1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

AfD will regierungsfähig werden

Kay-Alexander Scholz z. Zt. Braunschweig
1. Dezember 2019

Im Parteivorstand haben sich die Kräfteverhältnisse kaum verändert. Ihre Außenwirkung aber will die AfD erklärtermaßen ändern. Offenbar bereitet man sich darauf vor, koalitionsfähig zu werden.

https://p.dw.com/p/3U3M1
AfD-Bundesparteitag | Jörg Meuthen, Tino Chrupalla und Alexander Gauland
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

AfD will heiratsfähig werden

"Zurück in die Zukunft" - im bekannten Hollywoodfilm führt es den Helden in die Vergangenheit, um die Gegenwart zu korrigieren. Die "Alternative für Deutschland" (AfD) nimmt sich daran anscheinend ein Vorbild. Vor zwei Jahren versuchte die damalige Parteichefin Frauke Petry einen "Zukunftsantrag" auf die Tagesordnung des Bundesparteitags zu setzen. Kern des Antrags: die AfD koalitionsfähig zu machen. Das Vorhaben misslang - Petry verlor die Unterstützung der Partei und gab auf.

Die damalige Mehrheitsmeinung lautete: Fundamentalopposition, Abstand zu den sogenannten "Altparteien" halten und darauf hoffen, stärkste Kraft zu werden. Beim Parteitag in Braunschweig wurde nun - auf der Bühne und dahinter - die Losung ausgegeben: Wir machen uns regierungsfähig. Was hat sich geändert?

AfD sucht Anschluss

Für die AfD erfolgreiche Landtagswahlen in Ostdeutschland haben neue Fragen aufgeworfen. Dort sind Regierungsbildungen ohne die AfD inzwischen nur noch in Dreierkonstellationen möglich. Doch bis auf einzelne Stimmen von Christdemokraten lehnen alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit ab. Irgendwann werde die CDU nur noch eine Option haben: "Uns!", gab Alexander Gauland in der Eröffnungsrede die Richtung vor.

Der 78-jährige Gauland, bis dato Parteivorsitzender aus der Gründergeneration, ist zwar ab jetzt "nur" noch Ehrenvorsitzender, gewählt von 90 Prozent der Parteitagdelegierten. Aber seine Erben ließen nicht erkennen, in diesem Punkt eine andere Strategie verfolgen zu wollen.

Neues Führungsduo soll breites Wählerspektrum ansprechen

Jörg Meuthen wurde als einer von zwei Vorsitzenden wiedergewählt, er ist auch Chef der AfD-Gruppe im EU-Parlament. Der Akademiker aus dem Westen tritt seit geraumer Zeit moderat auf. Das war nicht immer so. Die AfD sei dabei "erwachsener" zu werden, sagte er nun, die Partei müsse sich auf "Regierungsfähigkeit vorbereiten". Nicht so schnell wie möglich, da es keine Koalitionspartner gebe, aber perspektivisch.

Braunschweig AfD-Bundesparteitag Gauland
Macht seinen Platz im Parteivorstand frei für Wunschnachfolger Tino Chrupalla: Alexander GaulandBild: picture-alliance/dpa/H.-K. Dittrich

Dem scheint sich auch Meuthens neuer Co-Vorsitzender, Gaulands Wunschnachfolger Tino Chrupalla, anzuschließen. Chrupalla ist Handwerksmeister aus dem Osten, bodenständig und bewaffnet mit scharfer Zunge, geladen mit geschichtsrevisionistischen Wortspielen. Seine verschmitzten Mundwinkel passen zu seiner Provokationslust. Doch hatte er kürzlich noch Angela Merkel "in der DDR gelernte Zersetzungsstrategien" vorgeworfen, betonte nun auch er, eine "moderate Sprache" der Partei sei nun wichtig.

Geplant war die Personalie war schon länger, der 44-Jährige wurde bereits vor rund einem Jahr präsentiert. Chrupalla kommt aus der AfD-Hochburg Sachsen, hat sein Bundestagsmandat direkt gewonnen.

Die Reihen werden geschlossen

Nicht nur nach außen, auch nach innen präsentierten die rund 580 AfD-Delegierten einen anderen Stil. Fast alle Redner appellierten an die Einigkeit der Partei. Pro-und-contra-Diskussionen, früher leidenschaftlich ausgetragen, wurden jetzt so kurz wie möglich gehalten. Die "Junge Alternative", die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, hielt sich mit provokanten Anträgen zurück. Gegenseitige verbale Pöbeleien gab es kaum.

Deutschland Braunschweig AfD Bundesparteitag | Joerg Meuthen & Tino Chrupalla
Das neue Vorstandsduo: Jörg Meuthen (l.) und Tino ChrupallaBild: Reuters/F. Bimmer

Ein heikler Antrag über das Streichen der sogenannten Unvereinbarkeitsliste, wonach eine Zusammenarbeit mit den Identitären verboten ist, kam gar nicht erst auf die Tagesordnung. In der Diskussion darum aber gab ein Delegierter aus Baden-Württemberg zu, dass die Identitären beim Flyer-Austragen oder bei Demonstrationen tatkräftige Unterstützer seien.

Gaulands Vermächtnis: "Partei genau richtig"

Nach innen werden die Reihen geschlossen - an der Bandbreite soll sich anscheinend aber wenig ändern. Die Partei sei "genau richtig", sagte Gauland. Das heißt wohl auch: Alle, die dabei waren, bleiben dabei - auch Björn Höcke, Chef des rechtsnationalen "Flügels" der Partei. Einen Konflikt mit dem neuen Kurs der Partei vermied er, indem er seine Ambitionen auf mehr Einfluss auf Bundesebene erneut zurückstellte.

"Ich habe keine Zeit für Berlin", sagte er der DW, als Landeschef in Thüringen habe er genug zu tun und könne auch von Thüringen auf die Partei einwirken. In Stein gemeißelt sei diese Prioritätensetzung aber nicht, ließ er durchblicken.

Braunschweig AfD-Bundesparteitag Gedeon
AfD-Mitglieder zeigen Wolfgang Gedeon die Rote Karte oder verlassen den SaalBild: DW/K.-A. Scholz

Im AfD-Bundesvorstand wird den "Flügel" also weiterhin Andreas Kalbitz vertreten, der erneut gewählt wurde. Er gilt als zentraler Stratege der Rechtsextremen in der AfD. "Weniger Brüche, mehr Übergänge", sei die neue Maxime im Miteinander, sagte er der DW. Im Parteivorstand haben sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Parteigruppen kaum verändert.

Nur ein Mitglied grenzte der Parteitag öffentlichkeitswirksam aus: Wolfgang Gedeon, Verfasser antisemitischer Schriften, bewarb sich für einen Partei-Vize-Posten. Als er seine Bewerbungsrede begann, zeigten einige die Rote Karte, andere verließen den Saal, fast keiner applaudierte. Am Ende bekam er 22 Stimmen.

Sollte die Koalition in Berlin bald zerbrechen, muss die AfD in einen neuen Bundestagswahlkampf ziehen. Regulär stehen wichtige Wahlen auf Landes- und Bundesebene erst wieder 2021 an. Spätestens dann wird sich zeigen, ob der in Braunschweig präsentierte Kurswechsel mit dem Wesen einer populistischen Partei vereinbar ist.

Höcke: "Keine Zeit für Berlin"