AfD-Führung setzt sich durch
1. Mai 2016Als "politisch erwachsen" bezeichnete Parteichefin Frauke Petry (Artikelbild) die erst drei Jahre alte AfD in ihrem Schlusswort auf dem Parteitag in Stuttgart. Wer weit genug vorn stand, konnte sehen, dass sie kurz mit den Tränen kämpfte, als sie für die erfolgte Verabschiedung Dank sagte. Der Druck, der ihr vorher anzumerken war, fiel ein wenig von ihren Schultern, die sie mit einem eleganten weißen Tuch umhüllt hatte.
Auf Ergebnis getrimmt
Es lief gut für sie und die Parteiführung an diesem Wochenende. Die rund 2000 Mitglieder konnten sich auf das erste Grundsatzprogramm der AfD einigen. Ein Selbstläufer war das nicht. Der Entwurf umfasste 70 Seiten, dafür aber gab es 1400 Seiten Änderungsanträge. Man habe den "Elefanten durch das Nadelöhr gekriegt", zeigte sich Parteivize Albrecht Glaser hoch zufrieden, der das Drehbuch für die Programmdiskussion geschrieben hatte.
Da wurde geclustert, priorisiert, zusammengefasst, kontingentiert und gedeadlined, was das Zeug hielt - auf Kosten inhaltlicher Diskussionen, die dann manchmal eher kurz aus- oder ganz wegfielen. Das schmeckte nicht allen Mitgliedern, aber das System disziplinierte letztendlich. Zwar nicht formal, aber "demokratietheoretisch" fragwürdig waren so manche Anträge, eine ganze Reihe von Änderungswünsche auf einmal abzuschmettern. Auf diese Weise fielen gleich am Anfang auch alle alternativen Entwürfe für das Grundsatzprogramm unter den Tisch - zur Freude der Parteiführung.
Wenige Verschärfungen
Viele Änderungsanträge, die es dann tatsächlich in die Diskussion geschafft hatten, endeten für manche Hardliner in der Partei auch noch mit einem enttäuschenden Abstimmungsergebnis. Besonders die Jugendorganisation in der AfD hätte sich mehr "deutlichere Signale" gewünscht. Aber die Mitglieder waren nicht in der Stimmung dafür, was vielleicht auch am Tagungsort mitten in den eher liberalen AfD-Hochburgen im Westen Deutschlands lag. Natürlich waren auch Mitglieder aus dem ganzen Land angereist, aber nicht jeder will eine 500-Kilometer-Reise auf sich nehmen.
Medialer Aufreger des Wochenendes war die von der AfD beschlossene, übrigens bei den deutschen Christdemokraten noch vor wenigen Jahren auch vorherrschende Ansicht "Der Islam gehört nicht zu Deutschland". Im Vergleich zu manchen weitergehenden Forderungen war das allerdings vergleichsweise geschmeidig. Die Religionsfreiheit gelte nicht für den Islam, forderten manche, was die Parteiführung explizit so nicht interpretiert sehen wollte. Petrys Versuche, mit Islamverbänden einen Dialog aufzubauen, wurden mit Buhrufen bedacht. So hätte es in Stuttgart noch zu ganz anderen Diskussionsergebnissen kommen können. Es gibt in der AfD nicht wenige, die antiislamisch eingestellt sind.
Ziel: Ein Vollprogramm
Der Vorschlag für ein Referendum über einen EU-Austritt, sollte sich Europa nicht reformieren, fiel ebenso durch wie eine noch schärfere Ablehnung von Abtreibungen oder des "Gender Mainstreaming". Es gab aber auch Verschärfungen: keine Koalitionsaussage ohne definitive Absage an einen Türkei-Beitritt zum Beispiel oder eine Begrenzung von politischen Ämtern auf vier Wahlperioden.
Die Diskussion über einen NATO-Austritt fiel dem oben beschriebenen Drehbuch zum Opfer. Auch andere außenpolitische Themen fanden wenig Raum. Erst einmal, denn die Diskussionen werden weitergehen. Auch wenn die AfD nun schon als erwachsen bezeichnet wird, heißt das nicht, dass es friedlich bleiben muss. Die AfD bleibt spannend.