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Afrika vor einer neuen Schuldenkrise

Johannes Beck
17. März 2017

Mit Mosambik ist bereits das erste große afrikanische Land zahlungsunfähig. Andere Staaten haben sich stark verschuldet. Zehn Jahre nach dem letzten großen Schuldenerlass droht in Afrika erneut eine Krise.

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Mosambik - Metical
Bild: DW/M. Sampaio

Vom 17. bis 18. März treffen sich in Baden-Baden die Finanzminister und Notenbankchefs der G-20, der Gruppe der 20 einflussreichsten Industrie- und Schwellenländer. Für die deutsche Nichtregierungsorganisation Erlassjahr.de Gelegenheit, auf die steigende Verschuldung zahlreicher Entwicklungsländer hinzuweisen. Die Organisation sieht in 40 afrikanischen Ländern Anzeichen für eine Überschuldung.

"Das ist nicht überraschend, da die derzeitigen wirtschaftlichen Konstellationen sehr viel Ähnlichkeit haben mit der Situation, die in den späten 70er und frühen 80er-Jahren zur Schuldenkrise der Dritten Welt geführt hat", sagt Jürgen Kaiser, politischer Koordinator von Erlassjahr.de. Auf der einen Seite würden in den reichen, industrialisierten Ländern nur noch extrem niedrige Zinsen gezahlt werden, auf der anderen Seite sei die Anlage in Afrika mit sieben bis 15 Prozent Zinsen sehr attraktiv. Das sorge für große Kapitalflüsse von Nord nach Süd.

Sinkende Rohstoffpreise als Schuldenfalle

"Das führt dazu, dass Länder auf der einen Seite in großem Stil Kredite aufnehmen und auf der anderen Seite dann Probleme haben, wenn es an das Rückzahlen geht", warnt Kaiser. Besonders schlimm sei, wenn Rohstoffpreise fallen und damit die Steuer-Einnahmen in Volkswirtschaften einbrechen, die vom Export von Öl, Gas, Kohle oder anderen Rohstoffen abhängig sind.

Die Schuldenkrise mag manchen Beobachter überraschen, da seit 1996 zahlreiche Entwicklungsländer im Rahmen der sogenannten HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries) der größte Teil ihrer Schulden erlassen wurde. Doch wer gedacht hatte, dass mit der Initiative von Weltbank, Internationalen Währungsfonds und der damaligen G-8-Gruppe der wichtigsten Industrieländer darunter Deutschland das Schuldenproblem aus der Welt sei, hat sich getäuscht.

Mosambik trotz Entschuldung wieder pleite

Wie wenig nachhaltig die HIPC-Initiative war, zeigen die Zahlen von Erlassjahr.de: Unter den 40 Staaten Afrikas mit Überschuldungs-Indikatoren sind 26 Länder, die den HIPC-Entschuldungsprozess komplett durchlaufen haben.

Infografik Schulden Mosambiks deutsch

Eines dieser Länder ist Mosambik. Im Januar hat der südafrikanische Staat aufgehört, seine Schulden fristgerecht zurückzuzahlen. Seit 2012 sind dort die Verbindlichkeiten von 40% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf aktuell über 130% explodiert. Banken und Investmentfonds liehen Mosambik gerne Geld, da sie angesichts der großen Funde von Kohle und Gas offensichtlich wenig Angst hatten, die Kredite nicht zurück zu bekommen. Doch nun stehen sie mit leeren Händen da.

Schuldenexplosion in Angola, Ghana, Kenia und Südafrika

"Mosambik ist schon ein sehr dramatischer Fall: Es ist das erste Land, das in bedeutsamem Stil nach der HIPC-Entschuldung Zahlungen einstellen musste", sagt Jürgen Kaiser. "In einer sehr kritischen Situation sind aber auch Länder wie Sambia oder Ghana, die ebenfalls in die Kategorie der rohstoffreichen Länder fallen. Aber auch der Senegal, ein nicht so rohstoffreiches Land, ist wieder in Schwierigkeiten", nennt Kaiser weitere Krisenstaaten.

Wenn man die Daten der Weltbank zur Auslandsverschuldung analysiert, fällt schnell auf, dass zahlreiche afrikanische Volkswirtschaften dramatisch neue Schulden aufgehäuft haben. Von 2005 bis 2015 - das letzte derzeit aktuell verfügbare Jahr - haben beispielsweise Angola, Ghana, Kenia und Südafrika ihre ausstehenden Kredite in absoluten Zahlen verdreifacht. Auch kleine Länder wie die Kapverden haben sich in dieser Zeit viel frisches Kapital ausgeliehen.

Internationales Insolvenzverfahren als Lösung?

Armes, korruptes Südafrika

Doch wird ein Staat wie Mosambik zahlungsunfähig, gibt es derzeit kein international gültiges Entschuldungsverfahren. Solche Mechanismen existieren für überschuldete Firmen und in vielen Ländern auch für Privatpersonen. Doch alle Vorschläge für ein Insolvenzverfahren von Staaten wurden bisher von einer Lobby um Banken und Länder wie den USA und Deutschland blockiert. So lehnten die USA beispielsweise 2001 eine Initiative der stellvertretenden IWF-Geschäftsführerin Anne Krueger ab. Ebenso wenig wurde bisher ein Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2014 umgesetzt. Deutschland gehörte zu den 11 Staaten, die dagegen gestimmt hatten.

"Das wäre eindeutig das Instrument, das uns jetzt weiterhelfen könnte", sagt Jürgen Kaiser angesichts der drohenden Schuldenkrise in Afrika. "Ein Insolvenzverfahren würde bedeuten, dass nicht mehr die Gläubiger darüber entscheiden würden, ob es Schuldenerlasse gibt oder nicht. Das hat in der Vergangenheit immer dazu geführt, dass Schuldenerleichterungen, wenn überhaupt dann zu spät und in zu geringem Ausmaße gewährt wurden."

Am Wochenende dürfte das Thema noch nicht auf der Tagungsordnung der Finanzminister und Notenbankchefs der G-20 stehen. Sollten nach Mosambik aber weitere Entwicklungsländer pleite gehen, kann es gut sein, dass sich die G-20 bald wieder intensiv mit dem Thema der Schulden beschäftigen müssen.