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AfD-Demo gegen Flüchtlingspolitik

Bernd Gräßler, Berlin7. November 2015

Die rechtspopulistische AfD fordert in Berlin den Rücktritt der Kanzlerin wegen ihrer Asylpolitik und trifft auf empörte Gegendemonstranten. An starken Sprüchen fehlt es nicht. Bernd Gräßler aus Berlin.

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Demonstration AfD
Bild: DW/B. Gräßler

"Nazis, Nazis, haut ab", schreit immer wieder die Frau neben mir. Vor ihr, geschützt durch eine Polizeiabsperrung, ziehen Mitglieder und Sympathisanten der Alternative für Deutschland (AfD) vorbei. Sie rufen in Sprechchören "Merkel muss weg!", prangern auf Plakaten und Transparenten die Asylpolitik der Regierung an: "Mit ruhiger Hand fährt sie Deutschland an die Wand" ist unter einem Kanzlerin-Porträt zu lesen, oder "Deutschland retten, Merkel stoppen!".

Für die 47-jährige Gebrauchsgrafikerin Maria, die mit dem Fahrrad an die Berliner Luisenstraße gekommen ist, sind diese Demonstranten Nazis. "Sie haben rassistische Einstellungen, sind gegen Andersdenkende, gegen Menschen, die von anderen Kulturen kommen, sind homophob, was weiß ich …". Maria, die bereitwillig ins Mikrofon spricht, aber ihren vollen Namen nicht nennen will, ist völlig außer sich.

Die Demonstranten, die vorüberziehen, schütteln den Kopf, lachen, mokieren sich über die erregten Protestierer am Straßenrand, die sie durch die Berliner Innenstadt begleiten. Für einen AfD-Mann aus Chemnitz ist das alles ein großes Missverständnis. "Alles was nicht links ist, wird in die rechte Ecke gestellt", sagt der Elektromeister. "Aber wir sind heute dort, wo früher die CDU war. Wir sind keine Nazis, wer uns so beschimpft, weiß nicht, was ein Nazi war, oder ist". Ein junger Mann aus Braunschweig, der mit seiner Freundin gekommen ist und sich als frischgebackenes Mitglied der AfD vorstellt, sagt, er verteidige den Rechtsstaat. Es könne nicht sein, dass Zehntausende Menschen unkontrolliert in Deutschland einreisten, während er an jedem Flughafen vollständig durchleuchtet werde. "Meine Sorge ist, dass sich hier in Deutschland schon zahlreiche IS-Terroristen befinden, die eigentlich nur auf den Befehl zum 'Go' warten".

Berlin AfD Demonstration
Die Wut der Demonstranten gilt Angela MerkelBild: Reuters/H. Hanschke

Geschrumpfte Großdemonstration

"Wir sind die bürgerlich-demokratische Kraft", begrüßt ein Moderator die Teilnehmer der "Großdemonstration" und verkündet, dass Extremisten, egal ob von Links oder Rechts, nicht erwünscht seien. Die Demonstration unter dem Motto "Rote Karte für Merkel" ist gegenüber den ursprünglich gemeldeten 10.000 Teilnehmern arg geschrumpft - aber immerhin rund die Hälfte der Erwarteten ist gekommen. Anscheinend aus ganz Deutschland. Sächsischer Dialekt ist zu hören, Fahnen aus norddeutschen Bundesländer wehen über den Köpfen. Und man begrüße Gäste aus Nachbarländern wie Polen, Österreich und der Schweiz ,verkündet stolz der Moderator. Die Parteiführung hat Blumen heranschaffen lassen, Herbstastern und Sonnenblumen, die an die Versammelten verteilt werden. Die AfD, die seit ihrem Rechtsruck nach dem Austritt des Parteigründers Bernd Lucke von vielen in einem Atemzug mit der islamfeindlichen Dresdner Pegida-Bewegung genannt wird, legt an diesem Tag Wert auf ein gutbürgerliches, freundliches Image. Ihre Umfragewerte sind dank der Flüchtlingskrise auf bis zu acht Prozent geklettert. Bevor die Reden beginnen, erklingt klassische Musik. "Rattenfänger haben gute Musik", schreit von draußen ein Demonstrant, der es bis an die Polizeiabsperrung geschafft hat.

Anschließend nimmt AfD-Vizechef Alexander Gauland die Flüchtlingspolitik Angela Merkels aufs Korn. Die Kanzlerin isoliere Deutschland, indem sie einen "deutschen Sonderweg" gehe und die Bundesrepublik zu einem "offenen Land" mache. Er erinnert an den Untergang des Weströmischen Reiches unter dem Ansturm der Barbaren und erklärt zur "Einladungspolitik" Merkels : "Wir stehen mit unserem moralischen Imperialismus in Europa allein da."

Demonstration gegen AfD
"AfD in die Spree" skandieren diese jungen LeuteBild: DW/B. Gräßler

"Nazipropaganda" oder Meinungsfreiheit?

Mit Fahnen, Blumen, Transparenten und dem Ruf "Wir sind das Volk" ziehen die rund 5000 AfD-Anhänger wenig später über den Boulevard "Unter den Linden" zum Berliner Hauptbahnhof. "Sie denken, sie sind das Volk, aber das ist eine Anmaßung", sagt ein junger Mann am Straßenrand. Seine guatemaltekische Freundin ruft gemeinsam mit einer Gruppe junger Leute "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda". "Meinungsfreiheit, Meinungsfreiheit" antworten die AfD-Anhänger. Die verbale Schlacht eskaliert, als es über die Spree-Brücke geht: "AfD in die Spree!" brüllen die einen, "Sucht Euch Arbeit", höhnen die anderen. Jeder schreit seine Vorurteile heraus. Die Polizei, die mit über 1000 Mann im Einsatz ist, muss an einigen Stellen verhindern, dass Hitzköpfe aufeinander losgehen.

Auf der AfD-Kundgebung ist auch Angelika Barbe zu sehen, eine ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin, spätere Bundestagsabgeordnete, die der CDU angehört. Während kürzlich in einem offenen Brief zahlreiche ehemalige DDR-Oppositionelle die Flüchtlingspolitik Angela Merkels lobten, ist sie anderer Meinung. "Ich habe als größte Errungenschaft nach dem Ende der DDR den Rechtsstaat erlebt und sehe mit Entsetzen, wie Politiker jetzt das Recht brechen", sagt sie und verteilt ein Zeitungs-Interview des Verfassungsrechtlers und einstigen Verteidigungsministers Rupert Scholz. Dieser widerspricht Kanzlerin Merkels Auffassung, wonach das Asylrecht keine Obergrenze kenne und man die deutschen Außengrenzen nicht schützen könne.

Berlin AfD Demonstration Polizei Zusammenstöße mit Gegendemonstranten
AfD-Gegner versuchen eine SitzblockadeBild: Reuters/H. Hanschke

"Volksverräter" skandiert die AfD, als sie durchs Regierungsviertel zieht. Und als man am Hauptstadtstudio der öffentlich-rechtlichen ARD und am Gebäude der Bundespresskonferenz vorbeikommt, ertönt es "Lügenpresse, Lügenpresse!" Am nahen Brandenburger Tor versammeln sich zur gleichen Zeit einige Hundert Menschen zu einer Kundgebung "für ein weltoffenes Berlin", zu der die fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien aufgerufen haben. Auf dem größten Transparent der Rechtspopulisten steht dagegen: "Bevor es Ihnen zu bunt wird - Bürgerrechtspartei AfD".