"Abwarten" - deutsche Wirtschaft zu Trump
23. Februar 2017DW: Seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist viel passiert. Unter anderem hat er per Dekret das Freihandelsabkommen mit den pazifischen Anrainerstaaten TPP aufgekündigt. Damit ist wahrscheinlich auch das Freihandelsabkommen mit den Europäern (TTIP) vom Tisch. Was kommt jetzt - Protektionismus und Handelskriege?
Daniel Andrich: Ob TTIP vom Tisch ist, ist noch nicht sicher - die EU-Handelskommissarin sagte, die Verhandlungen würden für eine Weile eingefroren. Die US-Regierung hat sich zu TTIP noch nicht geäußert, sondern nur gesagt, sie wolle lieber bilaterale Abkommen mit einzelnen Ländern verhandeln statt plurilaterale wie TPP. Auch bilaterale Abkommen führen zu Handelsliberalisierung, und nicht zu Protektionismus oder Handelskriegen. Als Delegierter der Wirtschaft treten wir grundsätzlich für offene Märkte ein und ermutigen die EU und die USA, die Handelsgespräche eines Tages wieder aufzunehmen, denn unsere Volkswirtschaften sind sehr stark miteinander vernetzt.
Ein Wirtschaftsberater Donald Trumps hat Deutschland vorgeworfen, seine Handelspartner durch einen "stark unterbewerteten" Euro "auszubeuten". Schon frühere US-Regierungen haben dieses Argument angeführt, doch der Ton ist inzwischen rauer geworden. Kann es in den kommenden Monaten zu einem Währungskrieg kommen?
Die Europäische Zentralbank (EZB) verantwortet die Geldpolitik der gesamten Eurozone, ist aber unabhängig von Regierungen einzelner Eurostaaten. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf die Kommentare entgegnet, Deutschland könne und werde keinen Einfluss auf die EZB ausüben. Die US-Seite hat sich mehrfach zu Währungsmanipulationen geäußert - mit Bezug auf Japan, China und andere Länder. Trump hat bei seinem Treffen mit dem japanischen Premierminister Shinzo Abe gesagt, er sei sicher, das Thema könne im Rahmen des US-japanischen Wirtschaftsdialogs gelöst werden. Das klang schon viel versöhnlicher als die Aussagen seiner Berater.
Trump hat auch gedroht, dass Firmen, die in Mexiko produzieren, hohe Zölle bezahlen müssen, wenn sie diese Waren in den USA verkaufen wollen. In einem Interview nannte er ausdrücklich den deutschen Autobauer BMW, der eine Fertigung in Mexiko plant. BMW konterte, sein weltweit größtes Werk stehe in den USA. Müssen sich deutsche Firmen Sorgen machen?
Während Aussagen der neuen US-Regierung in der Tat deutsche Firmen betrafen, betonen wir, dass Deutschland für die USA ein wichtiger Partner ist, wenn es um Handel, Investitionen und Jobs geht. Deutsche Firmen haben dort 255 Milliarden US-Dollar investiert und 672.000 Arbeitsplätze geschaffen, die Hälfte davon in der Produktion. In den vergangenen sieben Jahren haben deutsche Autobauer ihre Fertigung in den USA vervierfacht, und von diesen Autos "Made-in-USA" wird mehr als die Hälfte in andere Länder exportiert.
Es ist erklärtes Ziel der neuen US-Regierung, die Produktion im Land wiederzubeleben, und das deutsche Produktionsmodell bietet hierfür ein attraktives Beispiel, das von Politikern beider Parteien unterstützt werden kann. Außerdem gilt das deutsche System der dualen Ausbildung in den USA als nachahmenswert, und die Firmen können zeigen, wie sie Fachkräfte ausbilden, deren Wissen unverzichtbar ist für eine fortschrittliche Produktion.
Können Sie aus Trumps Dekreten, Ankündigungen und zahlreichen Tweets schon so etwas wie eine stimmige Wirtschaftsstrategie herauslesen?
Dafür ist es noch zu früh. Noch haben nicht alle Teile der Administration ihre Arbeit aufgenommen, und wirtschaftspolitisch gab es noch nicht viele Dekrete, vom Rückzug aus dem TPP-Abkommen mal abgesehen. Während seines Wahlkampfs hat Trump verschiedene Schwerpunkte genannt: Handelspolitik, Steuerreform, Deregulierung und die Modernisierung der Infrastruktur. Nach seiner Wahl hat er angekündigt, NAFTA neu verhandeln zu wollen, also das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Wir müssen abwarten, was das genau bedeutet. Vielleicht ist es an der Zeit, dieses 23 Jahre alte Abkommen zu aktualisieren und auch Themen aufzunehmen, die damals noch nicht so wichtig waren - etwa alles, was mit dem digitalen Handel zusammenhängt.
Eine Neuverhandlung sollte aber nicht die bestehenden Lieferketten zwischen den drei Ländern gefährden. Jeder Dollar an Waren, die Mexiko in die USA exportiert, enthält 40 Cents an US-amerikanischen Vorprodukten; Jeans werden in Mexiko genäht, aber aus Baumwolle hergestellt, die in den USA angebaut wurde. Es ist daher im Interesse aller NAFTA-Länder, den freien Warenverkehr beizubehalten.
Auch die Chefs deutscher Firmen - von Dieter Zetsche (Daimler) bis zu John Cryan (Deutsche Bank) - betonen oft, wie wichtig Freihandel und offene Grenzen sind. Gleichzeitig vermeiden sie direkte Kritik an Trumps Politik und Ankündigungen. Warum sind sie so zurückhaltend?
Trumps Regierung ist erst seit einem Monat im Amt. Sein für Handelspolitik zuständiges Team ist noch nicht einmal vom Senat bestätigt worden, sieht man einmal von den Beratern ab, die er ohne Zustimmung des Senats ernennen kann. Zurzeit liegen nur sehr wenige konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die man kommentieren könnte. Wir werden uns weiterhin für freie und offene Märkte einsetzen. Aber wir müssen abwarten, welche wirtschaftspolitischen Vorschläge die neue Regierung letztlich vorlegen wird, und dann einen offenen Dialog führen mit unseren amerikanischen Ansprechpartnern.
Daniel Andrich ist Delegierter der deutschen Wirtschaft und leitet seit Juli 2016 das Büro des RGIT (Representative of German Industry and Trade) in Washington. Es ist die gemeinsame Vertretung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in den USA und vertritt die Interessen der deutschen Wirtschaft gegenüber der amerikanischen Politik, den US-Wirtschaftsverbänden und der Öffentlichkeit.
Die Fragen stellte Andreas Becker.