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2020: Durchbruch für 5G?

18. Dezember 2019

Im Jahr 2019 sind die ersten 5G-Smartphones auf den Markt gekommen. Wie steht es mit dem Aufbau der nächsten Mobilfunk-Generation - in Deutschland und international?

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IFA 2019 - AVM - 5G
Bild: picture-alliance/dpa Themendienst/Z. Scheurer

Die gute Nachricht: Schnelles mobiles Surfen mit 5G erfreut sich großer Beliebtheit. Ein halbes Jahr nach dem Start des ersten 5G-Netzes gab es bereits vier Millionen Nutzer, bis zum Jahresende sollen es fünf Millionen sein.

Die "schlechte" Nachricht: Die Zahlen beziehen sich nicht auf Deutschland, sondern auf Südkorea, wo im April 2019 das weltweit erste kommerzielle 5G-Netz an den Start ging. Kurz nach den Koreanern zogen Anbieter in China und den USA nach. US-Anbieter Verizon etwa will bis Ende des Jahres in 30 Städten 5G anbieten.

In Deutschland steckt der Aufbau noch in den Kinderschuhen. Vier Mobilfunkbetreiber haben in diesem Jahr 5G-Lizenzen ersteigert und dafür insgesamt 6,6 Milliarden Euro an den Bund gezahlt - Geld, das für den Netzaufbau fehlt.

Im 5G-Netz von Vodafone, das im Sommer an den Start ging, gibt es derzeit erst rund 10.000 Nutzer, sagt Firmensprecher Tobias Krzossa zur DW. Es sind "early adopter", also Menschen, die neue Technologien möglichst früh nutzen wollen. Zudem gibt es im Moment erst eine Handvoll 5G-fähige Smartphones auf dem Markt.

Zehn Millionen

Die Möglichkeit, 5G damit zu nutzen, ist in den aktuellen Mobilfunk-Tarifen von Vodafone bereits enthalten, allerdings gibt es noch sehr wenige Orte mit 5G-Abdeckung. Das soll sich ändern, und nicht nur in den Städten, so Krzossa: "Bis zum Ende des Jahres 2020 wollen wir zehn Millionen Menschen an das 5G-Netz anschließen." Im Moment hat Vodafone rund 30 Millionen Mobilfunkkunden in Deutschland.

Das Ziel für 2020 bedeutet aber nicht: zehn Millionen Vodafone-Kunden, die mit 5G-Geschwindigkeit surfen. Gemeint ist, dass zehn Millionen Menschen dann im 5G-Netz von Vodafone surfen könnten, wenn sie denn Kunden des Unternehmens wären und entsprechende Smartphones hätten.

Infografik mobiler Datenverkehr DE

Auch bei der Deutschen Telekom bleibt man lieber vage. Wie viele Kunden derzeit schon 5G nutzen, kann oder will man dort nicht sagen. Wie viele es Ende 2020 sein sollen, auch nicht. Die Angabe, dass bereits 500.000 Telekom-Kunden einen jener Tarife gebucht haben, der auch die 5G-Nutzung beinhaltet, sagt nichts über die derzeitige und kommende Nutzung aus.

Konkreter wird die Telekom bei der Zahl der Antennen, die bereits im 5G-Netz funken. Ende dieses Jahres werden es 450 sein, Ende 2020 mindestens 1500. "Wie liefern ab bei 5G", sagt Telekom Deutschland-Chef Dirk Wössner. "Unsere Techniker liefern Höchstleistungen."

Erst die Städte

Wobei man mit 1500 Antennen noch nicht weit kommt. Laut Bundesnetzagentur gibt es in Deutschland derzeit rund 72.000 Sendestandorte für Mobilfunk, rund 30.000 werden von der Telekom betrieben. Jeder dieser Standorte hat mehrere Antennen, und trotzdem ist die Netzabdeckung im Land bestenfalls lückenhaft.

Zum Vergleich: Nach Angaben des chinesischen Mobilfunkausrüsters Huawei verfügt allein die Sonderwirtschaftszone um Shenzhen mit ihren rund 13 Millionen Einwohnern über 35.000 LTE-Sendestationen.

Beim 5G-Ausbau konzentriert sich die Telekom vorerst auf Städte. Im Laufe des Jahres 2020 will der Konzern die Hauptstädte aller 16 Bundesländer mit 5G abdecken. Dabei setze das Unternehmen "auf zusammenhängende Gebiete, statt stark vereinzelter Spots", sagt Technik-Chef Walter Goldenits. Details zum Grad der Abdeckung gibt es aber nicht.

Infografik mobiler Datenverkehr nach Anwendung DE

Auch Telefonica, mit der Marke O2 der dritte große Anbieter in Deutschland, will sich zunächst auf die Städte konzentrieren. Derzeit gibt es für Kunden noch keine 5G-Tarife, die sollen Anfang 2020 kommen. Bis Ende 2021 will das Unternehmen dann in den fünf größten deutschen Städten 5G anbieten, 2022 sollen es die Top-30-Städte sein. Ziel ist die "weitgehende Versorgung größerer Bereiche" in diesen Städten, sagt Gerald Huber, der bei Telefonica Deutschland für die technische 5G-Einführung zuständig ist, im DW-Gespräch.

Problemfall Huawei

Ein weiterer Hemmschuh für den Netzausbau ist der noch ungeklärte Status von Huawei. Der chinesische Konzern gehört mit Nokia aus Finnland und Ericsson aus Schweden zu den großen Mobilfunkausrüstern. Anders als in den USA wird Huawei in Deutschland nicht vom Aufbau eines 5G-Netzes ausgeschlossen, muss aber - ebenso wie seine Wettbewerber - die Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bestehen. 

