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Abschiedssinfonie im Irak

Ranty Islam1. Juni 2006

Italien will seine Truppen vollständig aus dem Irak abziehen, Südkorea sein Kontingent dort drastisch reduzieren. Der Druck auf die Regierungen Bush und Blair, einen Abzugsplan vorzulegen, wird immer größer.

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Noch wird die italienische Flagge im Irak gehisstBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Der Krieg im Irak sei ein Fehler gewesen, hatte Italiens neuer Ministerpräsident Romano Prodi Mitte Mai verkündet. Vor den Wahlen zum neuen italienischen Parlament war er mit dem Versprechen ins Rennen gegangen, dass eine italienische Regierung unter seiner Führung die im Irak stationierten italienischen Soldaten zurückziehen werde. In der vergangenen Woche hat er nun auch einen Zeitplan dafür genannt. Bis Ende des Jahres sollen alle 2700 gegenwärtig im Irak stationierten italienischen Truppen nach Hause geholt werden. Bereits im Juni sollen die ersten 1100 Soldaten abgezogen werden.

Italien nach den Wahlen Romano Prodi ist Sieger
Der italienische Ministerpräsident Romano Prodi will seine Truppen aus dem Irak abziehenBild: AP

Mit dem italienischen Abzug wird bis Ende des Jahres ein weiterer großer Truppensteller die "Koalition der Willigen" verlassen haben, die unter Führung der USA im Irak stationiert ist. Zuvor hatte Südkorea angekündigt, sein Irak-Kontingent bis zum Jahresende um 1000 auf 2200 Soldaten zu reduzieren. Die ersten 40 Mann haben vor drei Wochen den Heimweg angetreten. Sowohl in Seoul als auch Rom wird beteuert, dass der Abzug in enger Absprache mit den Amerikanern und den Briten erfolgt, doch die Botschaft ist eindeutig: Das militärische Engagement im Irak soll möglichst bald beendet werden.

Druck auf Bush und Blair wächst

Nach dem Abzug der verhältnismäßig großen Verbände aus der Ukraine und Bulgarien vor einem halben Jahr, geht der lange Abschied der willigen Koalition also weiter. Gegenwärtig sind im Irak noch rund 130.000 US-Soldaten und insgesamt 19.000 Truppen anderer Länder stationiert, davon 7200 aus Großbritannien. Das teilten die Verteidigungsministerien in Washington und London auf Anfrage von DW-WORLD.DE mit. Polen und Australien sind mit 1500 und 1300 Soldaten im Irak vertreten, Rumänien und Georgien jeweils mit rund 850 Soldaten.

Nicht nur weil ihnen die Verbündeten abhanden kommen, wächst der Druck auf US-Präsident Bush und den britischen Premier Tony Blair zusehends, zumindest einen Zeitplan für den Abzug der eigenen Truppen vorzulegen. Der britische Premierminister ist zu Hause politisch schwer angeschlagen. Neben einer Serie innenpolitischer Skandale hat insbesondere seine kompromisslose Haltung, britische Truppen im Irak zu belassen, seiner regierenden Labour-Partei bei den Kommunalwahlen Anfang Mai dramatische Verluste beschert. In den USA haben die Bilder von gefolterten Irakern im US-Gefängnis Abu Ghoraib das Anti-Kriegs Camp gestärkt. Das jetzt publik gewordene Massaker, das US-Soldaten an 24 irakischen Zivilisten im November des vergangenen Jahres verübten, dürfte diesen Trend noch verschärfen.

Regierung in Bagdad fordert Truppenabzug

Anfang November werden in den USA der Kongress und ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Ob die oppositionellen Demokraten die US-Besatzung des Iraks zum Wahlkampfthema machen, sei dennoch fraglich, sagt Benjamin Schreer von der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. US-Politiker würden kaum damit werben, ein Problem zu lösen, indem man vor ihm davonläuft. Genau so würde ein Abzug aus dem Irak aber von vielen US-Wählern aufgefasst werden, sagt Schreer. Dagegen könnten die hohen Kosten, die der Irak-Einsatz verursacht, die Regierung eher dazu veranlassen, einen Zeitplan für einen Abzug zu nennen.

Blair besucht den Irak
Der britische Premierminister Tony Blair (l.) trifft seinen neuen irakischen Amtskollegen Nouri Al Maliki.Bild: AP

Zusätzlicher Druck kommt nun auch von der irakischen Regierung. Der neu gewählte Premierminister Nouri Al Maliki hatte nach seiner Amtseinführung erklärt, dass bereits im Juni die Kontrolle über zwei Provinzen des Landes von den Briten an die irakischen Behörden übergeben werde. Insgesamt 16 von 18 Provinzen des Landes sollten bis Ende des Jahres unter irakischer Kontrolle stehen. Die Äußerungen wurden von britischer Seite schnell "korrigiert", wie die BBC schreibt. Erst im Juli sollen die ersten Provinzen irakischer Kontrolle unterstellt werden. Eine konkrete Zahl von Provinzen die folgen, wurde nicht mehr genannt.

Irakische Sicherheitskräfte zu schwach

Mit seinen Aussagen habe Maliki vermutlich signalisieren wollen, dass die irakische Regierung autonom handeln kann, so Schreer. "Tatsächlich haben die irakischen Kräfte gegenwärtig weder innenpolitisch noch außenpolitisch das Potenzial, sich zu behaupten. Der Aufbau der irakischen Sicherheitskräfte verläuft wesentlich langsamer als erhofft. Auch gegen "externe Bedrohungen", wie einen eventuellen Angriff von Nachbarländern, könne sich das Land alleine nicht wehren, das irakische Militär wäre - auch materiell - hoffnungslos unterlegen.

Abgesehen vom bereits angekündigten Truppenabbau einiger Länder, erwartet Schreer bis Ende des Jahres keine nennenswerten Veränderungen der verbleibenden ausländischen Truppenpräsenz im Irak. Dafür sind zum Großteil aber Gründe ausschlaggebend, die außerhalb des Iraks liegen. Polen werde nicht abziehen, da es sich als verlässlicher Partner der USA erweisen wolle. Das Land rüstet mit großer US-Hilfe sein Militär aus und "will sich im Verbund mit den USA und Großbritannien in Europa positionieren", so Schreer.

Problemfall Iran

In Großbritannien hat Tony Blair sein politisches Schicksal mit dem Irak-Einsatz verknüpft. Erst mit seinem Abtritt, so scheint es, wird sich an der britischen Irakpolitik etwas ändern können. Wann das sein wird, ist fraglich.

Die USA hingegen hätten noch ganz andere Gründe um ihren Irakaufenthalt noch etwas zu verlängern. Im Streit um das iranische Atomprogramm, hat die Bush-Administration ein militärisches Vorgehen gegen den Iran nicht ausgeschlossen. "US-Stützpunkte im Irak sind dafür nicht ungünstig", sagt Henning Riecke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Und dies umso mehr, nachdem die USA ihre Basen in Saudi-Arabien aufgegeben haben. Scheiterte die diplomatische Lösung des Atom-Konflikts, könne die US-Präsenz in den Nachbarsstaaten helfen, den Iran militärisch "einzudämmen". Die US-Truppen in der Türkei, Afghanistan und im Irak könnten den Iran davon abhalten, seine Ambitionen auf "regionale Hegemonie auszuspielen."