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Afrikaner: Schwierige Flucht aus der Ukraine

Chrispin Mwakideu
2. März 2022

Mehr als 15.000 Afrikanerinnen und Afrikaner studierten vor der russischen Invasion in der Ukraine. Viele von ihnen versuchen, das Land zu verlassen. Dabei würden sie durch Diskriminierung behindert, berichten einige.

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Ukraine-Krieg | Flüchtlinge aus Afrika und Asien
Auch Flüchtlinge aus Afrika, Asien und dem Mittleren Osten verlassen die umkämpfte UkraineBild: WOJTEK RADWANSKI/AFP/Getty Images

Joseph, Eric und Francis haben es geschafft: Wie zehntausende andere Menschen ist es ihnen gelungen, aus der Ukraine nach Polen zu fliehen. Wegen ihrer Hautfarbe sei es für sie besonders schwierig gewesen, berichteten sie einem DW-Korrespondenten in der polnischen Grenzstadt Korczowa. "Es gibt dort viel Diskriminierung", sagte der Informatikstudent Joseph zur DW. "Wir mussten Leute anbetteln, uns zur Grenze zu bringen, damit wir fliehen konnten."

Diskriminierung an der Grenze?

Mit dieser Erfahrung sind sie nicht allein. Auch andere Afrikanerinnen und Afrikaner, die nach der russischen Invasion aus der Ukraine geflohen sind, berichteten von ähnlichen Problemen. Wegen ihrer Hautfarbe hatten sie nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, Busse oder Züge zur Grenzen zu bekommen.

Menschen warten am Bahnhof von Lwiw
Viele Menschen wollen per Zug nach Polen gelangenBild: Yuriy Dyachyshyn/AFP/Getty Images

Viele Flüchtlinge erreichen die Grenzübergänge zu Fuß, oft nach langen Fußmärschen bei winterlichen Temperaturen. Einige erzählen, dass die ukrainischen Grenzbeamten ihre Landsleute bevorzugt behandelten und andere, etwa Menschen aus afrikanischen Ländern, ans Ende der oft kilometerlangen Warteschlangen schickten.

Das hat auch Kouadio Simeon erlebt. Der Student aus der Elfenbeinküste hat erst vor kurzem in Charkiw seinen Abschluss gemacht - die Stadt im Nordosten des Landes ist besonders stark von russischen Angriffen betroffen. Simeon floh mit Freunden mehr als 1000 Kilometer bis in die Stadt Lwiw im Osten der Ukraine. Dort hätten sie einen Bus bekommen, der sie aber nur gut ein Dutzend Kilometer aus der Stadt herausfuhr. "Dann sind wir mehr als 65 Kilometer bei sehr kalten Temperaturen gelaufen", berichtete er.

"Schwierige Situation an der Grenze"

Als sie an der Grenze ankamen, hätten ihnen ukrainische Beamte den Weg nach Polen versperrt. "Die Situation dort ist sehr schwierig", sagte Simeon der DW. "Ausländer dürfen die Grenze nicht überqueren. Also werden wir hier in der Kälte bleiben." In der Gegend um Lwiw lag die Höchsttemperatur an diesem Tag bei zwei Grad Celsius.

Ukraine-Krieg | Flüchtlinge aus Afrika und Asien
Flüchtlinge aus der Ukraine müssen in der Kälte an der Grenze ausharrenBild: WOJTEK RADWANSKI/AFP/Getty Images

Der Sprecher des südafrikanischen Außenministeriums, Clayson Monyela, twitterte ebenfalls, dass Studenten aus seinem Land Probleme hätten, über die Grenze zu gelangen und "schlecht behandelt" würden.

Allgemeines Chaos

Serge Nyangi, der kongolesischen Studierenden hilft, Stipendien für ein Studium in der Ukraine zu erhalten, hält die Rassismusvorwürfe für übertrieben. "Es gibt Menschen, die versuchen, über die Barrieren zu klettern, und einige kämpfen mit den Grenzbeamten. Wenn Sie sehen würden, was dort passiert, wüssten Sie, dass es für die Wachen unmöglich ist, auszuwählen, wen sie durchlassen", sagte er in einem Telefoninterview mit der DW aus der Ukraine.

