Abschiebung – und was dann?
22. Oktober 2009
Was erwartet die Flüchtlinge im Kosovo? Das fragen sich insbesondere die knapp 14.400 ausreisepflichtigen Kosovaren, die sich in Deutschland aufhalten, darunter überwiegend Roma und Aschkali. Laut Bundesinnenministerium muss die Republik Kosovo alle Personen wieder aufnehmen, die in Deutschland die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen. Voraussetzung ist, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Betroffenen die kosovarische Staatsbürgerschaft besitzen.
Berlin verweist auf offizielle Zahlen, wonach von 1999 bis heute über 92.000 Menschen freiwillig in das Kosovo zurückgekehrt seien. Hinzu kommen rund 21.900 Menschen, die die deutschen Behörden im selben Zeitraum ins Kosovo zurückgeführt haben.
Jahrelange Verhandlungen zwischen Deutschland und Kosovo
Die Verhandlungen über ein Rückführungsabkommen ziehen sich bereits Jahre hin. Begonnen haben die Abschiebungen drei Jahre nach Ende des Krieges, 1999. Betroffen waren bislang vor allem Kosovo-Albaner, von denen aber die Mehrheit freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt ist. Der Grund liegt auf der Hand: Ihnen fällt es meist leichter, sich wieder in die Gesellschaft in der Heimat zu integrieren, zumal sie Familien im Kosovo haben, die ihnen behilflich sind.
Anders ist die Situation bei den Angehörigen nicht-albanischer Ethnien. Wie die Bundesregierung jetzt mitteilte, sind unter den für die Abschiebung vorgesehenen rund 14.000 Kosovaren mehr als 9.800 Roma und fast 1.800 Aschkali. Sollten sie in naher Zukunft abgeschoben werden, wäre das nicht nur ein Schlag für die Betroffenen, sondern es würde auch die Behörden im Kosovo vor große Probleme stellen. Prishtina kann weder Arbeitsplätze noch Wohnraum in ausreichendem Maße zur Verfügung stellen. Zudem kommen viele der Betroffenen aus verarmten und bildungsfernen Schichten. In den wenigsten Fällen können sie auf Unterstützung durch Verwandte hoffen. Ihre Aussichten, Arbeit zu finden, sind gering.
Drohende Gefahren für Roma und Aschkali
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat an Bund und Länder appelliert, keine Angehörige ethnischer Minderheiten in das Kosovo abzuschieben. Es gebe dort nach wie vor Gewalt gegen Roma, erklärte der Zentralrat in Heidelberg. Vor ähnlichen Problemen haben auch die Gesellschaft für bedrohte Völker sowie Pro Asyl gewarnt.
Artan Duraku, politischer Berater des Innenministers des Kosovo, erklärt, dass die Behörden in Pristina vor einer Rückkehr die Staatsangehörigkeit der Betroffenen klären müssten. „Normalerweise ist der wichtigste Punkt eines Rückführungsabkommens die Bestätigung der Staatsbürgerschaft der Personen, die wiedereingegliedert werden sollen“, erklärt Duraku. Das aber stellt sich mitunter als schwierig dar, weil gerade den Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien oft Unterlagen fehlten: Zum einen seien sie in den Kriegswirren verschollen, zum anderen verfügten viele Roma gar nicht über Papiere.
Privilegien für freiwillige Rückkehrer
Duraku betont, dass Menschen, die freiwillig aus Deutschland zurückkehren, Vergünstigungen erhielten gegenüber abgeschobenen Flüchtlingen. „Am besten ist es für die Betroffenen, freiwillig zurückzukehren, weil sie dann von den Behörden eine Bescheinigung erhalten, die es ihnen ermöglicht, Kompensationen bzw. wirtschaftliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Diejenigen, die gegen ihren Willen abgeschoben werden, bleiben meist ohne jede Unterstützung“, so Duraku.
Nach ihrer Rückkehr ist das Arbeits- und Sozialministeriums zwar für sie zuständig, es hat aber schon jetzt kaum Ressourcen, um den Abgeschobenen wirksam zu helfen. Muharrem Ahmet, Experte des Ministeriums, erklärt das Prozedere: „Zunächst werden die unfreiwilligen Heimkehrer in ihre Heimatorte gebracht. Wenn sie dort nicht untergebracht werden können, geht es weiter in Sozial-Zentren in verschiedenen Kommunen des Kosovo“.
Wohin mit den Rückkehrern?
Doch diese Auffanglager sind bereits außer Stande, mit den bestehenden Problemen fertig zu werden. So gibt es noch immer große Roma-Lager im Norden von Mitrovica, die bis an ihre Kapazitätsgrenzen gefüllt sind.
Zwei davon sind die Lager „Osterode“ und „Cesme Lluge. Sie befinden sich in unmittelbarer Nähe einer ehemaligen Bleischmelze. Vermutlich sind Grund und Boden kontaminiert. Das dritte Auffanglager „Zitkovac“, welches besonders schwer verseucht war, wurde bereits 2006 evakuiert. Mit der Umsiedlung der Lagerbewohner in Neubauten hat die Regierung zwar bereits zahlreichen Roma ein Dach über dem Kopf gegeben, doch das reicht bei weitem nicht. Ein Ausweg ist nicht in Sicht, da es die vielfach ungeklärten Eigentumsverhältnisse den Stadtverwaltungen erschweren, Bauland für öffentliche Unterkünfte zu erschließen.
Autor: Bekim Shehu/Bahri Cani
Redaktion: Birgit Görtz