Verschärfung im Kaschmir-Konflikt
27. Februar 2019Im Konflikt um die Region Kaschmir zwischen den verfeindeten Nachbarstaaten Indien und Pakistan wollen beide Länder gegnerische Kampfflugzeuge abgeschossen haben. Pakistan erklärte zunächst, zwei indische Kampfjets abgeschossen und zwei Piloten gefangen genommen zu haben, reduzierte dies später aber auf nur einen Piloten.
Indien widersprach dieser Version, bestätigte aber den Verlust eines Flugzeugs und meldete seinerseits den Abschuss eines pakistanischen Kampfflugzeugs. Indisches Mörserfeuer soll zudem sechs Zivilisten getötet und weitere verletzt haben. Bei einem Helikopterabsturz in der Region sind zudem sechs Mitglieder der indischen Luftwaffe und ein Zivilist ums Leben gekommen.
Pakistanische Medien veröffentlichten ein Video, das angeblich einen festgenommenen indischen Piloten beim Verhör zeigt. Zwei pakistanische Sicherheitsbeamte bestätigten der Nachrichtenagentur AFP dessen Authentizität. Das Video zeigt einen Mann, der die Uniform der indischen Luftwaffe trägt und die Augen verbunden hat. Sein Gesicht ist blutig und seine Hände sind auf den Rücken gebunden, während ein Soldat ihn verhört.
Das pakistanische Militär veröffentlichte später ein zweites Video, in dem der gleiche Mann eine Tasse Tee trinkt. "Der Tee ist fantastisch", sagt er auf Englisch und fügt hinzu, dass er verheiratet sei und gut behandelt werde.
Pakistans Premierminister Imran Khan rief Indien zu Gesprächen auf und warnte vor einer weiteren Eskalation des Konflikts zwischen den beiden Atommächten. "Können wir uns irgendeine Fehlkalkulation leisten mit der Art Waffen, die wir haben und die ihr habt?", sagte er in einer Fernsehansprache.
Der pakistanische Armeesprecher Asif Ghafoor hatte zuvor erklärt, eines der abgeschossenen indischen Flugzeuge sei in den pakistanischen Teil Kaschmirs gestürzt, das andere in den indischen Teil. "Wir wollen keine Eskalation, wir wollen nicht auf einen Krieg zusteuern", sagte Ghafoor und rief die Regierung in Neu Delhi ebenfalls zu Gesprächen auf.
Ghafoors Angaben zufolge überflogen pakistanischen Jets zunächst die Kontrolllinie zum indischen Teil Kaschmirs, um militärische Stärke zu demonstrieren. Die Jets hätten nichtmilitärische Ziele wie Versorgungslager getroffen. Danach hätten zwei indische Flugzeuge die Kontrolllinie überquert. "Die pakistanische Luftwaffe war bereit, sie haben sie angegriffen, es gab ein Gefecht", sagte Ghafoor. Pakistan sperrte bis auf weiteres seinen Luftraum. In Indien wurden sechs Flughäfen geschlossen und ein großes Gebiet nördlich von Neu Delhi für die zivile Luftfahrt gesperrt.
Im Kaschmir-Konflikt ist die Anspannung groß, seit bei einem Selbstmordattentat am 14. Februar 41 indische Sicherheitskräfte getötet wurden. Die Islamistengruppe Jaish-e-Mohammed beanspruchte die Tat für sich. Indien beschuldigt Pakistan, den Anschlag unterstützt zu haben. Islamabad weist die Anschuldigungen zurück.
Am Dienstag flog das indische Militär Luftangriffe auf Ziele in Pakistan und tötete dabei nach Angaben der Regierung islamistische Kämpfer. Es war der erste Luftangriff Indiens auf pakistanisches Gebiet seit 1971. Pakistan drohte "baldige" Gegenmaßnahmen an. Indiens Außenministerin Sushma Swaraj versicherte am Mittwoch, Indien wolle keine weitere Eskalation. Bei dem Luftangriff vom Dienstag habe es sich um einen "Präventivangriff" gehandelt. Es sei darum gegangen, "terroristische Infrastruktur" der Islamistengruppe Jaish-e-Mohammed zu zerstören, um einem weiteren Anschlag in Indien "zuvorzukommen".
Washington mahnt zur Zurückhaltung
US-Außenminister Mike Pompeo forderte am Dienstag beide Seiten zur "Zurückhaltung" auf. Eine Eskalation müsse "um jeden Preis" verhindert werden, erklärte Pompeo nach einem Telefonat mit seinen Kollegen in Indien und Pakistan. Neben China rief auch Großbritannien beide Länder zur Zurückhaltung und zum Dialog auf.
Das Verhältnis von Indien und Pakistan ist seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1947 gespannt. Seit der Aufteilung des Subkontinents führten Indien und Pakistan drei Kriege gegeneinander, umstritten blieb besonders die Region Kaschmir. Seit 1989 kämpfen mehrere muslimische Rebellengruppen teils für die Unabhängigkeit Kaschmirs, teils für den Anschluss der Region an Pakistan.
chal/stu (afp, dpa)