33.000 Tote: Wenn kein Antibiotikum mehr hilft
6. November 2018Sie sind gefährlicher als Grippe, Tuberkulose und HIV zusammen: Antibiotika-resistente Bakterien verursachen allein in Europa etwa 33.000 Todesfälle. Jahr für Jahr. Das belegt ein europäisches Forscherteam in einer Studie, die im Fachblatt "The Lancet Infectious Diseases" erschien.
Die Wissenschaftler hatten Infektionen aus 30 Ländern der Europäischen Union und des europäischen Wirtschaftsraumes ausgewertet. Sie konzentrierten sich dabei auf acht verschiedene Bakterienarten, die Resistenzen auch gegen antibiotische Kombi-Präparate aufweisen. Die Keime verursachen etwa Harn- und Atemwegsinfekte, Infektionen der Blutbahn und an Operationswunden. Bei Patienten, die sich damit infizieren, schlagen die entsprechenden Antibiotika nicht an. Manchmal werden noch wirksame Antibiotika auch zu spät verabreicht, weil die Resistenzen nicht frühzeitig genug erkannt werden. Dann können eigentlich harmlose Infektionen schlimmstenfalls tödlich verlaufen.
Die Kleinsten und die Ältesten sind besonders gefährdet
Allein 2015 hatten sich mehr als 670.000 Menschen mit den untersuchten Bakterien angesteckt, 33.110 von ihnen sind haben die Erkrankung nicht überlebt. Etwa drei Viertel der Erkrankungen mit antibiotikaresistenten Keimen wurden in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitssystems festgestellt, berichten die Forscher.
Nach Angaben des Wissenschaftlerteams sind Kinder unter zwölf Monaten und ältere Menschen ab 65 Jahren besonders gefährdet, an den "Superkeimen" zu sterben. Besonders hoch waren die Todesraten der Studie zufolge in Italien und Griechenland. Allein in Italien wurde demnach mehr als ein Drittel der EU-weiten Todesfälle durch von Infektionen mit antibiotika-resistenten Bakterien gezählt. In Deutschland liegt die Zahl im unteren Drittel.
EU strebt die weltweit schärfsten Standards an
"Die Zahlen entsprechen etwa dem, was wir erwartet haben", sagte Petra Gastmeier, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner Charité. Es sei davon auszugehen, dass sich die Situation zumindest hierzulande seit 2015 nicht entscheidend verändert habe. "Die Forscher haben das solide und sorgfältig berechnet, aber grundsätzlich sind solche Modellierungen natürlich mit einigen Unwägbarkeiten behaftet."
Die Resistenzen haben sich durch den zunehmenden Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin sowie in der Tierzucht in den vergangenen Jahren ausgebreitet. Im September hatte ein Wissenschaftlerteam in Australien gewarnt, dass Bakterien, gegen die kein Arzneimittel helfe, auf dem Vormarsch seien.
Die EU-Kommission hatte im Juni 2017 einen neuen Aktionsplan im Kampf gegen die Ausbreitung resistenter Keime beschlossen. Dieser sei sehr ehrgeizig, sagte eine Sprecherin. Er ziele darauf ab, die EU zu einer Region zu machen, in der höchste Standards gesetzt werden.
rb/pg (afp, dpa)