1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Lucke setzt sich durch

Kay-Alexander Scholz, z. Zt. in Bremen31. Januar 2015

Der Schulterschluss ist geglückt. Der AfD-Parteitag hat eine neue Satzung beschlossen. Damit bekommt Bernd Lucke noch mehr Macht. Offen bleibt, was aus der "Jungen Alternative" wird. Kay-Alexander Scholz aus Bremen.

https://p.dw.com/p/1ETw5
AfD-Parteitag in Bremen - Bernd Lucke (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Er lebe seinen narzisstischen Anspruch aus, könne nicht führen, spalte die Partei und riskiere einen Bürgerkrieg in der AfD - die Kritik an Parteigründer Bernd Lucke fiel auch beim dritten Bundesparteitag in Bremen wieder deftig aus. Sie begleitet die AfD schon seit ihrer Gründung und war bisher auf jedem Parteitag deutlich zu hören. Entsprechend knapp fiel die wohl wichtigste Abstimmung der in Bremen versammelten Mitglieder aus: Mit 67,5 Prozent, also nur wenig über der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit, wurde am späten Abend einer neuen Satzung der Partei, einem zentralen Vorhaben Luckes, zugestimmt. Einige Änderungsanträge zum Satzungsentwurf allerdings wurden zuvor einfach unter den Tisch fallen gelassen. Das Missfallen darüber könnte ein Grund für die relativ vielen Nein-Stimmen gewesen sein.

Mit dieser Weichen stellenden Entscheidung wurde auch der Machtkampf innerhalb der Partei-Führung zumindest vertagt. Im Vorfeld des Treffens in Bremen hatte es offenen Zank zwischen den drei Parteichefs gegeben. Ein untereinander ausgehandelter Kompromiss beruhigte die Gemüter dann. Diesem folgte nun auch die Parteibasis.

Der Vertreter des liberalen Flügels, Hans-Olaf Henkel, der nicht angereist war und stattdessen eine Videobotschaft aus den USA schickte, hatte darin an die Partei appelliert, zusammenzustehen und sich auf die politischen Gegner zu konzentrieren.

Erleichterung an der Basis

Schon bei einer wichtigen Vorabstimmung am Nachmittag war zu spüren gewesen, wie angespannt die Lage war. Als sich der Weg zur neuen Satzung abzeichnete, entlud sich die Erleichterung vieler der rund 1600 Parteimitglieder in langem Applaus - und in einer ungewohnten Geste von Lucke, der sonst immer so kontrolliert und kühl agiert: Er schickte einen Handkuss in die Menge.

Spätestens Ende des Jahres will er die Partei alleine führen. Die Satzung ebnet den Weg dahin, eine richtige Wahl findet aber erst beim nächsten Parteitag im April statt. Als "rechte Hand des Vorsitzenden", wie Lucke es nannte, soll dem Parteichef ein Generalsekretär an die Seite gestellt werden. Dann wird die derzeitige Struktur mit drei gleichberechtigten Sprechern zur Parteigeschichte gehören.

Auf den Fluren des Tagungsortes waren vor dieser Entscheidung besorgte Parteimitglieder zu hören. Die AfD nähere sich strukturell den Altparteien an, dabei wollte man doch alles anders machen. Und eine hierarchische Parteistruktur, wie jetzt beschlossen, diene immer auch der Machtkonzentration an der Spitze.

Lucke auf Erfolgskurs

Für Nervosität in der AfD hatte auch die islamkritische Pegida-Bewegung gesorgt. Teile der Partei solidarisierten sich mit den wöchentlichen Demonstrationen, der gemäßigte Flügel übte Distanz. In Bremen kam das heikle Thema erst gar nicht auf den Tisch, auf der Tagesordnung standen Struktur- und nicht Programmfragen. In seiner Parteitagsrede ging Lucke aber zumindest indirekt auf Pegida ein: Über den Erfolg der AfD werde nicht an den politischen Rändern, sondern in der Mitte der Gesellschaft entschieden.

