"Afrikanische Künstler haben eine Verantwortung"
29. Mai 2016Ob Tiken Jah Fakoly, Reggae-Star aus der Elfenbeinküste, Nneka, deutsch-nigerianische Soul- und Hip-Hop-Sängerin, oder Hugh Masekela, Jazzlegende aus Südafrika – große Namen der afrikanischen Musik haben in der 28. Ausgabe des Africa Festivals nicht gefehlt. Viele Künstler kommen immer wieder gern nach Würzburg, denn vor mehr als fünf, zehn oder sogar zwanzig Jahren hatten sie dort ihren ersten großen Auftritt in Europa.
Für die Besucher bietet das Africa Festival die Gelegenheit, neben großen Stars auch Musiker kennenzulernen, die in Europa noch wenig bekannt sind: Mit einem Konzert am Donnerstagnachmittag eröffnete in diesem Jahr Olivier Tshimanga das viertägige Festival. Der junge Musiker gilt in seinem Land, der demokratischen Republik Kongo, als einer der besten Gitarristen der neuen Generation.
"Tshimangologie" – mehr als nur Musik
Tshimanga, der durch seine Zusammenarbeit mit dem kongolesischen Star Papa Wemba bekannt wurde, will die Musik seines Landes erneuern und ihren Horizont erweitern. Dafür mischt er die traditionelle kongolesische Rumba "mit Flamenco, Blues, Pop und ein bisschen Django Rheinhardt", so der Sänger und Gitarrist. "Tshimangologie" nennt er das dann – ein Stil, der auch schon andere Musiker des Kongo inspiriert hat. Doch der Begriff geht noch weiter, erklärt er: "Tshimangologie ist eine Vision, ein Konzept, eine andere Art, die Gitarre zu betrachten". So organisierte Olivier Tshimanga 2014 in Kinshasa, der Hauptstadt der DR Kongo, ein Konzert mit 60 Gitarristen.
"Am Anfang dachten alle, ich wäre verrückt", erinnert er sich. "Die Sponsoren hatten wenig Vertrauen, es war ihnen völlig neu." Doch das Projekt, genannt "Symphonie Tshimangologie", wurde zum großen Erfolg – und es trug dazu bei, viele jüngere Gitarristen weiter auszubilden und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen. "Erfahrenere Musiker wie Papa Wemba, Manu Dibango und Lokua Kanza haben mir damals eine Chance gegeben und mich weitergebracht", erzählt er. Nun wolle er auch sein Wissen weitergeben und andere fördern – denn es gebe "viele talentierte Gitarristen im Kongo".
#JeSuisBeni – Aufruf zur Solidarität
Seine "Tshimangologie"-Philosophie bedeutet für den Musiker auch soziales Engagement. Olivier Tshimanga hat schon mehrere Benefizkonzerte für Straßenkinder gegeben und ist Pate eines Waisenhauses in Kinshasa. Während seiner Konzerte und auf sozialen Medien verbreitet er Solidaritäts-Botschaften mit der Bevölkerung der Stadt Beni, im Osten der DR Kongo. Dort hatte es Anfang Mai 2016 erneut schwere Massaker gegeben. Weit über 1000 Menschen wurden zwischen Oktober 2014 und Mai 2016 in den Regionen um Beni und Lubero von verschiedenen bewaffneten Gruppen ermordet. "Wir afrikanischen Künstler haben eine gewisse Verantwortung gegenüber unserem Kontinent", so Tshimanga. Musiker seien nicht nur dazu da, das Publikum zu unterhalten – sie sollten auch auf Probleme aufmerksam machen.
Sein Lied "Stop au viol" ist zum Beispiel den Opfern von Vergewaltigung im Kongo gewidmet. "Auf diese Weise möchte ich die Frauen trösten, ihnen ihre Würde zurückgeben und meine Brüder im Kongo dazu aufzurufen, zu versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden, damit diese Gräueltaten ein Ende finden." Olivier Tshimanga hat gerade sein erstes Solo-Album herausgebracht: "Tambula Malembe". Das bedeutet "Geh langsam" und ist ein Appell an die Jugend, geduldig zu bleiben und – wie auch er mit seiner Musik – viel Arbeit in die Zukunft zu investieren, um irgendwann am Ziel anzukommen.