100. Todestag von Gustave Eiffel
29. Dezember 2023Ganz Frankreich feiert den visionären Baumeister Gustave Eiffel, der sich mit 700 Konstruktionen in 30 Ländern verewigt hat. Das berühmteste, der Eiffelturm, ist nicht nur zum Wahrzeichen von Paris geworden, er ist die französische Ikone der Ingenieurskunst schlechthin. Seit seinem Bau zur Weltausstellungvon 1889 begeistert der Turm die Menschen. Jahr für Jahr zieht er Millionen zahlender Besucher an. Doch inzwischen machen sich Experten Sorgen um seinen Zustand.
Dass der markante Turm am Ausgang des historischen Marsfeldes im heutigen Zentrum von Paris unweit der Seine den Namen von Gustave Eiffel trägt, ist eher Zufall. Denn der 1832 geborene Franzose war vom Entwurf seiner Ingenieure Maurice Koechlin und Émile Nougier anfangs nicht begeistert. Deshalb bezog er den Chefarchitekten seiner Baufirma, Stephen Sauvestre, in die Planung mit ein.
"Tragischer Laternenpfahl"
Dieser reduzierte die Zahl der Stockwerke von sechs auf drei, veränderte die Lage der Fundamente und fügte den markanten Rundbogen unter der ersten Plattform ein. Eiffel, Koechlin und Nougier meldeten das Konstruktionsprinzip gemeinsam zum Patent an. Schließlich kaufte Eiffel seinen Mitarbeitern die Urheberrechte ab. Der Turm erhielt den Namen Eiffelturm. Er hätte aber auch Koechlin & Nougier-Turm oder Sauvestre-Turm heißen können. Aber wer weiß das heute noch?
"Tragischer Laternenpfahl", "widerlicher Tintenfleck", "Schande von Paris" - der Entwurf stieß zunächst auf Unmut. Mit scharfen Worten bedachten die Kritiker die Idee des Eingangsportals zur Weltausstellung. Höhepunkt der Protestwelle war ein Artikel von Intellektuellen in der Zeitschrift "Les Temps" vom 14. Februar 1887: "Wir, Schriftsteller, Maler, Bildhauer, Architekten und leidenschaftliche Liebhaber der noch unversehrten Schönheit von Paris", hieß es dort, "protestieren mit aller Kraft und Empörung im Namen des falsch verstandenen französischen Geschmacks, im Namen der Kunst und der bedrohten französischen Geschichte gegen die Errichtung des nutzlosen und monströsen Eiffelturms.
Schriftsteller wie Guy de Maupassant, Leconte de Lisle, Charles Gounod und Alexandre Dumas kritisierten die "schwindelerregende Lächerlichkeit" des Turms, der wie ein "gigantischer schwarzer Fabrikschlot" die Stadt dominieren und mit seiner "barbarischen Masse" die Architektur erdrücken würde.
Große Neugier der Besucher auf den Eiffel-Turm
Doch die Idee des Turms setzte sich durch, Eiffel konnte die aus 18.000 Einzelteilen bestehende Konstruktion zügig realisieren. Er übernahm sogar einen Großteil der Finanzierung. Dafür sicherte er sich die Nutzungsrechte für 20 Jahre, was sich als äußerst lukrativ erwies: Die Neugier der Menschen auf den monumentalen Fachwerkturm war von Anfang an riesig.
Geschäftssinn und Durchsetzungsvermögen hatte der am 15. Dezember 1832 in Dijon geborene Eiffel wohl von seiner Mutter Catherine Moneuse geerbt. Die Tochter eines Holzhändlers investierte in das boomende Geschäft mit der Steinkohle. So wuchs das Vermögen der Familie in kurzer Zeit massiv an. Sohn Gustave trat 1856 in die Dienste von Charles Nepveu, einem Tiefbauunternehmer und Spezialisten für "festes und rollendes Eisenbahnmaterial". So kam es, dass der junge Eiffel bereits als Mittzwanziger auf einer der größten Baustellen Frankreichs stand - als Bauleiter der Eisenbahnbrücke von Bordeaux.
Beruflich ließ es sich für Eiffel gut an. Im Privatleben allerdings lief es weniger rund. "Ich werde alt, ich lasse die Dreißig hinter mir, und meine Zukunft als alter Hagestolz finde ich nicht berückend", schrieb Eiffel im Januar 1862 an seine Mutter. Er benötige "eine gute Hausfrau, die mich nicht allzu wütend macht, die mich so wenig wie möglich betrügt und die mir schöne, wohlgeratene und tatsächlich von mir gezeugte Kinder macht." Catherine präsentierte eine Kandidatin: die 17-jährige Marie Gaudelet. Die Hochzeit fand noch im Sommer desselben Jahres statt.
Das Eisen schmieden, solange es heiß ist - nach diesem Grundsatz eroberte der junge Eiffel die halbe Welt. Kirchen auf den Philippinen und in Peru, der Westbahnhof in Budapest, Brücken in Vietnam oder das Eisengerüst für die Freiheitsstatue in New York: Überall waren Eiffels Konstruktionen gefragt. Als er den Auftrag erhielt, eine Stahlkonstruktion für die Synagoge in der Pariser Rue des Tournelles zu bauen, schrieb er stolz an seinen Vater: "Wie du siehst, bin ich nicht einseitig."
Entgegen aller Abrisspläne wollte Eiffel sein Meisterwerk für die Nachwelt erhalten. Also suchte er nach einem vorzeigbaren Zweck, sprich: wissenschaftlichem Nutzen. Er richtete eine meteorologische und eine astronomische Beobachtungsstation ein. Physikalische Experimente wurden durchgeführt. 1898 wurde die erste drahtlose Telegrafenverbindung zwischen dem Eiffelturm und dem Panthéon hergestellt. Im Ersten Weltkrieg nutzte die französische Armee den Eiffelturm als strategischen Beobachtungsposten.
Spektakel aller Art begannen. Luftschiffe umkreisten den Eiffelturm, 1908 gelang Graf Lambert die erste Umrundung mit einem Flugzeug. Schließlich hatten die Behörden ein Einsehen: Anfang 1910 sprach niemand mehr von Abriss, Eiffels Konzession wurde um Jahrzehnte verlängert.
Die Nazis verzichteten 1944 auf die Sprengung des Turms, als sich ihre Niederlage abzeichnete. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten sich alle möglichen Sportler - Bergsteiger, Motocross-Fahrer, Mountainbiker, Bungee-Jumper, Fallschirmspringer und sogar Drahtseilakrobaten - an dem markanten Turm.
Noch heute ist der Eiffelturm die Touristenattraktion von Paris, doch inzwischen gilt er als "rostige alte Dame". Der 324 Meter hohe und 7300 Tonnen schwere Eisenturm war eigentlich nicht für die Ewigkeit gedacht, sondern sollte nach 20 Jahren wieder abgebaut werden. Nach Recherchen von 2022 des französischen Magazins "Marianne" ist er in einem erbärmlichen Zustand und müsste dringend generalüberholt werden. Korrosion macht ihm zu schaffen. Bis heute erhielt er 20 Anstriche, zuletzt auch nur noch zum Teil. "Wir haben Notre Dame brennen sehen, werden wir den Eiffelturm einstürzen sehen?", fragt das Magazin Marianne stellvertretend für viele Franzosen.
Am 27. Dezember 2023 jährte sich der Todestag von Gustave Eiffel zum 100. Mal. Er starb im Alter von 91 Jahren in Paris. Frankreich ehrt ihn heute als großen Wissenschaftler, Industriekapitän und allseits respektierten Patriarchen.