Bedeuten muss diese Aussage nicht viel, da die AfD noch kein richtiges Parteiprogramm hat und Teile der Partei weiterhin am rechten Rand fischen werden. Lucke will aber die öffentliche Debatte über einen möglichen Rechtsruck der AfD beruhigen, die den bisherigen Erfolg der Partei bedroht. Denn Lucke will den Erfolg. Die Partei soll 2017 in den Bundestag einziehen und irgendwann auch Regierungsverantwortung übernehmen. Opposition sei nur eine Zwischenetappe, heißt es. Außerdem stehen in den kommenden Wochen zwei Landtagswahlen im Westen Deutschlands an. Es sind wichtige Abstimmungen, weil sie zeigen sollen, dass die AfD bundesweit und nicht nur im Osten den Einzug in die Parlamente schaffen kann.

Was die Jungen denken

Ein weiterer Schritt in Richtung Etablierung der Partei wäre eine bundesweite Jugendorganisation. Diese gibt es zwar schon, sie ist aber als "Junge Alternative" bisher nur in einigen Bundesländern anerkannt. Sie wäre wohl auch deshalb wichtig, weil viele AfD-Mitglieder älteren Semestern angehören. Auch in Bremen waren nur wenige unter 30-Jährige anzutreffen. Franziska Schreiber, 21, Jura-Studentin und Vorsitzende der Jungen Alternative in Sachsen gehört zu diesen Wenigen. Sie stammt aus dem Heimatland von Pegida und kam zur AfD, weil hier "frei von Ideologie argumentiert" werde und es kein "zwanghaftes Nichtansprechen" von Themen gebe. Das würden auch andere junge AfDler immer betonen, nämlich ihre Meinung sagen zu können, ohne immer gleich das "Schlimmste", also allzu rechtsextreme Ansichten, unterstellt zu bekommen. Das sei anziehend für junge Menschen. Die AfD - ob jung, ob alt - eint die Kritik an einer angeblich übertriebenen Political Correctness in der Öffentlichkeit.

Jana Schneider und Franziska Schreiber von der "Jungen Alternative" (Foto: DW/Scholz)
Jana Schneider (links) und Franziska Schreiber von der Jungen AlternativeBild: DW/K.-A. Scholz

Und Franziska kritisiert noch mehr. Sie findet, die Zeiten des Lagerdenkens in "rechts" und "links" seien überholt. In Dresden habe sie auch Kontakte zur dortigen AfD-Landtagsfraktion. Viele im sächsischen Parlament würden sich die Augen reiben, wenn AfDler für Anträge der Grünen oder Linken stimmen würden. Warum eigentlich? Viele Probleme seien viel zu kompliziert. Da stimmt auch Jana Schneider aus Niedersachsen zu und nennt die Islamdebatte als Beispiel. Muslime allein als Opfer zu verstehen, sei zu undifferenziert. Politiker sollten stärker auf die inner-islamische Debatten eingehen.

"Politiker haben Angst vor Shitstorms"

Pegida können beide verstehen. Es gebe eine Entfremdung der Politik und Medien von vielen Bürgern. Politiker hätten es versäumt, die Menschen ins Boot zu holen und Vorgänge zu erklären. Und in den TV-Talkshows würden nur Vokabeln aufgesagt. Ein ernsthafter Diskurs mit verschiedenen Meinungen finde nicht statt. Viele hätten wohl Angst davor, dass sie einen Shitstorm ernteten, sollten sie zu sehr provozieren.

Und wie sehen die beiden selbstbewussten, redegewandten Vertreterinnen der AfD die Rolle der Frauen? "Gleichberechtigung von Frauen ist abgeschlossen", meint Franziska. Eine weitere Förderung würde nur zu einer Benachteiligung von Männern führen. "Quoten sind eine Degradierung von Frauen", stimmt Jana bei.

Eigentlich wollte die Jugendorganisation an diesem Wochenende in Bremen offiziell von der Mutterpartei aufgenommen werden. Doch schon Sprecherin Frauke Petry lehnte das zu Beginn ab, denn man habe inhaltich noch keine gemeinsame Basis gefunden. Ein letzter Versuch, doch noch eine Entscheidung zu erzwingen, scheiterte am Samstag. Nun, da eine neue Satzung verabschiedet wurde, kann ein neuer Aufnahmeantrag wohl erst beim Treffen in April gestellt werden.

Am Samstag hatte die Partei noch mit einem ganz anderen Ereignis zu tun. Vor dem Tagungsgebäude demonstrierten rund 3500 Menschen gegen die AfD - in Deutschland ist die neue Partei noch längst nicht von allen angenommen.