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Afrika im Würgegriff der EU?

26. November 2010

Seit 2002 verhandelt die Europäische Union mit afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten über ein Freihandelsabkommen - weitgehend erfolglos. Schuld daran sei die EU, behaupten Nichtregierungsorganisationen.

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Afrika-Landkarte mit Europa-Sternen (Grafik: DW)
Bild: Montage DW / AP

"Afrika ist in Bewegung", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem EU-Afrika-Gipfel in Lissabon im Herbst 2007. Drei Jahre sind seitdem vergangen, und aus Sicht mehrerer deutscher Nichtregierungsorganisationen herrscht in Afrika eher Stillstand, jedenfalls im wirtschaftlichen Verhältnis zur Europäischen Union. Das könnte sich nach dem Gipfel am 29. und 30. November in Tripolis ändern. Rund 80 Staats- und Regierungschefs oder Außenminister sind dabei, darunter auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle.

Oxfam Deutschland, der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und das katholische Hilfswerk Misereor sind allerdings skeptisch, dass in der Hauptstadt Libyens ein Durchbruch gelingen wird. Von dem Ziel, mit Hilfe sogenannter Economic Partnership Agreements (EPA) afrikanische, aber auch karibische und pazifische Länder (AKP-Staaten) besser in den Welthandel zu integrieren, ist man nach Einschätzung der Nichtregierungsorganisationen noch sehr weit entfernt. Deshalb warnen sie die EU davor, die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen scheitern zu lassen.

Forderungen an den Gipfel in Tripolis

Dass es seit 2002 nicht gelungen ist, ein Freihandelsabkommen mit allen AKP-Staaten abzuschließen, liege an der EU, die Afrika in den "Würgegriff" genommen habe, wie es die Nichtregierungsorganisationen in einem Positionspapier zum Gipfel in Tripolis formulieren. So verlange die EU von den afrikanischen Staaten, mindestens 80 Prozent aller Zölle auf die Einfuhr von Waren abzuschaffen und gleichzeitig verlange sie die Einschränkung von Ausfuhr-Zöllen auf Rohstoffe, kritisieren Oxfam, der EED und Misereor.

Abgesehen davon dränge die EU auf den freien Handel von Dienstleistungen. Solche wiederum könnten die meisten afrikanischen Länder gar nicht erst exportieren, weil es sie auf ihrem Kontinent kaum gebe. David Hachfeld, Handelspolitik-Referent bei Oxfam, befürchtet, dass die EU bewusst einen Keil zwischen die afrikanischen Staaten treiben könnte, indem sie bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Ländern abschließt. "Das wäre aus meiner Sicht verheerend", sagt Hachfeld. "Und ich hoffe, dass die afrikanischen Länder sich nicht spalten lassen."

Messlatte sind die Millenniumsziele

Der Kameruner Offah Obale ist optimistischer als Oxfam-Experte Hachfeld. Das Handelsproblem zwischen der EU und Afrika müsse auf höchster politischer Ebene gelöst werden und dafür biete der Gipfel in Tripolis mit erwarteten 80 Staats- und Regierungschefs gute Voraussetzungen, meint Obale, der unter anderem als Berater für die Afrikanische Union tätig ist. Sein Büro hat er in Genf, wo auch die Welthandelsorganisation (WTO) ansässig ist.

Angela Merkel (Foto: dpa)
Afrika im Blick: Angela MerkelBild: picture-alliance/ dpa

Man könne nicht über die Reduzierung der Armut und der Kindersterblichkeit reden, über mehr Kinder, die zur Schule gehen sollen, ohne über die entscheidenden Instrumente zu reden, um diese Ziele zu verwirklichen, verlangt Obale ein klares Bekenntnis zu dem Millenniumszielen, die bis 2015 erreicht werden sollen. Anderenfalls wären die afrikanischen und europäischen Eliten "scheinheilig", sagt Obale. Deshalb komme es beim EU-Afrika-Gipfel Ende des Monats in Tripolis darauf an, ernsthaft über freien Handel zu diskutieren und Ergebnisse auf der Basis des Wirtschaftspartnerschafts-Abkommens zu erzielen.

Vor einer neuen Form des Kolonialismus warnt der Senegalese Ndiaga Mboub, der sein Land bei der WTO in Genf berät. Die Handelspolitik der EU gegenüber Afrika sei geeignet, die Armut auf dem Kontinent noch zu erhöhen.

Das Problem sei, dass sich Afrika nicht allein durch den Export von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten nach Europa entwickeln könne. Kein einziges Land werde Fortschritte machen, wenn es keine eigene Industrie aufbauen kann, befürchtet Mboub. "Dann bleibt es dabei, dass Afrika Rohstoffe liefert, die in europäischen Fabriken, zum Beispiel in der Öl-Industrie, weiterverarbeitet werden", prophezeit der Senegalese.

"Wieso soll sich Afrika an die EU klammern?"

David Hachfeld von Oxfam wundert sich zunehmend über die Strategie der Europäischen Union gegenüber Afrika, denn andere seien auf dem besten Weg, ihr den Rang abzulaufen. "Wieso sollten sich afrikanische Länder so an die Europäische Union klammern, wenn die Wachstumsraten im Handel mit Indien, mit China, mit Brasilien dreimal so hoch sind wie mit der EU?", fragt Hachfeld.

Zugespitzt formuliert meint der Oxfam-Experte damit, Afrika könnte langfristig auf den Handel mit der Europäische Union verzichten. Im Moment allerdings plagen afrikanische Staaten ganz andere Sorgen, wenn sie an ihre Handelsbeziehungen zur EU denken. Mit Hilfe massiver Agrar-Subventionen exportiere diese weiterhin auf Kosten afrikanischer Bauern, kritisieren die deutschen Entwicklungsorganisationen. Ein Beispiel sei der europäische Milch-Export, der zwischen 2005 und 2008 um mehr als 40 Prozent gestiegen sei.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Christine Harjes/ Klaudia Pape