Der angolanische Student Manuel Assuncao glaubt, ein Teil des Problems sei das allgemeine Chaos innerhalb des Landes, da so viele Menschen auf der Flucht seien: "Wir haben Panzer vorbeifahren und Bomben fallen sehen. Es ist normal, dass die Menschen angespannt sind. Ukrainer haben Ukrainer passieren lassen, weil es Verwirrung gab", sagte er der DW.

Ukraine-Krieg | Flüchtlinge aus Afrika und Asien
Eine geflüchtete Afrikanerin sucht in einem Flüchtlingslager nach KleidungBild: WOJTEK RADWANSKI/AFP

Der Einmarsch Russlands hat die größte Vertreibung von Menschen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs ausgelöst. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind inzwischen bereits mehr als 800.000 Menschen auf der Flucht.

Glücklich, in Polen zu sein

Andere afrikanische Studenten haben die Grenze trotz langer Wartezeiten ohne Probleme passiert. Die 19-jährige nigerianische Medizinstudentin Sarah Ajifa Idachaba berichtete der DW, dass sie und ihre ältere Schwester, die ebenfalls in der Ukraine Medizin studierte, aus der Hauptstadt Kiew geflohen und sicher in Polen angekommen seien.

"Während der Reise war alles in Ordnung, bis wir zur ukrainischen Grenze kamen. Es gab eine lange Warteschlange, und wir verbrachten einen ganzen Tag an der Grenze", sagte Idachaba. "Wir hatten Befürchtungen und Erwartungen. Denn andere hatten uns erzählt, dass sie streng kontrolliert wurden und nicht passieren durften."

Nachdem sie aus dem Bus ausgestiegen und die Passkontrolle absolviert hatten, durften sie jedoch zur polnischen Grenze weitergehen, so Idachaba. Als Russlandam 24. Februar in die Ukraine einmarschierte seien sie und ihre Schwester in Panik  geraten, weil sie nicht gewusst hätten, wie sie das Land verlassen und nach Hause gelangen sollten.

Ukraine l Medizinstudent Kamal Umar Labavan in Donezk (Archiv)
Vor dem Krieg war die Ukraine ein beliebtes Ziel für afrikanische StudierendeBild: Eric Feferberg/AFP

Fast ein Viertel der mehr als 75.000 Ausländer, die in der Ukraine studieren, sind Afrikaner - die meisten von ihnen stammen aus Marokko, Ägypten, Nigeria und Ghana. Die qualitativ guten technischen und medizinischen Fakultäten des Landes und die relativ niedrigen Gebühren machen das Studium in der Ukraine attraktiv.

EU: Alle Flüchtlinge aus der Ukraine willkommen

Ukrainer können ohne Visum in die EU gelangen. Bürger afrikanischer Staaten benötigen dagegen normalerweise ein Schengen-Visum, um in die an die Ukraine angrenzenden EU-Mitgliedstaaten Polen, Rumänien und Ungarn einzureisen.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson stellte jedoch klar: Die Grenzen seien auch für Menschen aus Drittländern offen, die in der Ukraine lebten und in ihre Heimatländer weiterreisen wollten. "Diesen Menschen muss geholfen werden", sagte Johansson. "Außerdem können diejenigen, die in der EU Schutz brauchen, auch Asyl beantragen." Die polnische Regierung erklärte per Twitter, dass sie alle Flüchtlinge aufnehmen werde, die aus der Ukraine fliehen, unabhängig von ihrer Nationalität.

Idachaba und ihre Schwester hoffen, dass sie bald nach Nigeria weiterreisen können. Die nigerianische Regierung habe jedoch bisher nur wenig Hilfe geleistet. "Wir kommen selbst für unsere Rechnungen und unsere Unterkunft auf, weil die von der nigerianischen Botschaft [in Berlin] getroffenen Vorkehrungen nicht tragbar waren", sagte sie. "Zum Glück konnten wir eine bezahlbare Unterkunft finden. Wir warten jetzt auf unsere Flüge nach Nigeria."

Mitarbeit: Max Zander (Korczowa, Polen), Amós Fernando, Etienne Gatanazi and Cai Nebe

Aus dem Englischen adaptiert von Martina Schwikowski