Afrikas scheinbare Rückkehr auf die Weltbühne
10. Juni 2005Arme, undemokratische, schwache Staaten sind ein Sicherheitsrisiko für die ganze Welt. Das ist keine neue Erkenntnis. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es eine Reihe solcher Staaten. Doch hat es nach den Terroranschlägen des 11. September eine Weile gedauert, bis die Weltgemeinschaft die sicherheitspolitische Bedeutung Afrikas erkannt hat - und entsprechend handelte.
Sicherheitspolitische Gründe waren auch ausschlaggebend, als die NATO-Verteidigungsminister entschieden, die Afrikanische Union (AU) beim Transport der Friedenssoldaten in die westsudanesische Krisenregion Darfur zu unterstützen. Doch bleibt das Engagement des Verteidigungsbündnisses mehr symbolischer Natur. Man muss es sagen: Es ist ein halbherziges Engagement. Denn die Weltgemeinschaft hängt der Idee nach, dass Afrika seine Probleme schon alleine lösen werde - irgendwie.
Die Hilfe reicht nicht aus
Die Afrikanische Union ist hier überfordert - finanziell und sicher auch politisch. Sie ist auf Unterstützung angewiesen und insofern ist die NATO-Entscheidung zu begrüßen. Schätzungsweise 180.000 Tote und Hunderttausende von Flüchtlingen haben die Auseinandersetzungen zwischen arabischen Milizen und afrikanischen Stämmen in Darfur gefordert. Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot. Die Zahl der Menschen, die auf Hilfe angewiesen ist, ist inzwischen auf 3,5 Millionen angewachsen. Doch damit tatsächlich etwas passiert, braucht es mehr als die 7700 Soldaten der Afrikanischen Union - und weit mehr als die Transportflüge der NATO, von denen noch keiner weiß, wann sie endlich beginnen sollen.
Wenn endlich etwas passieren soll - und muss, um Menschenleben zu retten -, warum scheitern dann deutliche UN-Sanktionen gegen das Regime in Khartum am Veto Chinas oder Russlands? Glauben die afrikanischen Staaten ernsthaft daran, dass ein paar tausend Friedenssoldaten der AU in der Gemengelage aus Gewalt und politischen Intrigen im Sudan wirklich für Frieden sorgen können?
Theatralisches Blendwerk
Das glaubt sicher keiner. Und deshalb zeigt auch die Sudan-Entscheidung der NATO: Afrika ist nur vordergründig auf die Bühne der internationalen Politik bei G-8, NATO und EU zurückgekehrt. Aufgeführt wird auf dieser schlagzeilenträchtigen Bühne des internationalen politischen Theaters jedoch nur ein Stück mit pathetischen Reden, großen Worten und ohne roten Faden. Unterdessen steigt im südlichen Afrika die Zahl der Menschen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen. Zwischen 1990 und 2001 ist diese Zahl um 86 Millionen Menschen auf 313 Millionen Arme angewachsen.
Unübersehbare Sicherheitsrisiken
Die hehren Versprechen gegenüber Afrika entpuppen sich vielfach als bloße Umbuchungen - nicht bloß in finanzieller, sondern vor allem auch in politischer Hinsicht: Afrika taucht immer dann auf der Tagesordnung auf, wenn man vom eigenen Versagen ablenken will. Dafür aber - und das sollte der Süden endlich sehen - ist Afrika sicherheitspolitisch zu wichtig. Nicht nur das Horn von Afrika, wo deutsche Bundeswehrsoldaten im Rahmen der Terrorbekämpfung im Einsatz sind, sondern auch die wachsende Islamisierung in einigen Staaten Nordafrikas, in Ostafrika oder der Sahelzone sind ein unübersehbares Sicherheitsrisiko, das wahrgenommen werden sollte, bevor es zu spät ist.
Die Sicherheitsrisiken, aber auch die wirtschaftlichen Chancen Afrikas als Rohstoff- und Energielieferant werden zurzeit allerdings überwiegend von den USA gesehen, die darauf entsprechend reagieren. Sie steckten immerhin 125 Millionen Dollar in ein Terrorbekämpfungsprogramm für den Maghreb und die Sahelzone. Angesichts solch großer Investitionen und Politikinstrumente ist die Entscheidung der NATO vor allem eines: politische Symbolik.