Afrikas Schuldenkrise 2.0
25. Oktober 2018Eigentlich steht Ghana im Ausland für positive Schlagzeilen. Ghana, das heißt friedliche Regierungswechsel, eine funktionierende Demokratie und eine Regierung, die von der Entwicklungshilfe weg will. Doch vom Ausland ist Ghana trotzdem gerade ziemlich abhängig, denn das vermeintlichen Musterland steckt in großen Schwierigkeiten. Ende 2017 betrug die Staatsverschuldung fast 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält bei Entwicklungsländern 40 Prozent für vertretbar.
Doch IWF und Weltbank macht vor allem Sorgen, dass Ghana für einen gefährlichen Trend in Afrika steht. "Es sieht im Moment nicht gut aus", sagt der deutsche Exekutivdirektor bei der Weltbank, Jürgen Zattler, zur DW. "Nach der Entschuldung und der doch sehr positiven wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten 15 Jahren ist die Verschuldung in den letzten Jahren wieder angestiegen."
Und das drastisch. Laut der britischen Entwicklungsorganisation Jubilee Debt Campaign ist Afrikas Auslandsverschuldung letztes Jahr auf den höchsten Stand seit 2001 gestiegen. 18 Länder stecken nach Weltbank-Angaben in einer akuten Schuldenkrise oder stehen kurz davor. Es ist das Ergebnis einer gefährlichen Mischung: Afrikas Regierungen brauchen Geld und können es einfacher bekommen denn je.
Schulden für Straßen, Schienen und Häfen
"Fallende oder schwankende Rohstoffpreise haben dazu geführt, dass viele Länder große Einnahmeverluste hinnehmen mussten. Das führte zu Löchern in den Haushalten, die viele Regierungen durch Kredite ausgeglichen haben", sagt Tirivangani Mutazu, Analyst beim afrikanischen Schuldennetzwerk AFRODAD.
Der andere Grund: Afrika braucht dringend Straßen, Schienen oder Häfen. Ohne Infrastruktur keine Entwicklung - und nicht genug Jobs für die Millionen junger Afrikaner. Doch für den Ausbau der Infrastruktur fehlen laut dem Südafrikanischen Institut für Internationale Beziehungen pro Jahr rund 93 Milliarden US-Dollar. Auch deswegen machen viele Regierungen Schulden. Beispiel Kenia: Letztes Jahr ging die neue Bahnstrecke zwischen der Hafenstadt Mombasa und der Hauptstadt Nairobi in Betrieb. Kosten des größten Verkehrsprojekts seit der Unabhängigkeit: Fast vier Milliarden US-Dollar, durch chinesische Kredite finanziert.
Die Lust am billigen Geld
Geld konnten viele Länder in den letzten Jahren problemlos auftreiben. Neben klassischen Gebern wie westlichen Regierungen oder dem IWF sind neue Möglichkeiten aufgetaucht. Privatinvestoren suchen in Zeiten historischer Niedrigzinsen in Europa händeringend nach Anlagemöglichkeiten. Dabei entdeckten sie auch afrikanische Staaten. "Einige Länder haben sich positiv entwickelt und konnten sich an den Kapitalmärkten verschulden. Sie haben Kredite aufgenommen, zum Teil mit sehr viel höheren Zinssätzen versehen", sagt der deutsche Weltbank-Vertreter Zattler. Auch China spielt eine Rolle: 14 Prozent aller afrikanischen Auslandsschulden gehen auf China zurück, das sich mit billigen Krediten Einfluss und den Zugang zu Afrikas Bodenschätzen sichert.
Das alles machen es deutlich schwieriger, in der aktuellen Krise gegenzusteuern. "Früher hatte man faktisch nur die sogenannten 'Pariser-Club-Gläubiger' am Tisch versammelt", sagt Zattler. Die Runde verhandelt Schuldenerlasse für Staaten, die bei ihren Mitgliedern in der Kreide stehen. "Das ist nicht mehr gegeben, weil weder die privaten Kreditgeber, noch die neuen staatlichen Gläubiger wie China oder Saudi-Arabien mit an diesem Tisch sitzen."
Der IWF ist zurück in Afrika
In der aktuellen Krise sind nun aber eher wieder klassische Geber gefragt - wie der IWF. Auch Ghana gehört zu den Ländern, die Hilfen aus Washington beziehen. Unumstritten sind die nicht: Als Afrikas Schulden in den 90er-Jahren schon einmal Rekordhöhen erreichten, verordneten IWF und Weltbank sogenannte "Strukturanpassungsprogramme". Staatsfirmen wurden im Eiltempo privatisiert, Staatsausgaben zusammengestrichen. Weil auch bei Sozialprogrammen, im Bildungsbereich oder bei der Gesundheit gespart wurde, traf es vor allem die Armen.
Der IWF betont, diesmal anders vorgehen zu wollen. Experten wie Tirivangani Mutazu sind trotzdem besorgt: "Eine Reihe Staaten haben den IWF um Hilfe gebeten. Der IWF wird natürlich Sparmaßnahmen verlangen. Einige dieser Maßnahmen scheinen sich von denen in den 80er- und 90er-Jahren nicht wirklich zu unterscheiden und wer zum IWF geht, scheint ihnen auch nicht entkommen zu können."