Abgang beim Referendum
22. Dezember 2012Wenige Stunden später reichte auch der Direktor der ägyptischen Zentralbank, Faruk el-Okdah, seinen Rücktritt ein. Gründe für ihre Entscheidungen nannten beide nicht. Allerdings ist im islamistisch geprägten Verfassungsentwurf für Ägypten kein Vizepräsident mehr vorgesehen. So meldet das Staatsfernsehen denn auch, dass Amtsinhaber Mahmud Mekki (Artikelbild) sein Rücktrittsgesuch bereits vor einem Monat eingereicht habe. Er habe diesen Schritt aber wegen der Unruhen in seinem Land sowie wegen des Konflikts zwischen Israel und der Hamas verschoben.
Der 1954 geborene Mekki hatte sich als Richter stets für die Unabhängigkeit der Justiz eingesetzt. Er galt auch als scharfer Kritiker des Systems unter dem 2011 entmachteten Langzeitpräsidenten Husni Mubarak. Damals hatte Mekki eine Schwarze Liste korrupter Richter veröffentlicht.
Warteschlangen oder geringe Beteiligung?
Seine Demission stellt neue Fragen. Denn sie fiel mitten in die zweite und letzte Runde der Volksabstimmung über den umstrittenen Verfassungsentwurf. Bis 22 Uhr MEZ sollten rund 25 Millionen Menschen in den ländlichen Gebieten die Wahllokale aufsuchen können. Wie schon in der ersten Runde wurde die Abstimmung wegen des "großen Andrangs" um vier Stunden verlängert. Während im Staatsfernsehen lange Warteschlangen zu sehen waren, berichten Beobachter von einer geringen Beteiligung gerade in den ländlichen Gebieten.
Tatsächlich hatte vor einer Woche kaum ein Drittel der zur Wahl aufgerufenen Ägypter seine Stimme abgegeben. Die Opposition beklagte später, die Muslimbrüder hätten Wahlzettel gefälscht und Wähler bedrängt.
Chaotische Zustände und Wahlrechtsverstöße
Unabhängige Wahlbeobachter berichten auch diesmal von Unregelmäßigkeiten im Abstimmungsablauf. Die revolutionäre Jugendbewegung 6. April hatte eigene Beobachter in verschiedene Städte entsandt. Davon seien fünf festgenommen worden, beklagt sie. In Giseh, auf der anderen Nilseite von Kairo, seien Aktivisten abgeführt worden, weil sie die vorzeitige Schließung eines Wahllokals angeprangert hätten. Die Gruppe kritisiert, dass in mehreren Regionen Islamisten die Wähler genötigt hätten, mit Ja zu stimmen. In der nördlichen Stadt Damietta sei dafür sogar Geld geboten worden.
Die ägyptische Zeitung "Al-Ahram" berichtet von ähnlichen Problemen. So entließ in der Provinz Menufija ein Richter seine Wahlhelfer, weil sie versuchten, Wähler zum Ja zu überreden. Rund 30 Prozent der Ägypter sind Analphabeten, die bei der Abstimmung auf Hilfe angewiesen sind. In einigen Wahllokalen sei die Stimmabgabe extrem verzögert worden, da nicht genügend Richter anwesend waren.
Der Streit um den von Muslimbrüdern und Salafisten erarbeiteten Verfassungsentwurf hat Ägypten tief gespalten. Die Opposition sieht darin den ersten Schritt in Richtung Gottesstaat. Viele Anhänger von Präsident Mohammed Mursi wünschen sich genau das. Der Streit um die erste Verfassung nach dem Sturz von Mubarak hat in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land immer wieder zu Massenprotesten und tödlichen Krawallen geführt.
rb/SC (afp, dapd, dpa, rtr)