Abkehr vom Polit-Sponsoring?
16. März 2012Wenn ein Firmenboss einem Politiker oder einer Partei Geld zusteckt, dann lässt das aufhorchen. Wenn es als Spende deklariert ist und 5.000 Euro übersteigt, muss dieses Geld in Deutschland angezeigt, ab 10.000 Euro auch veröffentlicht werden. Und sollte der Unternehmer dafür eine Gegenleistung erhalten, leitet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Korruption ein.
Florierende Grauzone
Bei deklarierten Spenden ist die Sache klar. Aber seit einigen Jahrzehnten fließt immer mehr Geld zwischen Unternehmen und Parteien als sogenanntes "Sponsoring". Klassisch ist beispielsweise, dass Firmen auf Parteitagen einen Stand mieten. Die genaue Höhe der Miete bleibt im Dunkeln - und verschwindet schließlich im Rechenschaftsbericht der Partei in einer Kategorie mit verschiedenen anderen Einnahmen.
Hier floriert offenbar eine "Grauzone, die leicht in den Bereich Bestechung und Korruption übergehen kann", stellt Christina Deckwirth von der Organisation LobbyControl fest. "Weil Sponsoring immer den Verdacht nahe legt, dass doch eine Gegenleistung gefordert wird."
Affären um Ex-Bundespräsident Wulff
Diesem Verdacht geht die Staatsanwaltschaft zum Beispiel im Fall Olaf Glaeseker nach. Glaeseker war Sprecher und enger Vertrauter von Christian Wulff. Er begleitete ihn von dessen Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident bis ins Bundespräsidentenamt. Die Korruptionsvorwürfe beziehen sich auf seine Hannoveraner Zeit: Da soll Glaeseker Lobby-Veranstaltungen des Eventmanagers Manfred Schmidt - wie die Staatsanwaltschaft es ausdrückt - "gefällig gefördert" haben. Dafür hat sich Schmidt bei Glaeseker offenbar mit kostenlosen Urlauben revanchiert.
Mitte Februar beantragte die Staatsanwaltschaft dann, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um auch gegen ihn ermitteln zu können. Daraufhin trat Christian Wulff von seinem Amt zurück. Bei ihm geht es um den Verdacht der "Vorteilsnahme": Wulff hatte von einem Unternehmerehepaar einen günstigen Privatkredit erhalten, den er etwas später durch einen ebenfalls günstigen Bankkredit ablöste.
Mehr Transparenz gefordert
Viele Hinweise, Indizien, aber nur wenig Konkretes haben die Ermittler bisher ans Tageslicht gefördert. Denn wie beim Parteien-Sponsoring ist es auch bei "Gefälligkeiten" für Politiker schwer, eindeutige Beweise aufzuspüren.
Höchste Zeit für schärfere Gesetze und klarere Regelungen, fordern deshalb Nichtregierungsorganisationen, allen voran Transparency International. "Integritätsoffensive" nennt sie ihre Liste von Forderungen. Die Schwelle, ab welcher Höhe Parteispenden und Nebeneinkünfte von Politikern veröffentlicht werden müssen, sollte unbedingt gesenkt werden. Und für Sponsoring müssten dieselben Regeln gelten. "Das heißt, es muss veröffentlicht werden. Es muss klar werden, wer der Sponsor ist", sagt Christian Humborg, Geschäftsführer der deutschen Sektion von Transparency International.
Für die Unternehmen hat Sponsoring übrigens noch einen zweiten Vorteil: Parteispenden können sie nicht von der Steuer absetzen, Sponsorenzahlungen sehr wohl. Deshalb fordert Humborg, dass der Gesetzgeber auch die steuerlichen Regelungen überarbeitet.
Deutsche Bahn prescht vor
Die Deutsche Bahn hat nun als erstes Unternehmen Konsequenzen gezogen. "Wir beteiligen uns an all den Veranstaltungen und Arten von politischem Sponsorship nicht mehr." Das sagte Bahn-Chef Rüdiger Grube Anfang der Woche in einem Zeitungsinterview. 2011 gab das Unternehmen für Standmieten auf Parteitagen und Sommerfesten einen Betrag im fünfstelligen Bereich aus. Bundestagsabgeordnete haben zwar noch immer freie Fahrt mit der Bahn. Dafür kündigte das Unternehmen vor einigen Tagen an, die Rabatte für Journalisten zu streichen.
Diese Schritte sind nach Ansicht von Transparency International "längst überfällig" gewesen. Allerdings handele es sich hier um einen speziellen Fall. Denn die Bahn war schon länger in der Kritik. "Man kann ja nur sehr schwierig erklären", so Christian Humborg, "warum ein öffentliches Unternehmen, das zu 100 Prozent den Bürgerinnen und Bürgern gehört, Polit-Sponsoring betreibt."
In erster Linie sei nun die Politik gefragt, meint Christina Deckwirth von LobbyControl. In der Tat haben SPD und Grüne bereits schärfere Regelungen für Sponsoring gefordert. Christian Humborg betont aber: "Jede Partei könnte ja jetzt schon viel mehr veröffentlichen. Sie muss nicht auf irgendein Gesetz warten."
"Vertrauen in die Politik hat gelitten"
Wenig getan hat sich beispielsweise nach der Sponsoring-Affäre vor zwei Jahren um den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Die CDU hatte eine Art Preisliste an Unternehmen verschickt, in der abzulesen war, wie viel ein Stand mit und ohne den Ministerpräsidenten auf dem Podium kosten solle. "Rent a Rüttgers" spottete die Opposition. Die CDU verlor kurz darauf die Landtagswahlen, Rüttgers zog sich zurück. Mehr Transparenz beim Polit-Sponsoring gab es aber nicht.
Erst Rüttgers - nun Wulff: "Das Vertrauen in die politischen Repräsentanten in Deutschland hat gelitten", stellt Christian Humborg fest. Allerdings weiß er auch, "dass Deutschland, wenn wir uns den Bereich Parteienfinanzierung anschauen, im internationalen Vergleich gar nicht mal so schlecht da steht." Und er fügt hinzu: "Dazu waren aber auch einige Skandale nötig."