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Abgehängt

Nina Werkhäuser, Berlin7. Oktober 2005

Die Deutsche Bahn baut im Regierungsviertel in Berlin einen neuen Bahnhof. Um den zu beleben, will sie einen Berliner Traditionsbahnhof vom Netz nehmen. Was sollen da bloß die Kunden zu sagen?

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Ja, auch ich habe schon unterschrieben. Nicht dafür, dass es mit der Regierungsbildung endlich mal vorangeht, sondern dafür, dass die Deutsche Bahn meinen Bahnhof nicht vom Netz nimmt, den Bahnhof Zoo. Wie Hunderttausende, ja Millionen andere Berliner steige auch ich am Bahnhof Zoo in den Zug, wenn ich die Hauptstadt verlasse. Aber damit soll im nächsten Frühjahr Schluss sein – dann werden keine Fernzüge mehr am Bahnhof Zoo halten. Stattdessen halten sie am neuen Hauptbahnhof in Berlin Mitte. Der ist zwar viel schöner als der angegammelte Bahnhof Zoo, aber leider weit weg für mich und Millionen andere Berliner, die im Westen der Stadt wohnen. Und dummerweise ist der neue Hauptbahnhof auch nicht besonders gut angebunden an das städtische Verkehrsnetz, so dass ich künftig statt zehn Minuten eine Dreiviertelstunde zum Bahnhof brauchen werde. In dieser Zeit wäre ich mit dem Flugzeug schon längst in Frankfurt am Main gelandet, aber hier bin ich dann noch nicht mal am Bahnhof angekommen – wie deprimierend.

146 Fernzüge halten zurzeit täglich am Bahnhof Zoo und bringen einen hin, wohin das Herz begehrt. Es stimmt – mehr als 120 Jahre nach der Öffnung für den Fernverkehr ist der Bahnhof in die Jahre gekommen. Die Junkies hängen dort immer noch herum, und für die Fernzüge gibt es gerade mal vier Gleise, auf denen es höllisch eng ist. Aber der Bahnhof Zoo ist gut zu erreichen und einfach praktisch – und er gehört zu Berlin genau wie der berühmte Zoo nebenan, der ihm den Namen gab. Dass die Fernzüge ab dem Frühjahr 2006 dort durchrollen, aber nicht mehr halten werden, ist die famose Idee der Deutschen Bahn. Das sei übersichtlicher, die Reisezeiten kürzer, und außerdem soll der neue Hauptbahnhof mit seinen vielen Geschäften und Cafes belebt werden. Das leuchtet alles ein, ist aber einzig und allein aus der Perspektive der Bahn gedacht – und die Reisenden werden abgehängt. Außerdem fördert die Bahn damit die Konkurrenz: Um den Fernbahnhof Zoo reißen sich nämlich jetzt schon private Anbieter wie Connex und die Vogtlandbahn. Die werden das jetzige Angebot nicht ersetzen können, aber vielleicht steigt der ein oder andere Fahrgast dann doch um.

Noch haben die Anhänger des Bahnhofs Zoo nicht aufgegeben – die Unterschriftenlisten gegen die Schließung liegen überall aus. 100.000 Berliner werden bis Ende November unterschrieben haben, hoffen die Initiatoren des Protests. Die Deutsche Bahn wird das nicht beeindrucken.