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50 Jahre Goethe-Institut in Nigeria

Thomas Mösch7. Dezember 2012

Das Goethe-Institut in Lagos gibt es seit 50 Jahren. Gefeiert wird da gleich mehrere Tage lang mit einem Kulturfestival. Denn die deutsche Einrichtung hat viele Spuren in der Kunstszene Nigerias hinterlassen.

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Tanzworkshop mit Richard Siegal (Foto GI)
Bild: Martin Baasch/GI

Richard Siegal gibt Anweisungen auf Englisch und Französisch. Der Choreograph probt mit einigen jungen Frauen und Männern in einer alten, heruntergekommenen Halle im Zentrum von Lagos. Zu Pop-Musik laufen, springen und turnen die Tänzer über den ausgelegten Gummiboden. Siegal ist US-Amerikaner, lebt aber in Deutschland. Die Tänzer kommen aus Nigeria, Kamerun und Senegal. Sie wollen zur Eröffnung des Jubiläums-Festivals auftreten.

So wie die Feierlichkeiten jetzt Künstler aus Deutschland, Nigeria und anderen Ländern zusammenbringen, so hat sich auch das Goethe-Institut in den vergangenen 50 Jahren als Mittler zwischen den Welten verstanden. 1962 wurde die deutsche Kultureinrichtung eröffnet, nur zwei Jahre nachdem Nigeria seine Unabhängigkeit erlangt hatte.

Mit Theater fing alles an

Sunday Umweni ist das "Gedächtnis" des Goethe-Instituts in Nigeria. Vier Jahrzehnte lang hat er die Kulturprogramme mitgestaltet, bis zu seiner Pensionierung 2011. Und dabei habe er Ende 1968 lange gezögert, das Angebot des damaligen Instituts-Leiters überhaupt anzunehmen. "Damals hat Nigerias Regierung gerade mit der DDR über die Eröffnung einer Botschaft verhandelt. Ich wusste, dass die Westdeutschen dann ihre Vertretungen schließen würden. Das sah nicht nach einem sicheren Job aus", sagt er und schmunzelt. Ein paar Monate später ging er das Risiko dann doch ein. Als die DDR kurze Zeit darauf tatsächlich eine Vertretung in Lagos eröffnete, hatte in der Bonner Ostpolitik schon das "Tauwetter" eingesetzt und die befürchteten Folgen blieben aus.

Sunday Umweni, 1969 – 2011 Programm-Mitarbeiter des GI Lagos(Foto DW)
Sunday UmweniBild: DW/T.Moesch

Zum Jubiläum hat Sunday Umweni eine Ausstellung zur Geschichte des Instituts in Nigeria auf die Beine gestellt. Darin dokumentiert er zum Beispiel die Arbeit Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre. Damals stand das Theater im Mittelpunkt, vor allem die schon damals bekannten Dramaturgen aus dem Yoruba-Volk wie Hubert Ogunde und Duro Ladipo. "Das ging ungefähr fünf Jahre so", erzählt Umweni. Als Ogunde und Ladipo etabliert waren, habe das Institut begonnen, mehrere jüngere Theatergruppen zu fördern.

Karriere-Start bei "Goethe"

Junge, einheimische Talente fördern - dieses Konzept zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Goethe Instituts in Lagos. Auch die Bildhauerin Ndidi Dike hat davon profitiert. Als junge, unerfahrene Künstlerin war sie 1987 aus ihrer Heimat im Südosten des Landes nach Lagos gekommen, das damals noch Hauptstadt Nigerias war. Das deutsche Kulturinstitut gab ihr den Raum für eine eigene Ausstellung. Endlich konnte sie ihre Arbeiten zeigen, vor allem Schnitzereien, die an Totempfähle erinnern. Für Dike war es der Start ihrer Karriere, erinnert sie sich. "Um den Einfluss des Goethe-Instituts auf die nigerianische Kunstszene in den letzten 50 Jahren zu verstehen", so Dike, "muss man nur auf die ersten Ausstellungen eines jeden kritischen Künstlers in Nigeria schauen." Irgendwo im Frühstadium ihrer Karriere tauche immer das Goethe-Institut auf, das an sie geglaubt habe. Bevor ein größeres Publikum auf sie aufmerksam wurde, habe das Institut die Talente dieser Künstler erkannt, lobt Dike.

Ebenfalls Ende der 80er Jahre betrat der Filmemacher Victor Okhai die Räume des Instituts zum ersten Mal. Er wollte eigentlich nur Deutsch lernen. Doch dann fesselten ihn die Angebote zum deutschen und internationalen Film. Heute gehört Okhai zu den international bekanntesten Vertretern von "Nollywood" - Nigerias Filmindustrie. Das habe er vor allem dem Goethe-Institut zu verdanken, betont Okhai, der auch eine eigene Filmschule betreibt: "Viele meiner Kontakte und Verbindungen begannen mit meinen Reisen nach Deutschland", sagt der Regisseur, der jedes Jahr zur Berlinale reist. "'Goethe' hat mir auch viele Verbindungen in Afrika verschafft. Durch diese Kontakte hat sich mein Name wie ein Lauffeuer verbreitet".

Victor Okhai, Filmemacher, Nigeria(Fotos DW)
"Nollywood" Regisseur Victor OkhaiBild: DW/T.Moesch

Öffnung zur Stadt und ihren Menschen

Marc-André Schmachtel, Direktor des GI Lagos (Foto GI)
Marc-André SchmachtelBild: GI Lagos

Neben den eher traditionellen Kunstfeldern wie Film, Theater, Malerei und Musik öffnet sich das Goethe Institut seit rund einem Jahrzehnt auch mehr den experimentellen Kunstformen. Marc-André Schmachtel leitet das Institut seit zwei Jahren - und setzt darauf, über das Institut auch das Leben in Lagos stärker abzubilden. Einer seiner Vorgänger habe einen in Deutschland lebenden nigerianischen Künstler in einen der brodelnden Stadtteile von Lagos geschickt, erinnert sich Schmachtel. "Die haben mit den Leuten von der Straße gearbeitet, haben Kunstwerke, zum Beispiel Graffitis, geschaffen. So haben also die ganz normalen Menschen einbezogen". Aus den Räumen des Instituts heraus und auf die Menschen zuzugehen, das sei damals neu für das Goethe-Institut gewesen, betont Schmachtel. Inzwischen sei es Alltag.

Oft bleibt Schmachtel und seinen Kollegen auch nichts anderes übrig, als heraus zu gehen - in den derzeitigen Räumlichkeiten in einer Etage der "City Hall", des Beton-Rathauses von Lagos Island, ist kein Platz für größere Aufführungen. Der Mangel an bezahlbaren und geeigneten Räumen hat die Existenz des Instituts in Nigeria bereits mehrmals in den vergangenen 50 Jahren gefährdet. 2010 war es ein Jahr lang sogar ohne eigene Räume; nicht einmal mehr Deutschkurse gab es. Jetzt setzt Schmachtel auf die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Kulturinstituten, um bald in ein Gebäude mit eigenen Veranstaltungsräumen umziehen zu können.