50 Olivenbäume für ein Abendessen
22. Juli 2016Sabine Colombettis Besitz ist gewachsen, um genau 50 Olivenbäume - und eine tiefe Freundschaft. Die Bäume schenkte ihr Fathi, ein syrischer Familienvater, weil er so dankbar war für den Abend, den er und seine Familie mit Sabine Colombettis Familie verbringen durften. Das Abendessen fand am zweiten Weihnachtstag statt, und es war der Samen für eine Freundschaft, die bis heute mit jedem Tag wächst.
"Wir hatten so einen Spaß an dem Abend", erzählt Sabine Colombetti. "Fathi und seine Frau Norhan erzählten uns von der Flucht und zeigten uns Bilder aus der Heimat." Die Familie musste ihr komplettes Anwesen wegen des Kriegs in Syrien zurücklassen, ein großes Haus, Land - und 750 Olivenbäume. "Und dann meinte ich, ach Olivenbäume, das ist mein Traum und dann meinte Fathi, weißt du was? Ich schenke dir 50 meiner Olivenbäume."
Sabine Colombettis Stimme bebt vor Freude, wenn sie diese Geschichte erzählt, auch heute noch, rund ein halbes Jahr später. Schon eine Woche nach ihrem ersten Abendessen luden Fathi und Norhan Sabine Colombetti, ihren Mann und ihren Sohn zu sich ein - ins Flüchtlingsheim. Es gab typisch syrische Speisen. Heute treffen sich die Familien fast wöchentlich und telefonieren regelmäßig.
"Alle haben Schwierigkeiten am Anfang"
Wenn Mariya Ilcheva solche Geschichten hört, weiß sie, wofür sie im letzten Jahr so oft länger wach geblieben ist. Sie hat die Initiative "Ich lade Dich ein" in Bonn ins Leben gerufen. Seit Juli 2015 vermittelt sie über ihre Webseite und Facebook Menschen, die in Deutschland leben, mit Menschen, die erst kürzlich ins Land gekommen sind, für ein Abendessen.
"Ich trenne die Gäste nicht in Flüchtlinge oder andere Migranten, denn alle haben Schwierigkeiten am Anfang", sagt Ilcheva. Sie weiß genau, wovon sie spricht. Die 34-Jährige ist Bulgarin und kam vor 16 Jahren als Studentin nach Deutschland: "Ich konnte die Sprache nicht, hatte keine Freunde und überhaupt keine Idee, wie ich es schaffen werde", erzählt Ilcheva, die heute als Journalistin für die Deutsche Welle arbeitet, in fließendem Deutsch. "In den ersten Jahren fiel es mir ganz schwer, Kontakte zu knüpfen, obwohl ich an der Uni war und Vorlesungen hatte."
Erst als sie zu einem Abendessen bei einer deutschen Familie eingeladen wurde, kam sie mit Deutschen in Kontakt und merkte: "Ok, die Deutschen sind gar nicht so kalt." Auch sie habe damals Vorurteile gehabt, so Mariya Ilcheva: "Wenn die Anderen noch fremd sind, hat glaube ich jeder Vorurteile."
"Ich lade Dich ein" soll auch Einheimischen helfen
Damit anderen Menschen, die neu nach Deutschland kommen, der Anfang nicht so schwer fällt wie ihr damals, gründete sie die Initiative "Ich lade Dich ein". Das Projekt richtet sich nicht nur an Neuankömmlinge: "Das Projekt soll beiden Seiten helfen, auch den Einheimischen, die andere Seite zu verstehen."Ilchevan nutzte ihre Elternzeit, um die Initiative zu gründen. Dabei hatte sie auch Vorbilder. Ähnliche Projekte gab es damals bereits in Australien, Schweden und Hamburg.
Kurz nachdem sie die Facebookseite online gestellt hatte, begann in Deutschland das, was viele die "Flüchtlingskrise" nennen. Hunderttausende Menschen kamen nach Deutschland. Da war ein Projekt wie "Ich lade Dich ein" genau richtig. "80 Prozent der Gäste sind Flüchtlinge, aber auch andere Migranten melden sich, beispielsweise aus Peru, Spanien, Serbien, Frankreich, Ukraine oder Russland", erzählt Ilcheva. "Also es besteht Bedarf", sagt sie und lacht.
Obwohl im Jahr 2016 sehr viel weniger Flüchtlinge nach Deutschland kamen, ist die Nachfrage nach wie vor groß: "Viele Gastgeber wollen ein zweites Mal jemanden einladen." Da die wenigsten Gäste fließend Deutsch sprechen und nicht von alleine auf die Webseite stoßen, muss Ilcheva diese aktiv suchen. Dabei erhält sie Unterstützung von der Volkshochschule Bonn und Deutschlehrern, die ihren Schülern von dem Projekt erzählen.
So hatten auch die Syrer Fathi und Norhan von "Ich lade Dich ein" gehört. Heute sind der Elektroingenieur und seine Frau stolz. Denn sie sind die Einzigen in ihrem Deutschkurs, die mit einer deutschen Familie befreundet sind. Und das alles wegen eines Abendessens - und vielleicht halfen auch die 50 Olivenbäume nach, die auf Fathis Plantage in Syrien für Sabine Colombetti reserviert sind.