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Afrikas "Eiserne Lady"

12. November 2005

Die Wirtschaftsexpertin Ellen Johnson-Sirleaf hat sich zur Gewinnerin der Präsidentschaftswahl in Liberia erklärt und wäre damit die erste gewählte Präsidentin eines afrikanischen Staates. Ein Porträt.

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Ellen Johnson-SirleafBild: AP


Wer immer in Liberia eine der vielen Telefonnummern der United Party wählte, hatte bisher gute Chancen, Ellen Johnson-Sirleaf persönlich an den Apparat zu bekommen. Daran will die 66-Jährige auch als Präsidentin des westafrikanischen Landes festhalten: "Meine Aufgabe wird es vor allem sein, endlich mit dem Imperialismus in unserem Land aufzuräumen. Da ist es doch das Mindeste, dass ich meine Anrufe selbst entgegennehme", erklärte sie resolut.

George Weah - Liberia Wahlkampf
Präsidentschaftskandidat in AktionBild: dpa

Nach Angaben der Wahlbehörde führt nach Auszählung der Stimmen in der Stichwahl mit gut 59 Prozent gegen Ex-Fußballstar George Weah. Er, der früher bei den europäischen Spitzenclubs Olympique Marseille, AC Mailand und Chelsea London spielte, warf seiner Konkurrentin vor, sie habe zusätzliche Stimmzettel in die Wahlurnen stecken lassen. Johnson-Sirleaf hatte schon mehrfach vergeblich für dieses Amt kandidiert. Unabhängige Beobachter der Vereinten Nationen haben die Wahl als fair anerkannt, aber die Wahlkommission will die Betrugsvorwürfe aber prüfen.

Elite-Frau?

Wahlkampf in Liberia - Plakatwand
Wahlkampf in LiberiaBild: dpa - Report

Ellen Johnson-Sirleaf, gilt als "Eiserne Lady", sie ist integer und willensstark, mit dominantem Führungsstil. Ihre Vorfahren waren Sklaven in Nordamerika. Sie heiratete mit 17, brachte vier Söhne zur Welt und wurde mit Anfang 40 Finanzministerin. Damals war William Tolbert an der Macht, ein Vertreter der verhassten ursprünglich aus den USA stammenden liberianischen Elite - Nachfahren der freigelassenen Sklaven, die Liberia im 19. Jahrhundert gründeten und sich den Einheimischen gegenüber wie Kolonialherren benahmen. Vorwürfe, dass sie auch zu dieser Schicht zähle, wies Johnson-Sirleaf immer von sich.

Hartnäckig und zäh

Flüchtlinge in Liberia
Einheimische auf der FluchtBild: AP

Rund drei Jahrzehnte lang diente Johnson-Sirleaf in Liberias verschiedenen Regierungen, um sie kurz darauf zu bekämpfen. Ihre öffentliche Gegnerschaft zu Ex-Diktator Samuel K. Doe (1980-1989) brachte ihr zweimal Haftstrafen wegen Verrats ein. Während der Militärherrschaft von Samuel Doe ging sie in die USA ins Exil und studierte in Harvard Finanzwissenschaften. Dies war Grundlage für gute Posten in der Weltbank und bei den Vereinten Nationen. Unterdessen tobte in ihrer Heimat der Bürgerkrieg. Milizenchef Charles Taylor hatte Doe gestürzt und zu Tode foltern lassen. 1996 ließ er sich auf die Bildung einer Übergangsregierung ein, an dessen Spitze eine Frau stand: Ruth Perry, die erste afrikanische Präsidentin, jedoch nicht in ihr Amt gewählt worden war. Auch Johnson-Sirleaf ist keineswegs unumstritten.

Liberia Karte
Bild: DW

Kritiker fürchten, dass Johnson-Sirleaf als Präsidentin zu einsamen Entscheidungen neigen wird, ungeachtet, ob es um innenpolitische, regionale oder internationale Fragen geht. "Sie erinnert mich an Hillary Clinton: Ihre Anhänger bewundern sie, bei ihren Gegnern löst sie tiefen Hass Aus", sagt ein ranghoher westafrikanischer Politiker, der nicht genannt werden will. Selbst gibt sich die Großmutter und Witwe versöhnlich: Ihrem Gegner Weah verspricht sie eine "wichtige Rolle" in ihrer Regierung, möglicherweise das Ministerium für Jugend und Sport. Weah hat nur eine geringe Schulbildung und kaum politische Erfahrungen. Seinen jugendlichen Anhängern - in der Mehrheit ehemalige Kindersoldaten - verspricht die Präsidentin eine Zukunft in der Zivilgesellschaft des Liberias.

Sich selbst zerstört

Kindersoldaten beim Straßenfußball
Kindersoldaten beim StraßenfußballBild: AP

Liberia ist die älteste unabhängige Republik Afrikas, sie wurde 1847 von einstigen amerikanischen Sklaven gegründet. Nach einem Putsch 1980 stürzte das Land in einen Bürgerkrieg und steht heute vor schier unlösbaren Problemen: Die Infrastruktur des kleinen Staats an der Atlantikküste ist fast völlig zerstört; selbst in Monrovia gibt es keinen Strom und kein Wasser. Der gegenwärtige Staatshaushalt beläuft sich gerade mal auf 80 Millionen Dollar - viel zu wenig Geld selbst für die nötigsten Ausgaben. Die Korruption grassiert. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 80 Prozent, die Analphabetenrate bei 70 Prozent. Das Schicksal von zehntausenden schlecht ausgebildeten und traumatisierten Ex-Kindersoldaten interessierte bislang niemanden. (arn)