"ACTA La Vista!"
4. Juli 2012478 Stimmen zu 39, 165 Enthaltungen - das war deutlich. Laut Beobachtern hat es bisher noch kein Vorhaben einer EU-Kommission gegeben, das derart spektakulär im Plenum abgeschmettert wurde. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses am Mittwoch (04.07.2012) standen die Parlamentarier der Grünen im Europaparlament auf und hielten ein Plakat in die Luft: "Hello Democracy, Goodbye ACTA". Auf dem Twitterkanal war schon eine Stunde vor der Abstimmung eine Menge los, man spürte die Aufregung. Tausende Netzaktivisten sehnten das Ergebnis herbei. Als dann klar war, dass das Abkommen beerdigt wird, hagelte es Jubelpostings, nur sehr wenige Stimmen zeigten sich enttäuscht. In nur einer Stunde nach der Entscheidung waren über 1000 Tweets zum Thema ACTA zu lesen.
Große Freude und einige Skepsis
Jeremie Zimmermann von der französischen Netzorganisation "La Quadrature du Net" freut sich: "Das ist so schön! Zwölf mal mehr Nein-Stimmen als Ja-Stimmen. Lasst uns feiern und uns für die nächsten Schlachten vorbereiten."
Anonymous Deutschland meint trocken: "DING DONG Die Hexe ist tot."
Karsten gibt zu: "Zeitlebens habe ich gesagt, dass das Europaparlament großartig ist."
Paxnos findet, das sei "endlich mal was Gutes aus der Politik", Patrick feiert das Ergebnis als "Sieg der Demokratie".
Jimmy Schulz, FDP-Bundestagsabgeordneter und Unterstützer der Netzaktivisten, bedankt sich bei allen Beteiligten und besonders beim Hacker und Aktivisten Stephan Urbach, seines Zeichens Pirat, für viele Gespräche - auch er freut sich über das Urteil der Kollegen aus dem Europaparlament.
Christophe stellt fest: "ACTA ist Geschichte. Sehr schön. Protest bringt was."
Charles aus Großbritannien bleibt skeptisch: "ACTA ist tot….Bis etwas noch Undurchsichtigeres kommt." Auch der Spanier Gabriel ist sich bewusst, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange ist: "Sieg. Für den Moment."
Das dürfte allen ACTA-Gegnern von vorneherein bewusst gewesen sein. ACTA war erst der Anfang. Viele weitere Projekte, die Teile der Bestimmungen aus dem ACTA-Abkommen beinhalten, werden in den nächsten Monaten aus dem Hut gezaubert.
ACTA ist tot, doch nicht vergessen
Die größte Sorge macht den Netzaktivisten vor allem das Bestreben einzelner Länder, das Internet noch schärfer zu überwachen. Dass Daten nicht im nachhinein überprüft werden, sondern in Echtzeit, was bedeutet, jeder Schritt, den ein User im Netz macht, würde zur selben Zeit beobachtet. Dazu sollen die Provider mit ins Boot geholt werden, die sich durch Spitzeldienste zu Handlangern der Industrie machen würden. Fraglich ist, welcher Provider sich dazu bereit erklären würde.
Markus Beckedahl vom Verein "Digitale Gesellschaft" glaubt, dass ACTA oder weitere drohende Abkommen und Regelungen vor allem von der Film- und Musikindustrie angeschoben würden. "Diese Lobby drängt weiter auf eine Zementierung des bestehenden Urheberrechts", so Beckedahl in der Zeitung "Frankfurter Rundschau". Mit einem Werkzeug wie ACTA oder Ähnlichem könnte man User beim illegalen Up- oder Download viel schneller erwischen, sie mit horrenden Strafen belegen, wie es zum Teil bereits passiert, oder sie gar vom Internet abschneiden.
Die Lösung des Problems liegt nach Ansicht vieler Experten, Politiker und Aktivisten darin, das bestehende Urheberrecht gründlich zu reformieren und dem digitalen Zeitalter anzupassen.
Doch jetzt wird erst mal gefeiert. Auf "netzpolitik.org" schreibt Beckedahl, dessen Verein gegen ACTA gekämpft und gleichzeitig intensive Aufklärungsarbeit geleistet hat: "Wir haben das Unmögliche möglich gemacht. Es ist ein großer Tag für das Netz und die europäische Demokratie."