Evolution im Hier und Jetzt
27. Januar 2015Es war eine wirklich dumme Idee: Um gegen Käfer im Zuckerrohranbau vorzugehen, führte die Zuckerindustrie Mitte der 1930er Jahren südamerikanische Aga-Kröten nach Australien ein. Die bis zu 20 Zentimeter großen Amphibien sollten die Schädlinge verspeisen und die Ernte verbessern.
Niemand weiß bis heute, ob das etwas gebracht hat. Es war auch nicht mehr nötig, erzählt mir Biologe Ben Phillips von der University of Melbourne: Wenige Jahre später wurden Pestizide erfunden, die die Käfer wirksam aus dem Weg schafften. Die eingeführten Aga-Kröten aber wurde Australien nicht mehr los.
Invasive Arten, die ein Ökosystem stören, sind für Reisende schon fast ein alter Hut. Egal, in welches Land der Welt man fährt, es gibt mindestens eine eingeschleppte Art, gegen die ansässige Naturschützer kämpfen. Inseln trifft es immer besonders hart - Australien ist da trotz seiner Größe keine Ausnahme.
Hinter Australiens Aga-Kröten allerdings versteckt sich eine faszinierende Geschichte: die Geschichte der Evolution.
Der Schnellste gewinnt
"Aga-Kröten wandern normalerweise etwa zehn Kilometer im Jahr", erzählt mir Ben Phillips, der seit einem Jahrzehnt an den Kröten forscht. "Hier in Australien aber legen sie 55 Kilometer pro Jahr zurück."
Der junge Biologe hat gezeigt, dass das schnelle Wanderverhalten vererbt ist. Kröten an der Spitze der Ausbreitungswelle - an der "Invasionsfront", wie er sich ausdrückt - treffen nur auf Kröten, die ebenfalls schnell zu Fuß sind. "Das nennen wir den 'Olympisches-Dorf'-Effekt: Die besten Sportler sind zur selben Zeit am selben Ort und paaren sich miteinander."
Die Kröten, die dabei herauskommen, haben etwas längere Beine als für die Art normal ist. Vor allem aber: "Sie kommen als Babykröten aus dem Teich, wählen eine Richtung und dann ziehen sie los - in einer unglaublich geraden Linie und über sehr lange Entfernungen." Es scheint fast als wüssten diese Kröten, dass sie einen ganzen Kontinent zu besiedeln haben.
Wer sie frisst, muss sterben
Eingeschleppte Frösche kennen wir auch in Deutschland: die großen nordamerikanischen Ochsenfrösche, die alles fressen, was sie überwältigen können. Aber Aga-Kröten richten keinen Schaden an, weil sie andere Tiere fressen. Im Gegenteil, sie sind gefährlich, weil sie von anderen gefressen werden: Sie sind hochgiftig.
Schlangen, Beutelmarder und Leguane sterben, wenn sie die Kröten als Mahlzeit wählen. Es sei zwar keine Art bisher deswegen ausgestorben, sagt Phillips. "Aber der Bestand vieler Arten hat in Aga-Kröten-Gebieten bereits um 90 Prozent oder mehr abgenommen."
Enthaltsam lebt es sich länger
Daraufhin haben mehrere Tiere gelernt, keine Aga-Kröten mehr zu fressen. Einige Schlangen haben kleinere Köpfe entwickelt, sodass sie die großen Kröten nicht mehr verspeisen können. Andere haben einfach ihren Speiseplan geändert, sie machen einen großen Bogen um Aga-Kröten. Und auch dieses Verhalten ist vererbt.
In 5000 Jahren habe sich das Aga-Kröten -Problem wohl von selbst erledigt, meint Phillips sarkastisch. "Dann werden die Kröten keine negative Auswirkung auf einheimische Tierarten mehr haben. Denn einige Arten haben bis dahin gelernt, mit den Kröten zusammenzuleben - die anderen sind ausgestorben." Ups. An den schweren Sarkasmus der Australier muss man sich hier erst mal gewöhnen.