Die AfD und die Flüchtlingskrise
28. November 2015Es ist der erste Parteitag der "Alternative für Deutschland", der ohne AfD-Gründer Bernd Lucke stattfindet. Im Juli endete ein Machtkampf um den Chefposten mit einer Spaltung der Partei. Als Konsequenz trat Euro-Kritiker Lucke aus und mit ihm verließen rund 20 Prozent der Mitglieder die AfD, denen die Partei offenbar zu weit nach rechts gerückt war. Die Umfragewerte sanken daraufhin unter 5 Prozent.
Dann kam die Flüchtlingskrise - und man konnte von Woche zu Woche sehen, wie die AfD davon profitierte. Inzwischen liegt die AfD in Umfragen deutschlandweit bei bis zu 10 Prozent. In Ostdeutschland sind es sogar bis zu 18 Prozent. Der Vize-Chef der AfD, Alexander Gauland, meint, seine Partei wäre die Heimat für alle, die mit der Asyl- und Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht einverstanden sind.
Rücktrittsforderung an Merkel
Am deutlichsten formuliert Co-Chefin Frauke Petry, die sich im Sommer gegen Lucke durchgesetzt hatte, diese Kritik. Sie forderte auf dem Parteitag in Hannover die Kanzlerin zum Rücktritt auf. Denn Merkel habe den Regierungsauftrag verfehlt, wenn sie selbst sage, dass Deutschland die Lage nicht mehr im Griff habe. Dafür gab es Standing Ovations im Saal.
Dass die rechtskonservative AfD im Moment dabei ist, von der Flüchtlingskrise zu profitieren, das sieht der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen nicht so. Die Zerreißprobe habe die Partei deshalb so gut überstanden, weil sie gut gearbeitet habe und einen geschlossenen Eindruck hinterlassen habe. Außerdem sei das Flüchtlingsthema nicht das einzige der Partei.
Nicht alle in der Parteiführung sehen das so. Man weiß, dass die AfD von der Stimmung im Land profitiert.
AfD hat Rückenwind
Derzeit sei die AfD "quicklebendig", sagt Meuthen. Ziel für die anstehenden Landtagswahlen im kommenden Frühjahr sollten zweistellige Werte sein. Der Parteitag in Hannover ist ein Satzungsparteitag. Es finden also keine Wahlen statt. Auch das noch immer fehlende Grundsatzprogramm soll erst im kommenden Frühjahr abgeschlossen werden.
Allerdings stehen in Hannover Entschließungsanträge zur Flüchtlingspolitik und zum Verhältnis zu Russland auf der Tagesordnung. In der Russland-Resolution, so Vize-Chef Gauland, werde es auch um eine militärische Beteiligung am Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" gehen. Eine Umfrage hatte ergeben, dass derzeit in Deutschland AfD-Anhänger zu den größten Befürwortern eines solchen Einsatzes zählen.
Resolution zum Asylrecht
Mit großer Mehrheit wurde eine Flüchtlingsresolution verabschiedet. Die Delegierten folgten damit allerdings nicht dem Antrag des Bundesvorstands, sondern plädierten für einen alternativen Entwurf aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen. Dieser ist pointierter als der Vorstandsentwurf und fordert klar eine Beschränkung des Asylrechts. Gefordert werden in 14 Punkten unter anderem Obergrenzen, Abschiebehaft, eine Beschränkung des Familiennachzugs, ein wehrhaftes Vorgehen gegen Parallelgesellschaften, die Rückkehr zu Dublin-III und Sanktionen für Länder, die sich gegen eine Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern aussprechen.
Fragt man AfD-Mitglieder am Rande des Parteitags, dann hört man häufig, man sei in der Sache gar nicht so weit von manchen CSU-Positionen in der Asylpolitik entfernt. Auch Merkels europäischer Ansatz und die geplanten Hotspots finden Zustimmung. Ebenso wie der Punkt, Flucht-Ursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen.
Druck von rechts
Jörg Meuthen sagte in seiner Rede, dass die Partei in ruhigem Fahrwasser sei - was aber nicht so ganz zutrifft, auch wenn die Stimmung im Saal und bei den Delegierten sichtbar gut ist. Es droht eine neue Auseinandersetzung darum, wie rechts die Partei sein soll. Björn Höcke, der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen, hat in den vergangenen Monaten Demonstrationen veranstaltet, auf denen offen nationalkonservative Töne zu hören waren. Er verteidigte in Hannover in Medien-Interviews sein Vorgehen. Auf Demonstrationen müsse man zuspitzen, das seien schließlich keine Vorlesungen. Sich selbst sehe er nicht als Pfosten am rechten Rand der Partei, das sei nur ein Kampfbegriff. Alles eher moderate Töne also - einen offenen Machtkampf scheint Höcke derzeit nicht führen zu wollen. Doch die Medienaufmerksamkeit hat er. Als er verspätet im Saal erschien, war das Interesse sehr hoch.
Höcke hat einen guten Draht zu Götz Kubitschek, einem Vordenker der "Neuen Rechten" in Deutschland. Beide leben in kleinen Dörfern in Thüringen und wollen bewusst ein antimodernes Leben führen. Höckes Kinder sollen im Wald und nicht vor dem Computerbildschirm spielen. Er sieht sich für Höheres in der Partei berufen. Ob davon in Hannover schon etwas zu spüren sein wird, ist eine der spannenden Fragen. Immerhin gab es aber nicht, wie beim letzten Mal, SMS-Ketten-Briefe, um eigene Parteitagstruppen zu sichern.
Entschieden wurde die seit langem schwelende Frage, ob die "Junge Alternative" (JA) nun offiziell als Nachwuchsorganisation gilt. Der Antrag bekam eine große Mehrheit. Ex-Chef Bernd Lucke hatte damit noch Probleme gehabt, weil er die JA als zu weit rechts stehend sah. Petry sah das von Anfang an anders.
Widerstand gegen die AfD
Im Vorfeld des Parteitags stand die AfD mit einem Randthema in den Medien. Ein Hotel in Hannover hatte die Zimmerreservierungen für Parteimitglieder storniert. Bereits die Suche nach einem Tagungsort hatte sich als schwierig erwiesen. Das sei ein "erbarmungswürdiges Verständnis für Diskurs und Wettbewerb", die Partei zu bekämpfen, kritisierte Meuthen.
Bis Sonntag wollen die rund 500 Delegierten nun beraten. Zumindest vor den Türen des Parteitags war laute Kritik zu hören: Eine große Demonstration von 5000 AfD-Gegnern fand statt. Die AfD-Mitglieder wurden aufgefordert, währenddessen nicht vor die Tür zu gehen - aus Sicherheitsgründen. Generell waren die Sicherheitsmaßnahmen erhöht - schließlich ist es erst eineinhalb Wochen her, dass in Hannover ein Fußball-Länderspiel abgesagt wurde, weil die Behörden einen Terroranschlag befürchteten.
Am Vorabend des Parteitags hatten Co-Vorsitzende Petry und ihr neuer Partner Marcus Pretzell, AfD-Chef von Nordrhein-Westfallen und Abgeordneter im EU-Parlament, für erstaunte Blicke beim Bundespresseball in Berlin gesorgt. Denn die Medien werden von der AfD gerne für eine angeblich unfaire Berichterstattung gescholten. Der Auftritt beim Presseball war deshalb eine bewusste Provokation. Viele anwesenden Journalisten äußerten ihr Missfallen darüber.