Am Dienstag (18.12.) untermauerte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag ihren auch in der Regierung umstrittenen Kurs, bei der Einführung des schnellen Internetstandards 5G Huawei nicht grundsätzlich auszuschließen. "Ich bin gegen den prinzipiellen Ausschluss eines Unternehmens. Aber ich bin dafür, dass wir alles tun, um die Sicherheit zu gewährleisten", sagte Merkel Sie vertraue auf die deutschen Sicherheitsbehörden. Ihre Haltung sei: "Nicht von vorneherein einfach sagen: Ein Unternehmen kommt überhaupt nicht in Frage. Aber auf der anderen Seite da nicht blind zu sein, sondern schon auch den Vertrauensaspekt mit im Auge zu haben", betonte die Kanzlerin. Auf die Frage, ob China etwa wirtschaftliche Konsequenzen angedroht habe, falls Huawei ausgeschlossen werde, sagte Merkel: "Mir gegenüber ist von Druck durch die chinesischen staatlichen Stellen nichts geäußert worden."

Bis wann dieser Prozess abgeschlossen sein wird, ist noch offen, einige Beobachter rechnen mit Jahresmitte 2020, die Regierungsfraktionen peilen eine Verständigung im kommenden Januar an. 

Die Unsicherheit trägt dazu bei, dass die Mobilfunkanbieter beim Netzausbau zurückhaltend sind. Die Deutsche Telekom etwa teilte im Dezember mit, dass sie "zu 5G angesichts der unklaren politischen Lage in Deutschland aktuell keine Verträge eingeht, mit keinem Hersteller." Der Konzern hoffe, "baldmöglichst politische Klarheit für den 5G-Ausbau in Deutschland bekommen", so ein Sprecher zur DW.

Huawei zumindest sieht sich bei 5G in einer Führungsrollen und hofft, auch in Zukunft zum Einsatz zu kommen. "Wir investieren schon seit 2009 in 5G", sagt Huawei-Chef Liang Hua in einem DW-Interview. "Seitdem haben wir fast vier Milliarden US-Dollar in die Entwicklung investiert."

Immer langsam voran

Man sieht: Der Aufbau einer 5G-Infrastruktur erfolgt in Deutschland eher schrittweise, eine flächendeckende Versorgung auch ländlicher Gebiete ist bestenfalls Zukunftsmusik. Das deckt sich mit den Vorgaben der Bundesnetzagentur, der Aufsichtsbehörde für die Mobilfunkbranche. Die sind nicht an eine bestimmte Technik gebunden und verpflichten die Anbieter, bis Ende 2022 dafür zu sorgen, dass 98 Prozent der Haushalte sowie Reisende auf Autobahnen, den wichtigsten Bundesstraßen und den wichtigsten Schienenwegen Internetzugang mit einer Geschwindigkeit von mindestens 100 Mbit pro Sekunde haben.

Dieses Tempo ist auch schon mit der bisherigen Technik 4G / LTE zu erreichen, mit der theoretisch bis 500 Mbit/s möglich sind. Und das ist ein Grund, warum alle Anbieter in Deutschland auch in den kommenden Jahren noch viel Geld und Energie in den Ausbau ihrer LTE-Netze stecken.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Dass man in Deutschland in ein paar Jahren die weitgehende LTE-Versorgung feien wird, während in anderen Ländern 5G schon flächendeckend zur Verfügung steht, ist kein ganz abwegiges Szenario.

Gerald Huber von Telefonica findet den raschen 5G-Aufbau in Korea jedenfalls "beeindruckend und großartig". Allerdings ist ihm dort noch keine revolutionäre, 5G-spezifische Anwendung aufgefallen. "Die Technik ist da, aber sie wird verwendet wie bisherige Techniken." Was derzeit vor allem heißt: schnelles Videostreaming. Mit fast 27 Gigabyte pro Monat haben 5G-Nutzer in Südkorea einen fast drei Mal so hohen Datenverbrauch wie LTE-Nutzer.

Infografik Südkorea Datenverkehr pro Nutzer DE

Welche bahnbrechend neue Anwendungen die schnelle Technik für Privatkunden bringen wird, ist noch offen. Viele Experten sehen 5G als Voraussetzung für das autonome Fahren, bei dem Autos in Echtzeit miteinander kommunizieren. Auch in der Telemedizin könnte 5G genutzt werden, etwa für Untersuchungen oder sogar Operationen aus der Distanz.

Firmen setzen ohnehin große Hoffnungen auf 5G. Die Technik ermöglicht das sogenannte "Slicing", mit dem Unternehmen sich ihr eigenes 5G-Netz schaffen können, innerhalb dessen die Roboter in der Fertigung mit den Werkstücken und dem Wareneingang kommunzieren. Hier könnte ein deutsches Hinterherhinken tatsächlich Nachteile für den Wirtschaftsstandort bedeuten.

Die Zukunft heißt (weiterhin) Video

Der Netzwerkausrüster Ericsson lässt in seinem jüngsten "Mobility Report" zumindest keinen Zweifel daran, dass sich 5G deutlicher schneller durchsetzen wird als die Vorgängertechnologien. "Zum Jahresende 2025 erwarten wir weltweit 2,6 Milliarden 5G-Nutzer", die dann fast die Hälfte des weltweiten mobilen Datenverkehrs verursachen, heißt es in dem Bericht.

Und was machen die mit der schnellen Technik? Vor allem Videos anschauen, so der Report - egal ob Filme, Serien, Werbung oder Chats. Im Jahr 2025 werden Videos für 76 Prozent aller mobilen Daten verantwortlich sein, ein deutlicher Anstieg von den derzeit 60 Prozent.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.