Goldener Leopard von Locarno geht nach Singapur
11. August 2018Dass sich dieser Film durchsetzt, ist eine Überraschung. Der Goldene Leopard des 71. Internationalen Filmfestivals von Locarno geht nach Singapur - das gab die Jury unter Vorsitz des chinesischen Regisseurs Jia Zhang-ke bekannt. "A Land Imagined" von Regisseur Yeo Siew Hua aus Singapur ist eine Mischung aus Thriller, Lovestory und Baustellenreport. Der Film, der von Produzenten aus Singapur, Frankreich und den Niederlanden finanziert wurde, erzählt - desillusionierend in seiner Darstellung - eine Geschichte über moderne Sklaverei, über die ausbeuterischen Arbeitswelten Asiens.
Andra Guti und KI Joobong als beste Schauspieler geehrt
Unerwartet auch die Auszeichnung der besten Schauspielerin auf dem nach Berlin, Cannes und Venedig wichtigsten Filmfestival: Die junge rumänische Debütantin Andra Guti setzte sich hier durch - für ihre Rolle als rebellischer Teenager in "Alice T." (Rumänien/Frankreich/Schweiz).
Als Favoritinnen waren die US-Amerikanerin Mary Kay Place ("Diane") sowie die Türkin Damla Sönmez ("Sibel") gehandelt worden. "Sibel" ist eine auch mit deutschem Geld realisierte internationale Gemeinschaftsproduktion der Regisseure Cagla Zencirci und Guillaume Giovanetti.
Als bester Schauspieler - das war erwartet worden - wurde der Südkoreaner KI Joobong prämiert. Er bekam den Preis für seinen Part als alternder Dichter in "Das Hotel am Fluss" (Südkorea).
Der Spezialpreis der Jury ging an den einzigen Dokumentarfilm im Hauptwettbewerb: In "M" beleuchtet Regisseurin Yolande Zauberman das Problem des Kindesmissbrauchs in einer ultraorthodoxen Gemeinschaft in Israel. Und das fern jeder Sensationsgier. Der Preis für die beste Regie ging überraschend an die Chilenin Dominga Sotomayor. Sotomayors Gesellschaftspanorama "Zu alt, um jung zu sterben" blickt in die 90er Jahre zurück.
"Alles ist gut" gewinnt Nachwuchspreis
Auch Deutschland kann sich über einen Erfolg beim Festival im kleinen Ort in der italienischsprachigen Schweiz freuen. Der Preis für den besten Debütfilm im Wettbewerb der Sektion "Cineasti del presente" ("Filmemacher der Gegenwart") ging an "Alles ist gut". In ihrem ersten Spielfilm spiegelt Regisseurin Eva Trobisch darin feinfühlig das Leben einer jungen Frau in einer existenziellen Krise. Der deutsche Wettbewerbsbeitrag "Wintermärchen" von Jan Bonny ging dagegen leer aus. Er hatte zu den Favoriten auf den Goldenen Leoparden gehört.
"BlacKkKlansman" am beliebtesten beim Publikum
"BlacKkKlansman" von Spike Lee gewann den begehrten Publikumspreis. Zur Wahl standen hier Filme, die außerhalb aller Wettbewerbe in abendlichen Freiluftaufführung auf Locarnos Piazza Grande gezeigt wurden. Für die auf Tatsachen beruhende Anti-Rassismus-Satire hatte der populäre US-Regisseur im Mai dieses Jahres bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes bereits den Großen Preis der Jury bekommen.
Im zentralen Wettbewerb des Festivals am Schweizer Ufer des Lago Maggiore hatten sich 15 Beiträge aus aller Welt um den Goldenen Leoparden und die anderen Preise beworben. Viele der Filme überzeugten mit starken Geschichten und formaler Klasse. 2017 hatte die Dokumentation "Mrs. Fang" des chinesischen Regisseurs Wang Bing den Goldenen Leoparden bekommen.
Sollte das in den letzten Tagen sehr wechselhafte Wetter mitspielen, wird die Gala zur Preisverleihung am Samstagabend vor mehr als 8000 Zuschauern auf der malerischen Piazza Grande unter freiem Himmel stattfinden.
nf/sam (dpa, Filmfestival Locarno)