20 Jahre verhüllter Reichstag
Die Verhüllung des Berliner Reichstags bleibt auch nach 20 Jahren eine der spektakulärsten und populärsten Aktionen des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude. 23 Jahre lang hatte Christo für die Genehmigung gekämpft.
Der Triumph
"Wir haben gesiegt!", ruft Christo am 25. Februar 1994 aus. Nach 23 Jahren zähen Ringens hatte der Bundestag seinem Projekt "Verhüllter Reichstag" endlich zugestimmt. Am 17. Juni 1995 kommen dann die Sattelschlepper mit den Stoffplanen. Damals wie heute eine spektakuläre Aktion, die jetzt zum 20. Jubiläum in einer Ausstellung dokumentiert wird.
Die Sattelschlepper rollen an
Die Planen sind da, der Aufbau kann beginnen. Christo zieht seine Arbeitshandschuhe an, um selbst anzupacken. Seit 1971 hatten er und seine Frau Jeanne-Claude versucht, das deutsche Parlament von ihren Plänen zu überzeugen. Christo war von der Lage und der Symbolik des Gebäudes begeistert. Doch gerade die geschichtliche Symbolik sorgte für heiße Debatten im Parlament.
Ein Symbol der Freiheit
1978 präsentiert Christo ein verhülltes Reichstagsmodell im Museum für Gestaltung in Zürich. Für ihn war der von Kaiser Wilhelm II. im späten 19. Jahrhundert erbaute Regierungssitz trotz seiner wechselvollen Geschichte ein Symbol der Freiheit. Hier wurde 1918 die Republik ausgerufen. Das Thema Freiheit begleitet Christo und seine Kunst seit seiner Flucht 1951 aus dem kommunistischen Bulgarien.
Die Kollektion "Wrapped Reichstag"
Was 1995 bei der Ausstellungseröffnung mit Christo und Jeanne-Claude zu sehen war, kehrt jetzt nach Berlin zurück. Christos Kollektion "Wrapped Reichstag" soll nach der Sommerpause des Parlaments ausgestellt werden. Die 320 Zeichnungen, Modelle, Collagen und Fotos sowie Stoffreste, Taue und Haken von damals will der bulgarische Künstler eigenhändig mit aufbauen.
Verhüllen auf Zeit
Nur für kurze Zeit sind Christos Werke zu sehen. Als Vertreter der sogenannten "Land Art" hat er sich in frühen Jahren gegen das Besitzbürgertum gewandt. Kunst in der freien Natur soll jeder kostenlos genießen können. Sie soll niemandem gehören. Dauerhaftigkeit ist für ihn gleichbedeutend mit Besitz. Auch der verhüllte Reichstag war - wie viele seiner Werke - nur 14 Tage lang zu sehen.
Der verhüllte Reichstag: ein Happening
Die letzten der 70 silbrigglänzenden Stoffbahnen werden am 23. Juni 1995 am Reichstag befestigt. Mehr als 100.000 Quadratmeter Stoff, die mit mehreren Kilometern blauer Seile verschnürt sind, faszinieren die Schaulustigen. Die Menschen tanzen und feiern. Fünf Millionen Besucher kommen innerhalb von 14 Tagen: ein Weltrekord für die meisten Besucher eines Kulturereignisses in so kurzer Zeit.
Auch nichts kann man verpacken
Mit seinen spektakulären Verhüllungen beginnt Christo in den 1960er Jahren. Sein 5600-Kubikmeter-Paket auf der "documenta 4" in Kassel 1968 sorgt weltweit für Anerkennung. Schon früh hat Christo Stühle, Zeitschriften oder Ölfässer verhüllt, doch jetzt ist es reine Luft, die er zum Paket schnürt.
Großaktion Valley Curtain
In den 1970er Jahren werden die Aktionen von Christo und Jeanne-Claude immer aufwendiger und farbenprächtiger. Um ihre künstlerische Freiheit zu wahren, finanziert das Paar seine Projekte durch den Verkauf von Zeichnungen, Fotos und Modellen. Spektakulär: der 400 Meter lange orangefarbene Vorhang, den Christo 1972 über das Rifle Valley in Colorado spannen ließ.
Die Dinge anders betrachten
Christo und Jeanne-Claude haben die Objekte und Gebäude nie zur Unkenntlichkeit verhüllt. Die Ästhetik war beiden wichtig. Unter der Hülle lässt sich der Gegenstand erahnen. Das regt die Phantasie an. 1985 verhüllen die beiden die Pont Neuf in Paris. Je nach Wetterlage glitzert der Stoff in verschiedenen Farben - die Brücke erscheint im wahrsten Sinne des Wortes immer in einem anderen Licht.
Kunst als Spektakel
In den 1990er Jahren werden die Aktionen des Künstlerpaares Christo und Jeanne Claude immer risikoreicher. Bei "The Umbrellas" in Japan und Kalifornien kommt ein Arbeiter bei der Montage eines der insgesamt 3000 Schirme ums Leben. Längst kommt Christo nicht mehr ohne professionelle Kletterer und Ingenieure aus. Die "Arbeitsfamilie" wächst ständig.
Lange warten auf "The Gates"
Christo verhüllt nicht nur Dinge, sondern gestaltet auch Landschaften und Parks, wie hier 2005 mit "The Gates" im New Yorker Central Park. Bereits 1980 hatten Christo und Jeanne-Claude die Tore mit den wehenden Stoffen geplant, doch die Genehmigung dauerte noch länger als beim Reichstag. Heute sind es oft umweltpolitische Bedenken, die einer Erlaubnis im Wege stehen.
Work in Progress
Das Warten ist Christo gewöhnt. An drei Projekten gleichzeitig arbeitet der Künstler, der erst vor kurzem seinen 80. Geburtstag feierte. Einige davon hat er noch mit Jeanne-Claude entworfen, die 2009 verstorben ist. So etwa "The Mastaba" in Abu Dhabi, eine gigantische Pyramide aus 410 000 Ölfässern. Mit diesem ersten permanenten Großprojekt könnte er sich ein Denkmal setzen.