16 Jahre Strafkolonie: Russland verurteilt Evan Gershkovich
19. Juli 2024Der US-Journalist Evan Gershkovich ist in Russland zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Das zuständige Gericht in Jekaterinburg sprach den 32-Jährigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit der "Spionage" schuldig. Der Journalist des "Wall Street Journal" muss die Haft laut Urteil in einer Strafkolonie unter verschärften Bedingungen ableisten.
Die Anklage hatte 18 Jahre Haft gefordert. Die Staatsanwälte warfen dem Journalisten vor, für den US-Geheimdienst CIA zu arbeiten und geheime Informationen über einen Panzerhersteller im Ural gesammelt zu haben. Gershkovich wies - ebenso wie die US-Regierung und sein Arbeitgeber - alle Anschuldigungen zurück.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Der Prozess hatte erst Ende Juni begonnen. Das Verfahren, von dem Medienvertreter größtenteils ausgeschlossen waren, dauerte somit kaum mehr als drei Wochen. Bereits nach dem zweiten Verhandlungstag am Donnerstag hatte das Gericht die sogenannte Beweisaufnahme beendet.
Gershkovich war im März 2023 während einer Reportagereise östlich des Uralgebirges in Jekaterinburg festgenommen worden - wohl als erster westlicher Journalist seit Ende des Kalten Krieges. Seither saß er im Moskauer Lefortowo-Gefängnis in Untersuchungshaft.
Biden: Gershkovich hat kein Verbrechen begangen
US-Präsident Joe Biden erklärte, Gershkovich habe "kein Verbrechen begangen". Er sei von Moskau ins Visier genommen worden, weil er Reporter und US-Bürger sei. Auch das US-Außenministerium hatte Gershkovichs Festnahme als unrechtmäßig bezeichnet. "Wir haben von Anfang an klargestellt, dass Evan nichts Falsches getan hat und nicht hätte inhaftiert werden dürfen. Bis heute hat Russland keine Beweise für ein Verbrechen vorgelegt und Evans andauernde Inhaftierung nicht gerechtfertigt", sagte ein Sprecher.
Ähnlich äußerte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. "Die Wahrheit lässt sich nicht wegsperren", schrieb die Grünen-Politikerin im Onlinedienst X. Die Verurteilung Evan Gershkovichs zeige die Angst die russischen Präsidenten Wladimir Putin "vor der Kraft von Fakten". Das Urteil sei "politisch motiviert und Teil von Putins Kriegspropaganda".
WSJ: "Ein Skandal, der sofort beendet werden muss"
Die Europäische Union verlangte ebenfalls die unverzügliche Freilassung des Reporters. Der Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, Russland nutze "sein politisiertes Rechtssystem zur Bestrafung des Journalismus". Europaparlaments-Präsidentin Roberta Metsola bezeichnete Gershkovich als Opfer eines "Scheinprozesses".
"Evans unrechtmäßige Inhaftierung ist seit seiner ebenso ungerechtfertigten Verhaftung vor 477 Tagen ein Skandal, der sofort beendet werden muss", hatte das "Wall Street Journal" am Donnerstag, also noch vor dem Richterspruch, erklärt. "Während Russland einen beschämenden Scheinprozess inszeniert, tun wir weiterhin alles in unserer Macht Stehende, um auf Evans sofortige Freilassung zu dringen und machen deutlich: Evan hat seinen Job als Journalist gemacht, und Journalismus ist kein Verbrechen. Bringen Sie Evan sofort nach Hause."
Möglicher Gefangenenaustausch?
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Anfang des Jahres angedeutet, dass er bereit wäre, Gershkovich gegen Wadim Krasikow auszutauschen. Krasikow, der russischer Staatsbürger ist, verbüßt derzeit eine lebenslange Haftstrafe in Deutschland wegen der Ermordung eines georgischen Staatsbürgers 2019 im Kleinen Tiergarten im Berliner Ortsteil Moabit.
Während der russische Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch bei den Vereinten Nationen von einem möglichen Gefangenenaustausch zwischen Washington und Moskau gesprochen hatte, ließ Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dies unkommentiert. Bis zu einem solchen Austausch könnten indes Monate oder gar Jahre vergehen.
pdo/jj (dpa, afp, rtr, ap)