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Ai Weiwei: Der verbotene Blog

26. Juli 2011

Seine Waffe war das Internet: In den letzten Jahren hat es der chinesische Künstler Ai Weiwei zunehmend gegen Chinas Regierung eingesetzt. Exzessiv hat er gebloggt. Seine Posts erscheinen nun auf dem deutschen Buchmarkt.

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Zwei Fotos von Ai Weiwei (Fotos: dpa/dapd)
Bild: dpa/dapd/DW-Fotomontage

"Die Freiheit im Internet ist wie das Wasser", hat Ai Weiwei einmal gesagt, "sie lässt sich nicht aufhalten. Ganz egal, wo man sie staut – an irgendeiner Stelle bahnt sie sich ihren Weg". An diese Freiheit hat der Künstler geglaubt, ganz besonders in China. "Die Grundidee des Internets an sich, nämlich ein Ort zu sein, an dem Menschen ihre Meinungen und Ansichten frei austauschen, ist eine große Gefahr für Chinas Partei", sagt Ai Weiwei: "Denn es zerstört die totalitären Macht-Strukturen."

Trotz Zensur: Das Internet bietet Freiheiten

Ai Weiwei mit Journalisten vor seinem Wohnatelier in Peking (Foto: DW/ Silke Ballweg)
Ai Weiwei im Jahr 2010 mit Journalisten vor seinem Pekinger WohnatelierBild: DW

Das chinesische Internet ist zensiert, doch die Cyber-Polizisten können nicht alles kontrollieren. Das schafft Freiräume. Die wollte auch Ai Weiwei nutzen. Und so begann er im Jahr 2005 zu bloggen. Anfangs schrieb er über eher allgemeine Themen, auch über Kunst. Sein Ton ist nüchtern, distanziert, ganz so, als müsse er mit dem neuen Medium erst noch vertraut werden. Doch mit der Zeit wird der Künstler persönlicher, emotionaler, schließlich auch verächtlicher. Ohne sie beim Namen zu nennen, prangert er Chinas kommunistische Partei in seinem Blog regelmäßig an.

Vertuschung nach dem Erdbeben in Sichuan?

Als sich im Mai 2008 in der Provinz Sichuan im Westen Chinas ein verheerendes Erdbeben mit 70.000 Toten ereignet, lässt ihn das Thema nicht mehr los. Denn Gerüchte kursieren, dass beim Bau von Schulgebäuden geschlampt worden ist. Und dass deswegen so viele Schulen eingestürzt seien und Tausende Kinder unter sich begruben. Ai Weiwei reist ins Erdbebengebiet. Er will wissen, wie viele Kinder in den Schulen umgekommen sind. Drei Wochen nach der Katastrophe, am 1. Juni 2008, fordert er in seinem Blog eine Untersuchung der Vorfälle.


Ai Weiwei vor Computerbildschirm (Foto: AP)
Das Internet als Waffe auf Zeit: Ai Weiwei 2010 in seinem Pekinger StudioBild: AP


Aufruf zum Handeln im Internet

Die Regierung versucht offensichtlich, die Angelegenheit zu vertuschen. Doch Ai Weiwei lässt nicht locker. Er nutzt seinen Blog nun ganz bewusst und ruft zu einer Aktion auf. Am 30. März 2009 postet er, er suche Freiwillige für eine sogenannte Bürgeruntersuchung: Hunderte antworten ihm und reisen für sein Projekt nach Sichuan, um mit den Eltern der toten Kinder zu sprechen. "So wurde daraus ein Akt der Bürgerbewegung", erzählt er später. "Wir haben jedes Detail aufgeschrieben und im Internet gepostet, viele Leute konnten sich also über unser Projekt informieren."

Keine Kompromisse

Dass er dies alles im staatlich kontrollierten Internet sagen durfte, verwundert beim Lesen immer wieder. Doch irgendwann wurde es Chinas Zensoren offensichtlich zu bunt. Im Mai 2009, kurz vor dem 20. Jahrestag des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens, schalteten die Behörden seinen Blog ab. Zuvor hatten ihn Sicherheitsbeamte besucht, doch Ai Weiwei hatte das Gespräch mit ihnen verweigert. "Sie wollten mich dazu bewegen, nicht mehr zu schreiben", sagt Ai Weiwei. "Aber ich habe gesagt: Versucht gar nicht erst, mit mir zu verhandeln. Versucht es einfach nicht."

Zum Schweigen gebracht - vorerst

Ai Weiwei in München (Foto: Zhou Qing)
Nach der Notoperation: Ai Weiwei in München 2009Bild: Zhou Qing

Einige Monate später versetzten ihm chinesische Polizisten einen solchen Schlag auf den Kopf, dass er kurz darauf in München notoperiert werden musste. Im April dieses Jahres wurde er von den Behörden verschleppt. Das rief weltweite Empörung hervor und löste eine Welle der Solidarität aus. Auch in Deutschland. Auf vielen Protestveranstaltungen wurde seine sofortige Freilassung gefordert. Die Akademie der Künste in Berlin wählte ihn zu ihrem neuen Mitglied, die Berliner Universität der Künste bot ihm eine Gastprofessur an. Vor wenigen Wochen ließ man Ai Weiwei – nach zweieinhalbmonatiger Haft – schließlich gegen Kaution wieder frei. Doch seither darf er weder Peking verlassen noch Interviews geben. Bloggen darf er auch nicht mehr.

Zwei neue Bücher auf Deutsch

Umso bedeutender ist deswegen, dass genau jetzt eine Auswahl der 2009 gelöschten Blog- Einträge erstmals auf Deutsch erscheint. Und dass ein Interviewband mit dem Schweizer Kurator Hans Ulrich Obrist weiteren Lesestoff zu Ai Weiwei liefert. In den Gesprächen mit Obrist erzählt er über die Kunst und das Leben. Er berichtet von seiner Kindheit, die er mit seiner Familie in der chinesischen Verbannung verbringen musste. Von seinen Studienjahren in New York. Von seiner künstlerischen Arbeit und seinen Protestaktionen. Die Pekinger Behörden haben Ai Weiwei vorerst zum Schweigen verdammt. In den Büchern spricht der Künstler weiter.

Autorin: Silke Ballweg
Redaktion: Aya Bach

Ai Weiwei: "Macht euch keine Illusionen über mich. Der verbotene Blog". Herausgegeben von Lee Ambrozy. Verlag Galiani Berlin. 19,90 Euro. ISBN-13: 978-3-86971-049-5.

"Ai Weiwei spricht". Interviews mit Hans Ulrich Obrist. Hanser Verlag. 14,90 Euro. ISBN-13: 978-3-446-23846-6.