Absatzkrise erschüttert Autoindustrie
30. Oktober 2012Die schwere Krise auf dem Automarkt in Europa zwingt die Autohersteller zu immer härteren Einschnitten. Wegen der seit Monaten zurückgehenden Kauflaune in Europa rechnet Ford 2012 mit einem Verlust von mehr als 1,2 Milliarden Euro und schließt drei Werke in Belgien und England. Betroffen sind insgesamt mehr als 6000 Jobs.
In Deutschland gilt das Bochumer Opel-Werk mit 3200 Beschäftigten als gefährdet. Wird dort dicht gemacht, wäre dies die erste Schließung eines deutschen Autowerks nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits vor zwei Jahren hatte Opel seinen Standort im belgischen Antwerpen geschlossen, dort waren ursprünglich 2500 Menschen beschäftigt.
Kooperation soll helfen
Die Tochter des US-Giganten General Motors (GM) will durch Zusammenarbeit mit dem französischen Autobauer PSA Peugeot Citroën bei Modellentwicklung und Einkauf die Kosten senken. Dadurch sollen mittelfristig Einsparungen von anderthalb Milliarden Euro pro Jahr erreicht werden.
Zwar lehnt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen im Prinzip solche Kooperationen ab. "Aber in diesem Fall könnte es zu einer Gesundung führen. Denn das, was man plant, wirkt nicht jetzt, sondern in fünf Jahren. Und in fünf Jahren brauchen Peugeot und Opel andere Kostenrelationen, um mit VW und anderen weltweit konkurrieren zu können", so Dudenhöffer gegenüber der DW.
PSA Peugeot Citroën hat in Frankreich bereits die Schließung eines Werkes angekündigt. Insgesamt 8000 Arbeitsplätze will der Konzern abbauen. Auch der französische Konkurrent Renault verhandelt mit den Gewerkschaften. Durch Zugeständnisse der Belegschaft sollen die Produktionskosten sinken.
Situation spitzt sich weiter zu
Denn die Situation in Europa wird sich weiter zuspitzen: "Wir haben eine lange Durststrecke vor uns - drei, vier, fünf Jahre mit sehr sehr schlechten Verkäufen. Deshalb müssen Kapazitäten angepasst werden", ist Dudenhöffer überzeugt.
Alleine zwischen Januar und September dieses Jahres sank die Autonachfrage in der EU auf 9,4 Millionen Fahrzeuge – ein Rückgang von mehr als siebeneinhalb Prozent.
Für den westeuropäischen Markt prognostiziert Dudenhöffer, dass 2013 das schlechteste Verkaufsjahr seit 1993 wird - mit 11,6 Millionen Auto-Verkäufen nach insgesamt 11,9 Millionen in diesem Jahr.
Historisches Rabattniveau
Der Experte verweist auch auf das historisch hohe Rabattniveau auf dem deutschen Markt. Darunter leiden die Margen der Hersteller. Dazu komme, dass die Netto-Einkommen der Arbeitnehmer aus seiner Sicht langsamer wachsen als die Autopreise. Ein Arbeitnehmer müsse heute knapp 16 Monate sein gesamtes Nettoeinkommen zurücklegen, um sich einen Durchschnitts-Neuwagen kaufen zu können. 1980 seien es 9,4 Monate gewesen. Der Durchschnittspreis eines Neuwagens habe 2011 bei 25.983 Euro gelegen.
Deutlich höhere Preise bezahlen die Kunden für Fahrzeuge aus dem Hause Daimler. Auch der erfolgsverwöhnte Autobauer leidet mittlerweile unter der Krise. Die Stuttgarter schrauben wegen schrumpfender Gewinne ihre Erwartungen nach unten. Daimler-Chef Dieter Zetsche verordnet dem Autobauer ein milliardenschweres Sparprogramm. Der Dax-Konzern plant, keinen Bereich seiner schwächelnden Kernmarke Mercedes zu verschonen. Auch die Größe der Belegschaft wird hinterfragt. Gut eine Milliarde Euro will Daimler schon 2013 freischaufeln, 2014 soll noch einmal eine ähnlich hohe Summe folgen.
Mercedes muss sparen
Allein im dritten Quartal war der Gewinn des Premiumherstellers um 11 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro eingebrochen. "Kurzfristig geht es in erster Linie um Ergebnissicherung", kündigte Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber deshalb vergangene Woche im Hinblick auf die Sparmaßnahmen an. "Alle Ausgaben kommen auf den Prüfstand - mit einem Kriterium: Was unsere Wettbewerbsfähigkeit stärkt, wird gemacht."
Im Vergleich dazu läuft es bei VW sowie den Oberklasse-Herstellern Porsche, Audi und BMW noch rund. BMW einigte sich aber nun mit seinem Betriebsrat auf flexiblere Arbeitszeiten. Damit werde die Beschäftigung gesichert, sagte ein BMW-Sprecher. Er betonte aber, dass es nicht nur um ein Anti-Krisen-Programm gehe.
Ausgleich in den USA und Asien
Beim Volkswagen-Konzern, dem größten Autobauer Europas, brach der Gewinn im dritten Quartal um rund 19 Prozent ein – doch können die Wolfsburger das Absatzminus in Europa durch Verkäufe in den USA und Asien abfedern. "VW verkauft zum Beispiel 30 Prozent seiner Fahrzeuge in China, das hilft zu balancieren. Deshalb ist bei den Deutschen die Krise bei weitem nicht so stark wie bei den Franzosen und den Italienern", analysiert Autoexperte Dudenhöffer.
Auch der Oberklasse-Hersteller Audi profitiert von guten Geschäften in den beiden weltgrößten Pkw-Märkten China und den USA. Dennoch fordert die Autokrise in Europa auch von der erfolgsverwöhnten Ingolstädter Volkswagen-Tochter ihren Tribut. Im dritten Quartal blieb bei Audi pro verkauftem Fahrzeug weniger Gewinn hängen. Die operative Rendite sank auf 10,5 Prozent, wie Audi mitteilte. Vor Jahresfrist hatte der Konzern noch eine Marge von 13,1 Prozent eingefahren.
Rekorde bei Porsche
Dagegen kratzt der Sportwagenbauer Porsche bei Umsatz und operativem Gewinn schon nach neun Monaten an den alten Bestmarken von 2011. Der Start ins letzte Viertel des laufenden Jahres werde mit Rekorden in allen Bereichen in Angriff genommen, wie die seit August komplett zu Volkswagen gehörende Luxuswagenschmiede letzte Woche in Stuttgart bekannt gab. Krise hin oder her - der Sportwagenbauer hat vor allem eines im Blick: Rekorde am laufenden Band.