70 Jahre Frankfurter Buchmesse
Frankfurt kann als Bücherstadt auf eine lange Tradition zurückblicken. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die erste Buchmesse im Herbst 1949 auch für einen intellektuellen Neubeginn nach der Gleichschaltung der Nazizeit.
Neuanfang in Frankfurt
Klappstühle und provisorisch zusammengezimmerte Bücherstände boten den Besuchern auf der ersten Buchmesse in Frankfurt im September 1949 einen Überblick über den Buchmarkt in Deutschland. Der Hunger nach unzensierter Kultur und Literatur aus anderen Ländern war groß. Die Trennung in Ost und West führte zur Neugründung einer Buchmesse in Frankfurt (BRD) und einer ostdeutschen in Leipzig (DDR).
Hunger nach Literatur
Kurz nach der Gründung der Bundesrepublik wurde die Buchmesse in Frankfurt vom Börsenverein und engagierten Buchhändlern ins Leben gerufen. Vom 18. bis 23.09.1949 konnten Verleger, Buchhändler, Schriftsteller und Interessierte die Auslagen von 205 Ausstellern anschauen und erste Kontakte knüpfen. 14.000 Besucher kamen in die Frankfurter Paulskirche, präsentiert wurden damals 8500 Buchtitel.
Umzug in die Messehallen
Die Buchmesse platzte bald aus allen Nähten, immer mehr Verlage auch aus dem Ausland wollten ihre Bücher präsentieren. 1951 zog man in die größeren Messehallen um. Der Buchhandel in Deutschland profitierte auch von der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, der ein internationales Publikum anzog. 1953 waren zum ersten Mal mehr ausländische Verlage vertreten als deutsche.
Fußballbegeisterung
Die Intention der Gründer der Frankfurter Messe war sehr politisch. Deutschland sollte nach der Nazidiktatur und dem Exodus vieler Verleger und Schriftsteller ins Exil als Kulturnation vor der Welt präsentiert werden. Nach dem deutschen Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 griff das nationale Fußballfieber auch auf die Messe über. Angestellte des Burda-Verlags trugen sogar Fußball-Trikots.
Traditioneller Herbsttermin
Der Messetermin im Oktober wurde in Frankfurt schnell Tradition. Die Buchmesse in Leipzig fand dagegen immer im Frühjahr statt, damit sich Verleger, Buchhändler, Literaturagenten und auch Schriftsteller an beiden Terminen treffen konnten. Viele Emigranten - Verleger wie Literaten - betraten erstmals zur Buchmesse wieder deutschen Boden. 1957 zeigten bereits 1300 Verlage ihre Neuerscheinungen.
Handelsplatz für Lizenzen
Die Neuerscheinungen der deutschen Verlage waren auch ein Spiegel der jungen Bundesrepublik. Auf der Frankfurter Messe präsentierten sie nicht nur schöngeistige Literatur und hochwertige Bildbände, sondern ab Mitte der 1960er Jahre auch populäre Ratgeber-Bücher und preiswerte Taschenbücher. Frankfurt war inzwischen zum Umschlagplatz für internationale Lizenzen geworden, das Buch längst zur Ware.
Rebellen der Literatur
Die wilden Jahre der Studentenproteste in der BRD hinterließen auch bei der Buchmesse ihre Spuren.1968 ging sie als "Polizeimesse" in die Geschichte Frankfurts ein. Polizeibeamte blockierten den Eingang zur Messehalle. Demonstrierende hatten sich über die Verleihung des Friedenspreises an den senegalesischen Präsidenten Senghor empört. Auch Proteste gegen rechte Verlage störten den Messebetrieb.
Literatur-Skandale
Immer wieder sorgten Skandale um politisch brisante oder indiskrete Buchveröffentlichungen für große Medienresonanz. So etwa 1989 die "Satanischen Verse" des britisch-indischen Schriftstellers Salman Rushdie. Auch das Verbot der Liebesgeschichte "Esra" von Maxim Biller, das seine damalige Geliebte in zähen Verhandlungen erwirkt hatte, erhitzte bis 2008 die Gemüter.
Literaturnobelpreisträger Peter Handke
Für kontroverse Diskussionen werden in diesem Jahr auf der Messe sicher auch die Bücher von Peter Handke sorgen, dem Literaturnobelpreisträger 2019. Der Durchbruch gelang ihm 1966 mit seinem Stück "Publikumsbeschimpfung", in dem er die Theaterbesucher von Schauspielern beschimpfen ließ. Umstritten ist auch seine Pro-Serbische-Haltung im Balkankrieg und sein Buch "Gerechtigkeit für Serbien".
Schwerpunkt: Gastländer
Mit dem "Länderschwerpunkt", der speziell einem Gastland gewidmet ist, gibt die Messe ausgewählten Nationen seit 1988 die Gelegenheit, ihr literarisches Schaffen zu präsentieren. Italien war das erste Gastland. "Books about Italy" präsentierte 3000 Titel, die Medien waren begeistert. 2006 stellte Indien (s.o.) seine Sprach- und Zeichenvielfalt vor. In diesem Jahr wird das Gastland Norwegen sein.
Büchervielfalt für alle
Das Modell der Frankfurter Buchmesse, Gastländern Raum zu geben und ihrer nationalen Literaturlandschaft besondere Öffentlichkeit zu widmen, hat in der ganzen Welt Nachahmung gefunden. Der Handel mit Übersetzungsrechten ist heutzutage zentraler Bestandteil der Buchmesse. Mehr als 390.000 Buchtitel, Hörbücher, E-Books und digitale Produkte werden in Frankfurt inzwischen präsentiert.