit dem Erreichen einer 100-prozentigen Energieversorgung durch Erneuerbare bis 2050 verbunden sind", ergänzt Christine Lins, Generalsekretärin von REN21. "Wunschdenken wird uns nicht zum Ziel bringen. Nur mit einer fundierten Debatte können die richtigen politischen und finanziellen Anreize gesetzt werden, um die Geschwindigkeit zu beschleunigen". 

Infografik Prognose von Stromkosten aus neuen Großkraftwerken
Die Stromerzeugung mit neuen Anlagen ist mit erneuerbaren Energien schon günstiger.

Energie-Umbau braucht vorausschauende Politik

Überzeugt zeigen sich die meisten Experten im Bericht auch davon, dass die Kosten für erneuerbare Energien weiter sinken und innerhalb der nächsten zehn Jahre billiger werden als fossile Brennstoffe. Im Stromsektor - heißt es außerdem im Bericht - sind Wind- und Solaranlagen in den meisten OECD-Ländern schon heute konkurrenzfähig gegenüber neuen konventionellen Kraftwerken.

Während der Report positiv hervorhebt, dass in ländlichen Regionen schätzungsweise 100 Millionen Menschen in den letzten Jahren erstmals Zugang zu einer Stromversorgung durch erneuerbare Energien bekamen und die Märkte für sogenannte Off-grid Systeme schnell wachsen, bemängeln die Experten das Fehlen einer vorausschauenden Politik in den meisten Ländern. "Es fehlt an einem stabilen Klima für Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Dieser Mangel an politischer Sicherheit behindert die Entwicklung in den meisten Ländern", lautet ein weiteres Fazit des Reports.  

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion