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"Ahmadinedschad hat die Geiselnahme unterstützt"

Das Interview führte Steffen Leidel20. Januar 2006

Am 20. Januar 1981 wurden 52 Mitarbeiter der US-Botschaft in Teheran nach 444 Tagen Geiselhaft freigelassen. Barry Rosen war eine davon. Im DW-WORLD-Interview erinnert er sich an die "schlimmste Zeit" seines Lebens.

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Barry Rosen verlas 1980 aus der Geiselhaft eine Botschaft an seine FamilieBild: AP

DW-WORLD: Herr Rosen, Sie waren Ende der 1970er Jahre Pressesprecher an der amerikanischen Botschaft in Teheran. Sie und 51 andere Mitarbeiter waren 444 Tage in der Gewalt von iranischen Studenten – allesamt Anhänger von Ayatollah Khomeini. Am 20. Januar 1981 kamen Sie frei. Was fühlen Sie heute, 25 Jahre danach?

Barry Rosen: Der 20. Januar ist immer ein spezieller Tag für mich. Damals, an jenem Morgen, war ich nicht sicher, ob ich leben oder sterben würde. Ich fühle mich heute einfach glücklich, überlebt zu haben.

Was geschah an jenem Tag?

An diesem Tag drang den ganzen Morgen viel Lärm von den Straßen in die Botschaft. Gegen 10 Uhr morgens kam jemand zu uns und sagte: Packt Eure Sachen - das waren wirklich nicht viele. Daraufhin wurden uns die Augen verbunden und sie brachten uns zu einem Bus. Wir fuhren mindestens eine Stunde lang. Als der Bus anhielt sollten wir uns in einer Reihe aufstellen und sie rissen uns die Augenbinden herunter. Ich sah ein Flugzeug und jemand der mich zu sich winkte. Als ich loslaufen wollte, bespuckten uns die Geiselnehmer. Schließlich rann ich zum Flugzeug. Es handelte sich um eine algerische Maschine. Die Algerier waren als Vermittler aufgetreten.

Kam die Befreiung überraschend für Sie?

Absolut. Wir wussten überhaupt nicht, was mit uns geschah. Wir befanden uns die ganze Zeit über in einer Art Vakuum. Wir waren dann auch völlig überrascht über das öffentliche Interesse, das uns überfiel, als wir in Deutschland Zwischenstation machten.

Was haben Sie in Deutschland gemacht?

Wir blieben mehrere Tage in Wiesbaden. Wir trafen uns mit Präsident Carter, der sofort, nachdem er von unserer Freilassung erfahren hatten, von den USA nach Deutschland geflogen war. Das war am gleichen Tag, an dem der neue Präsident Reagan ins Amt eingeführt worden war. Es war eine überwältigende Erfahrung. Zum ersten Mal nach 444 Tagen konnte ich wieder fest und bequem schlafen, ganz ohne Angst. Eine der Krankenschwestern fragte mich nach meiner Familie und ich erzählte ihr, dass ich einen kleinen Sohn und eine kleine Tochter habe. Dann schenkte sie mir ein kleines Spielzeugauto und eine Puppe.

Wie haben die Geiselnehmer Sie behandelt?

Sie hielten uns immer wieder Maschinengewehre an den Kopf, sie steckten uns in dunkle Zimmer, sie fesselten uns für Tage und Wochen. Wir wurden behandelt, als wären wir ein Stück Fleisch.

Sie waren damals Pressesprecher. Wurden die Geiseln unterschiedlich behandelt?

Ja, manche Geiseln erhielten mehr, andere weniger Infos, die einen wurden besser, die anderen schlechter behandelt. Doch unabhängig davon, egal wer sie waren, sie waren für 444 Tage fast immer im Dunkeln eingesperrt.

Hatten Sie Kontakt zu Ihren Familien?

Wir bekamen hin und wieder Post von zu Hause. Wenn Sie „nützliche“ Information für Geiselnehmer hatten, gaben Sie ihnen die Möglichkeit zu einem Telefonanruf. Ich tat das nie. Ich wollte nicht mit meiner Frau für 15 Sekunden sprechen. Dann wäre es mir noch schlechter gegangen.

Sprachen Sie mit Ihren Geiselnehmern?

Ja, wir diskutierten sehr viel über politische Angelegenheiten. Über die Frage, ob die Geiselnahme richtig oder falsch war, wie gut oder schlecht die USA sind. Ich versuchte aber immer Distanz zu halten. Ich sprach Farsi, so dass es einfach für mich war, mit ihnen zu sprechen. Allerdings habe ich nie gutgeheißen, was sie taten.

Was denken Sie heute? Können Sie die Motivation der Geiselnehmer nachvollziehen?

Ja, natürlich. Ich verstehe ihre Beweggründe. Sie wollten jede Art von Beziehung zwischen den USA und Iran kappen. Sie fürchteten, dass die USA die neu ausgerufene islamische Republik stürzen wollten.

Lesen Sie im zweiten Teil: Die Versöhnung von Barry Rosen mit einem der Geiselnehmer. Und: War Präsident Ahmadinedschad an der Geiselnahme beteiligt?

1998 kam es kam zwischen Ihnen und einem der Geiselnehmer zur Versöhnung. Sie trafen sich in Paris mit Abbas Abdi. Konnten Sie sich aussprechen?

Wir sprachen und aßen zusammen. Wir verbrachten richtig viel Zeit miteinander. Es wäre eine große Gelegenheit für die damalige iranische Regierung gewesen, den Vorhang zwischen den USA und dem Iran zu lüften. Sie hätten unser Treffen dafür ja nutzen können.

Aber?

Abdi wurde nach seiner Rückkehr in den Iran erst einmal verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Wir lernten die Lektion: Kein Iraner und kein Amerikaner mit guten Absichten könnte die Situation verbessern. Ich war schon besorgt, als Abdi abreiste. Die iranische Presse hatte sehr negativ über unser Treffen berichtet.

Was denken Sie heute über die heutige iranische Regierung, über Präsident Ahmadinedschad?

Ich bin sehr besorgt über die Außenpolitik von Herrn Ahmadinedschad. Er versucht, seine Macht zu sichern, indem er die Massen für sich mobilisiert. Er ist ein populistischer Führer. Er weiß, wie er die Bevölkerung für sich gewinnen kann. Der Atomstreit ist sehr gefährlich für die Welt. Meiner Meinung nach hat Iran die Oberhand in dieser Angelegenheit. Es ist für die Welt sehr schwer, Sanktionen gegen Iran zu verhängen. Der produziert einfach zu viel Öl und Gas.

Aber was befürworten Sie: mehr die harte Linie wie sie die US-Regierung verfolgt oder mehr Kooperation?

Ich bin dafür, dass weiter verhandelt wird. Ich meine, die Iraner sagen selbst, dass sie weiter verhandeln wollen. Und der deutsche Außenminister und die EU sagen, Nein, wir verhandeln erst weiter, wenn die Atomanlagen wieder versiegelt sind. Ich bin für Verhandlungen bis zum bitteren Ende. Nur wird das wohl sehr, sehr lange dauern. Krieg ist nicht ausgeschlossen.

Im vergangenen Jahr warfen sechs ehemalige Geiseln Irans Präsidenten Ahmadinedschad vor, an der Geiselnahme in der US-Botschaft beteiligt gewesen zu sein. Er hat dies zurückgewiesen. Was halten Sie von dem Vorwurf?

Geiseldrama in Iran 1979 - 1981
Auffällige Ähnlichkeit mit Ahmadinedschad: Wer ist der Mann neben der Geisel (zweiter von rechts)?Bild: AP

Niemand weiß, ob es stimmt. Einige meiner Mitgeiseln haben gesagt, dass Ahmadinedschad dort war und an der Geiselnahme beteiligt war. Ich kenne die und ich glaube ihnen. Was ich sicher weiß, ist, dass Ahmadinedschad die Besetzung gutgeheißen hat. Ob er wirklich letztendlich in der Botschaft war oder nicht, das weiß ich nicht.

Sind Sie seit der Geiselnahme wieder im Iran gewesen?

Nein, Ich darf nicht in den Iran einreisen. Ich gelte immer noch als Spion. Ich finde, das ist lächerlich.

Geiseldrama in Iran 1979 - 1981 Barry Rosen heute
Bild: AP

Der 61-jährige Barry Rosen war zurzeit der islamischen Revolution im Iran Pressesprecher an der US-Botschaft in Teheran. Er arbeitet heute am Teacher College der Columbia Universität in New York.