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Starthilfe für Großlobbyisten

Martin Koch12. Februar 2014

Die Ruhe der vergangenen Tage um den ADAC ist trügerisch. Hinter den Kulissen brodelt es. Der Riese wankt - und wird immer kleiner, je mehr Skandaldetails bekannt werden. Wie viel Gewicht wird seine Stimme künftig haben?

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ADAC Logo
Bild: picture-alliance/dpa

Ob Tempolimits auf deutschen Straßen, Einschränkungen bei Steuervorteilen für Dienstwagen oder Umweltzonen - der ADAC war (und ist) dagegen. Immer wieder blockierte der zweitgrößte Automobilclub der Welt umweltfreundliche Vorhaben der Politik. Als Legitimation dienten ihm stets die nach eigenen Angaben fast 19 Millionen Mitglieder, in deren Namen er sich für die Belange der Autofahrer in Deutschland einsetzte.

Doch diese mächtige Lobby sei auf Wunschdenken gegründet, weiß Anton Hofreiter, Verkehrsexperte und Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, aus Gesprächen mit ADAC-Mitgliedern: "Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen sehen die ihren Verein nicht als Mitmachverein, wo man sich beteiligt, sondern als Service-Unternehmen."

Anton Hofreiter (Foto: Stefan Kaminski)
Hofreiter: ADAC-Skandal ist eine Chance für die PolitikBild: Stefan Kaminski

Die Berliner Politik, die lange sehr stark auf den ADAC gehört und ihm viel Macht zugestanden habe, müsse sich diese Tatsache vor Augen führen und sich nicht länger von den hohen Mitgliederzahlen beeindrucken lassen, fordert Hofreiter im Gespräch mit der DW. "SPD und CDU/CSU sind ja manchmal sehr lobbyhörig und vielleicht gibt ihnen der Fall zu denken, dass sie es gar nicht immer sein müssen."

Treue Mitglieder, kritische Weggefährten

Am meisten punktet der in München ansässige ADAC bei seinen Mitgliedern dank der Pannenhilfe durch die "Gelben Engel", die pro Jahr 4,2 Millionen Einsätze fahren. Über diverse konzerneigene Firmen bietet der Club aber auch Rundum-sorglos-Versicherungspakete für Autofahrer und Urlauber, umfangreiche Reise-Arrangements sowie Bücher, Straßenkarten und andere Publikationen.

Dieses Serviceangebot scheint den Mitgliedern so wichtig, dass nach den - mittlerweile bestätigten - Manipulationsvorwürfen nur wenige dem ADAC den Rücken kehren: Angeblich hat es seit Bekanntwerden des Skandals nur rund 15.000 Austritte gegeben. Von einem solchen Vertrauensbeweis kann die katholische Kirche nur träumen.

Deutlich größer ist die Distanz, die andere bisherige Weggefährten des ADAC jetzt zwischen den Club und sich selbst bringen. Ein VW-Sprecher betonte, die Mauscheleien bei der Vergabe der Auszeichnung "Gelber Engel" für das vermeintlich beliebteste Auto der Deutschen seien eine ADAC-interne Angelegenheit, Volkswagen habe in keiner Weise Einfluss auf die Auswertung genommen.

Bühne bei ADAC-Preisverleihung (Foto: picture alliance)
Der ADAC steht vor einem NeuanfangBild: picture-alliance/dpa

BMW versicherte, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Inseraten des Unternehmens in der ADAC-Mitgliederzeitschrift "Motorwelt" und dem Ergebnis der Abstimmung. Beide Autohersteller kündigten an, die "Gelben Engel" für ihre Modelle zurückzugeben. Gleichwohl bleibe der ADAC ein wichtiger Ansprechpartner für die Autobauer. Ähnlich wird eigenen Angaben zufolge auch Daimler verfahren. Konzernchef Dieter Zetsche sagte, jetzt müsse es darum gehen, dass der ADAC seine Glaubwürdigkeit zurückgewinne.

Bequeme Stille

Der mächtige Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) hält sich dagegen auffällig bedeckt. Außer einem kurzen Statement des Bedauerns unmittelbar nach Bekanntwerden der Manipulationen rund um den "Gelben Engel" ist nichts mehr zum Thema ADAC zu hören. Die Aufarbeitung der Krise sei Sache des Clubs, man werde keine eigenen Vorschläge dazu machen, so ein Sprecher.

Auch die Forderungen aus der Politik gehen kaum über Allgemeinplätze hinaus. Dementsprechend ungerührt reagiert der ADAC: Nach dem Rauswurf des Kommunikationsdirektors und "Motorwelt"-Chefredakteurs Michael Ramstetter Mitte Januar und dem Rücktritt von Präsident Peter Meyer am Montag (10.02.2014) lehnen die Münchner weitere Konsequenzen wie etwa den Rücktritt des gesamten Präsidiums ab.

Peter Meyer (Foto: picture alliance)
Peter Meyer: Sein Rücktritt als Präsident reicht vielen ADAC-Kritikern nichtBild: picture-alliance/dpa

Die Automobil-Experten Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach und Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen hatten den Abgang Meyers begrüßt, aber weiterreichende personelle Veränderungen gefordert.

Grünen-Fraktionssprecher Hofreiter warnt davor, den ADAC mit dieser Strategie davonkommen zu lassen: "Es ist eine sehr große Organisation, da ist natürlich immer zu befürchten, dass Dinge ausgesessen werden. Aber das wäre erstens unklug und zweitens muss der Druck aufrechtgehalten werden, dass die in ihrem Laden jetzt aufräumen."

Neuanfang auf mehrere Ebenen

Immerhin hat der ADAC beschlossen, dass ein Beirat die interne Struktur unter die Lupe nehmen und Missstände beheben soll. Als erstes Mitglied wurde Jürgen Heraeus vorgestellt, seit 2008 Vorsitzender von UNICEF Deutschland. Dort hat der 67-jährige Manager es geschafft, den nach dem Spendenskandal ramponierten Ruf der Hilfsorganisation wieder aufzupolieren. Die ähnlich formulierte Aufgabe beim ADAC dürfte ähnlich anspruchsvoll sein.

Wie wichtig der ADAC für die Bundesrepublik ist, wird an den möglichen Konsequenzen deutlich, die Anton Hofreiter durch die Reformen beim ADAC für möglich hält: "Im besten Fall bedeutet das, dass es möglich ist, eine modernere Verkehrspolitik zu machen, die nicht mehr nur auf große, viel Sprit verbrauchende Autos setzt, sondern auf Autos, die langfristig zukunftsfähig sind. Es besteht die Chance, die Verkehrspolitik insgesamt zu modernisieren."

Schwer vorstellbar, dass Hersteller wie Audi, BMW, Mercedes oder Porsche das überhaupt wollen. Schließlich machen sie am meisten Gewinn mit großen Limousinen und sogenannten SUVs. Doch da ist der Grünen-Verkehrsexperte optimistisch: "Natürlich haben die Autohersteller derzeit sehr hohe Gewinne mit ihren traditionellen Produkten, aber den Klugen und Vorausschauenden in der Autoindustrie ist auch bewusst, dass bestimmte Entwicklungen in der Autoindustrie keine Zukunft haben."

Ob allerdings allein eine neue Struktur beim ADAC dieses Umdenken bewirken oder zumindest beschleunigen kann - diese Frage ist vermutlich am besten mit einem berühmten Zitat von Fußball-"Kaiser" Franz Beckenbauer zu beantworten: "Schaun mer mal."