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Wahl im Schatten der Gewalt

5. April 2014

Die Afghanen haben den Nachfolger von Präsident Hamid Karsai gewählt. Es soll die erste demokratische Machtübergabe in der Geschichte des Landes werden. Trotz Terrordrohungen der Taliban war die Wahlbeteiligung rege.

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Wahltag in Afghanistan (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Shah Marai/AFP/Getty Images

Wahl im Schatten der Gewalt

Präsident Karsai hat seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 regiert. Nach zwei Amtszeiten durfte er nicht noch einmal antreten. Um seine Nachfolge hatten sich acht Kandidaten beworben. Die größten Chancen werden den Ex-Außenministern Abdullah Abdullah und Salmai Rassul sowie dem früheren Weltbank-Ökonom Aschraf Ghani zugeschrieben.

Der Augenarzt Abdullah Abdullah war einst Führer der gegen die Sowjetunion kämpfenden Nordallianz und später Außenminister unter Karsai, gegen den er bei der Wahl 2009 antrat und verlor. Der 53-Jährige ist in seiner Heimat im Norden populär, doch im Süden wegen seiner ethnischen Abstammung kaum wählbar.

Afghanischen Frauen warten vor dem Wahllokal (Foto: picture alliance)
Warten vor dem WahllokalBild: picture alliance/ZUMA Press

Karsai will sich seinen Einfluss sichern

Ein recht unbeschriebenes Blatt ist Salmai Rassul (71), ebenfalls früherer Außenminister und ein entfernter Verwandter des letzten afghanischen Königs. Rassul ist ein politischer Weggefährte von Präsident Karsai, mit dem er im Exil in Rom zusammenarbeitete. Er gilt als die politisch schwächste Figur unter den drei Favoriten, die aber von Karsai gestützt werden dürfte.

Erneut zur Wahl stellt sich Aschraf Ghani. Der frühere Weltbank-Ökonom und ehemalige Finanzminister hatte 2009 nur drei Prozent der Stimmen erhalten. Der 64-Jährige hat 24 Jahre im Ausland gelebt und tut sich schwer, das Vertrauen der afghanischen Wähler zu gewinnen.

Kein Ende der Gewalt in Sicht

Trotz Anschlagsdrohungen der Taliban beteiligt sich die afghanische Bevölkerung rege an der Wahl. Vor den 6000 Wahllokalen bildeten sich zum Teil lange Schlangen. In einigen Wahllokalen wurden die Wahlscheine knapp. Nach Schätzungen der Wahlkommission lag die Beteiligung bei etwa 60 Prozent. Erste vorläufige Ergebnisse werden Mitte kommender Woche erwartet.

Die Abstimmung verlief relativ ruhig. Bei einer Explosion in der südöstlichen Provinz Logar wurden nach Angaben der Regionalregierung vier Menschen teils schwer verletzt. Laut Polizeiangaben wurde in einem anderen Landesteil ein potenzieller Attentäter verhaftet. Ein Anschlag verfehlte zudem sein Ziel. Die 352.000 afghanischen Sicherheitskräfte waren in höchster Alarmbereitschaft.

Schon seit Wochen haben die radikal-islamischen Taliban mit einer Serie von Terroranschlägen versucht, die Wahlvorbereitungen zu stören. Am Freitag fiel die deutsche Fotojournalistin Anja Niedringhaus einem Mordanschlag zum Opfer. Fast alle internationalen Wahlbeobachterteams haben angesichts der Gewaltwelle ihre Mitarbeiter abgezogen.

Unabhängig davon, welcher Kandidat am Ende das Rennen macht: Auf Karsais Nachfolger warten fast unlösbare Aufgaben. Korruption, Armut und Drogenhandel lähmen das Land. Die afghanische Wirtschaft ist ohne Hilfe von außen nicht überlebensfähig, selbst das Militär hängt am Tropf des Westens. Und die Taliban zeigen keine Absicht, ihren Kampf gegen die gewählte Regierung in Kabul einzustellen.

Wahl im Schatten der Gewalt

Wie demokratisch ist die Wahl?

Es ist die bereits fünfte Wahl seit dem Sturz der radikalen Islamisten und sie gilt als Weichenstellung für die Zukunft des Landes, vor allem mit Blick auf den Abzug der NATO-Kampftruppen bis Dezember. Kaum jemand macht sich dabei Illusionen, dass es diesmal weniger Manipulation, Fälschung und Korruption geben könnte als bisher. Beim Wahl-Drama von 2009 waren 20 Prozent aller abgegebenen Stimmen annulliert worden. Bestärkt wird die Sorge durch die Tatsache, dass die Wählerlisten voller Geisterwähler sind. Darauf steht jeder, der in den vergangenen zehn Jahren abstimmen durfte, und somit auch längst verstorbene Menschen.

Afghanistan hat bei etwa 30 Millionen Einwohnern offiziell rund zwölf Millionen Wahlberechtigte. Es sollen allerdings bis zu 18 Millionen Wahlscheine im Umlauf sein.

Bundesregierung zieht eine positive Bilanz

Für Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ist es "an sich ein großer Erfolg, dass diese Wahlen stattfinden". In der Onlineausgabe der Zeitung "Die Welt" rief der CSU-Politiker die künftige Führung auf, bessere Rahmenbedingungen für Investoren zu schaffen.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zieht eine positive Bilanz des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr: Er habe für die Menschen Fortschritte gebracht, sagte von der Leyen der "Bild"-Zeitung. In Afghanistan würden inzwischen acht Millionen Kinder zur Schule gehen, davon drei Millionen Mädchen. Und die Menschen würden auch unter Gefahren zur Wahl gehen. "Das hätte es unter dem Regime der Taliban nie gegeben", sagte von der Leyen.

rb/qu (afp, ape, dpa, epd, rtr)