Afrika: Frustrierende Suche nach Arbeit
8. Oktober 2021Namhla Mcimbi ist 25 Jahre alt. Sie lebt in Kapstadt, in Südafrika. Und sie ist arbeitslos. "Es ist frustrierend, denn es gibt viele Dinge, die ich mir für mich und mein Kind wünsche, mir aber nicht leisten kann. Das ist zerstörerisch", sagt sie zur DW. Mcimbi hat Psychologie studiert, konnte eines Tages ihre Studiengebühren nicht mehr bezahlen und rutschte in die Arbeitslosigkeit.
Mcimbi ist kein Einzelfall: Vielen ihrer Kommilitonen hätten das gleiche Problem, sagt sie. Für einen möglichen Ausweg seien jedoch Kontakte wichtig: "Die Leute bringen ihre Cousins und Cousinen, ihre Schwestern in ihren Betrieben unter, so dass es für dich als Unbekannte schwer ist, einen Job zu bekommen."
Riesiges Job-Defizit
Die Beschäftigungskrise auf dem Kontinent südlich der Sahara verschärft sich laut einer aktuellen Studie des Afrika-Referats der Friedrich-Ebert-Stiftung, die der Wirtschaftswissenschaftler und Afrika-Experte Robert Kappel zusammengestellt hat. Darin heißt es: "Jedes Jahr suchen etwa 20 Millionen Menschen einen Arbeitsplatz, den es weder auf dem Land noch in der Stadt gibt." Insbesondere jungen Menschen drohe die Arbeitslosigkeit.
In Mitteleinkommensländern, dazu zählen auch Südafrika und Namibia, sind laut der Studie die Arbeitslosenzahlen in den vergangenen zwei Jahrzehnten gestiegen. Ein Beispiel für die große Lücke zwischen Jobangebot und Jobnachfrage ist Uganda: 400.000 junge Ugander kommen jährlich auf den Arbeitsmarkt und konkurrieren um lediglich etwa 52.000 verfügbare formale Arbeitsplätze, steht in der Studie. Es sei hohes Beschäftigungswachstum notwendig, um die steigenden sozialen Herausforderungen zu bewältigen.
2050 wird laut Schätzungen auf dem Kontinent ein Viertel der weltweit arbeitenden Bevölkerung leben. Es gebe ein großes Defizit an guten Stellen, die meisten Menschen arbeiteten informell. Trends wie Urbanisierung, die Klimakrise, Digitalisierung und Bevölkerungswachstum, aber auch die Folgen der COVID-19-Pandemie verschärften die Beschäftigungskrise und verstärkten die existierende Ungleichheit.
Besonders junge Frauen unterbeschäftigt
"Selbst ein Prozent Wachstum des Bruttosozialproduktes schafft nur 0,4 Prozent mehr Arbeitsplätze. Dieses ist eine sehr kleine Spanne", sagt Kappel im DW-Interview. Auch wenn man über zehn Jahre ein sehr hohes Wachstum von fünf bis acht Prozent hätte, ließen sich die Arbeitsmarktprobleme nicht beseitigen, fügt Kappel an.
Die Zahl der Jobsuchenden werde weiter anwachsen, und viele Menschen werden keinen Job außerhalb des informellen Sektors bekommen, in den Verwaltungen, in den ausländischen Unternehmen. Sondern müssen in der informellen Ökonomie ihr Überleben sichern, sagt Kappel. Besonders junge Frauen seien unterbeschäftigt.
Zum Beispiel in Äthiopien, dort liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 25 Prozent, sagt Dawid M. Dame, Mitarbeiter der staatlichen Kommission zur Beschaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen. "Wir stehen vor einem Dilemma: Der öffentliche Sektor hat lange Zeit einen Großteil der Beschäftigungslast getragen und den privaten Sektor verdrängt. Wir müssen den privaten Sektor einbeziehen", sagt Dame zur DW.
Schnellerer Strukturwandel notwendig
Über die Kommission fand Diana Tekelab in Addis Abeba mit Hilfe von Kleinkrediten einen Einstieg in den Markt. Sie studiert Architektur, und hat sich parallel bereits mit Innenausstattungen selbstständig gemacht. Die Arbeitssuche nach dem Studium sei schwierig, sagt sie. "Es ist besser, einen Arbeitsplatz zu schaffen. Unternehmerin zu sein, seine eigene Chefin zu sein, sich selbst zu befähigen, zu helfen und das Leben seiner Familie zu verändern", sagt Tekelab im DW-Interview.
Der Wirtschaftsexperte Kappel fordert für Afrika ein Umdenken von afrikanischen Regierungen und deren internationalen Partnern, unter stärkerer Beteiligung von Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und einer besseren Einbindung kleinerer und mittlerer Unternehmen. "Wir brauchen einen nachhaltigeren und schnelleren Wandel, geprägt von mehr verarbeitender Industrie."
In einigen Ländern ist laut Studie die Mehrheit der Bevölkerung - in Mali sind es 71 Prozent, auch in der Elfenbeinküste, Sambia und Madagaskar liegt der Wert über 60 Prozent - im informellen Sektor tätig. "Wie können sie gefördert werden, dass sie eine Perspektive haben?", fragt Kappel.
Dringender Reformbedarf
Er rät, nicht zu hohe Hoffnungen auf ausländische Direktinvestitionen zu setzen: "Ausländische Unternehmen sind besonders intensiv, wenn es um Kapital, Energie und Technologie in den Rohstoffsektoren und der Industrie geht, aber nicht beschäftigungsintensiv." Nur ein Prozent der Arbeitsplätze entstehe durch ausländische Direktinvestitionen, sie seien vielmehr nötig, um einen Produktivitätsschub herbeizuführen. Es bestehe dringender Reformbedarf, fordert Kappel. Ausländische Investoren müssten sich enger mit lokalen Unternehmen verbinden.
Zentral in der Entwicklung der Länder sei die Landwirtschaft - sie sei zu unproduktiv, aber dort arbeite die Mehrheit der Bevölkerung, in vielen Ländern die Hälfte aller Beschäftigten. "Die meisten von ihnen sind arm. Auf dem Land ist auch das Bevölkerungswachstum am größten, sodass sich ein unbegrenztes Arbeitskräftepotenzial herausgebildet hat", fügt Kappel hinzu. Es drückt die Löhne, und viele Menschen bleiben ohne Job.
Die Förderung von Wertschöpfungsketten zwischen Kleinbauern und Agrarunternehmen könnte mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze auf den Farmen und dem Land schaffen.
Der Anteil der weiblichen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft übersteigt den der männlichen Arbeitnehmer. Frauen verfügen jedoch über geringeren Landbesitz, haben schlechteren Zugang zu Krediten, zu Technologien und Produktionsmitteln. Das schränkt ihre Produktivität ein, wesentlich mehr Frauen leben in Armut.
Laut der Studie könnten die Chancen für alle Unternehmen und Arbeitskräfte verbessert werden durch verlässlichen Zugang zu Strom und Wasser sowie bessere bezahlbare und öffentliche Verkehrssysteme, welche die Verbindungen zwischen städtischen Zentren und den kleinen und mittleren Städten sowie die Anbindung zum Land deutlich verbessern. Das würde auch die Landwirte mit ihren städtischen Absatzmärkten verbinden.