70. Berlinale wirft ihre Schatten voraus
Jubiläum und neue Leitung, neue Schauplätze und Perspektiven: Die 70. Berliner Filmfestspiele versprechen einige Neuerungen - und präsentieren gleichzeitig Klassiker des Kinos.
Neues Duo für die Berlinale
Nach der langjährigen Amtszeit des im vergangenen Jahr abgetretenen Leiters Dieter Kosslick beginnt die 70. Ausgabe der Berlinale mit einem neuen Führungsduo: dem Italiener Carlo Chatrian, der das Amt des künstlerischen Leiters inne hat und Marietta Rissenbeek, die sich um die Geschäfte kümmert. Die beiden waren 2019 von Kulturstaatsministerin Monika Grütters offiziell vorgestellt worden.
Neue Schauplätze im Stadtzentrum
Eher gezwungenermaßen musste sich das Duo direkt auch um neue Berlinale-Kinos kümmern. Weil ein großes Multiplex-Kino am Potsdamer Platz die Pforten schloss und dadurch einige Abspielstätten wegfielen, musste Ersatz her. Das Cubix-Kino am Alexanderplatz, bisher schon ein Nebenschauplatz der Festspiele, steht nun - neben dem Potsdamer Platz - im Zentrum der Berlinale.
Eröffnungsfilm: "My Salinger Year"
Eröffnet wird die 70. Berlinale mit dem kanadisch-irischen Film "My Salinger Year". Das Werk von Regisseur Philippe Falardeau erzählt die Geschichte einer jungen Schriftstellerin, die als Assistentin einer erfolgreichen Literaturagentin (gespielt von Sigourney Weaver) arbeitet und die Fanpost von Kultautor J.D. Salinger beantworten soll. US-Superstar Sigourney Weaver wird zur Eröffnung erwartet.
Jury-Vorsitzender: Jeremy Irons
Eine gute Figur auf dem roten Teppich der Berlinale dürfte der Schauspieler Jeremy Irons machen. Der Brite wird in diesem Jahr der internationalen Jury vorstehen. Er und seine Mitstreiter entscheiden dann am Ende des Festivals, wer den begehrten Goldenen und die Silbernen Bären bekommt. Der Oscar-Preisträger wurde mit Filmen wie "Die Geliebte des französischen Leutnants" und "Verhängnis" bekannt.
Neue Reihe: "Encounters"
Neben dem Wettbewerb um die Bären hat das neue Duo einen weiteren Wettbewerb aus der Taufe gehoben, der das Gesicht der Berlinale prägen soll: "Encounters". 15 Filme, darunter "Gunda" (Bild), sollen "die Vitalität des Kinos" zeigen. "Jeder Film steht für eine andere Art der Interpretation der filmischen Geschichte: autobiografisch, intim, politisch, sozial, philosophisch, episch, surreal."
Gala-Vorführungen 2020
Auch Carlo Chatrian wird künftig nicht auf abendliche Gala-Vorführungen verzichten, die außerhalb des Wettbewerbs laufen. Auf viel Aufmerksamkeit dürfte eine Pinocchio-Verfilmung mit Roberto Benigni von Matteo Garrone treffen: "Er hält sich treu an Carlo Collodis Vorlage und hat doch einen ganz persönlichen Pinocchio geschaffen, der viel heiterer ist, als wir ihn von früher kennen", so Chatrian.
Deutsches Kino weiterhin im Fokus
Der deutsche Film, der in der Ära vor Dieter Kosslick sträflich vernachlässigt worden war und den Kosslick wieder ins Zentrum gestellt hatte, wird auch in diesem Jahr eine große Rolle spielen. Fest im Berlinale-Programm ist auch weiterhin die Reihe "Perspektive Deutsches Kino", in der unter anderem der Spielfilm "Schlaf" mit Sandra Hüller Premiere feiert.
Frauen hinter der Kamera
Mit Spannung erwartet wird auch der Anteil an Regisseurinnen im Programm. Wieviele Frauen sind dabei? Wie positioniert sich Deutschlands größtes Filmfestival in der Gender-Debatte? Das sind vieldiskutierte Fragen bei den großen internationalen Filmschauen in diesen Jahren. Die Berlinale zeigt unter anderem den neuen Film der großen alten Dame des polnischen Kinos, Agnieszka Hollands "Charlatan".
Ehrenpreis für Helen Mirren
Oscar-Preisträgerin Helen Mirren darf sich bei der Berlinale auf eine weitere Auszeichnung freuen: den Ehren-Bären fürs Lebenswerk. Die Britin, die vom Theater kommt und dort überragende Erfolge feierte, ist auch im Kino inzwischen ein Weltstar. Sie tritt sowohl in anspruchsvollen Autorenfilmen als auch in Hollywood-Blockbustern auf. Die Berlinale ehrt sie nun mit einer Hommage.
In der Retrospektive: King Vidor
Im Mittelpunkt der Retrospektive steht Hollywood-Regisseur King Vidor (links im Bild mit Audrey Hepburn bei den Dreharbeiten zu "Krieg und Frieden" im Jahr 1955). Der Texaner drehte schon zu Stummfilmzeiten und schuf 1928 mit "Ein Mensch der Masse" ein epochales Werk. King Vidor behauptete sich auch im Tonfilm und inszenierte Meisterwerke wie "Duell in der Sonne" und "Mit stahlharter Faust".
Restaurierter Klassiker
Auf einen ganz besonderen Leckerbissen können sich die Filmfans und Besucher der Berlinale freuen, wenn es am 21. Februar heißt: Vorhang auf für das "Wachsfigurenkabinett". Der berühmte Stummfilm aus dem Jahre 1924 von Regisseur Paul Leni wurde aufwendig digital restauriert und kommt mit neu eingespielter Musik im Friedrichstadt-Palast zur Aufführung.