AIDS-Medikamente aus Tansania
1. Dezember 2011Auf diesen Tag hat sich Christoph Bonsmann gefreut. Der Apotheker aus Deutschland arbeitet für das deutsche Medikamentenhilfswerk action medeor. In Tansania hat er eine Pharmazie-Anlage aufgebaut, die AIDS-Medikamente herstellen soll. Jetzt feiert er mit seinen Partnern vor Ort, dass die Produktionsstätte in Arusha fertig ist.
Aus Tansania für Tansanier
Fünf Millionen Euro von der EU und eine halbe Million von action medeor stecken in dem Projekt. Die tansanische Partnerfirma Tanzania Pharmaceutical Industries ist mit 700.000 Euro beteiligt. Das Projekt begann 2006. Ab Januar 2012 sollen in der fertigen Fabrik die ersten Testreihen der Medikamente entstehen, erklärt Projektleiter Christoph Bonsmann. Dann steht die Registrierung durch die nationale Zulassungsbehörde an.
Die antiretroviralen Medikamente, die er hier produzieren will, dämmen die Ausbreitung des Virus im Körper ein und können sogar das Ansteckungs-Risiko verringern. Laut dem aktuellen AIDS-Bericht der Vereinten Nationen erhalten mittlerweile knapp die Hälfte aller HIV-Infizierten in Entwicklungs- und Schwellenländern diese Medikamente.
"Ab April kommenden Jahres könnten die ersten Medikamente hier auf dem Markt zugelassen sein und verwendet werden", schätzt Bonsmann. Die ersten AIDS-Medikamente sollen über den Staat in Tansania verteilt werden. Das langfristige Ziel ist die Anerkennung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dann können die Medikamente auch über die internationale Organisation Global Fund vertrieben werden.
Die Fabrik will pro Jahr genug Medikamente herstellen, um 100.000 AIDS-Patienten zu versorgen. Es sind Nachbildungen von teureren Originalmedikamenten mit denselben Wirkstoffen. "Solche Generika machen 80 bis 90 Pro zent der AIDS-Medikamente in Entwicklungs- und Schwellenländern aus", schätzt Dr. Richard Laing vom Programm für Unentbehrliche Arzneimittel der WHO.
Konkurrenz aus Indien
Der Großteil dieser Generika kommt aus Indien. Gerade die Tatsache, dass die Konzerne dort in großen Mengen und zu günstigen Preisen produzieren, mache es für neue kleinere Firmen schwer, auf dem Markt Fuß zu fassen, so Laing.
In vier afrikanischen Ländern werden heute AIDS-Medikamente mit WHO-Zulassung produziert: in Südafrika, Kenia, Zimbabwe und Uganda. "Aspen Pharmaceuticals in Südafrika hat sich zum Beispiel sehr abgemüht, um im Wettbewerb zu bestehen und konnte schließlich die Preise der indischen Firmen unterbieten. Aber die ersten Jahre können hart sein", sagt Laing.
Trotzdem ist Christoph Bonsmann guten Mutes für sein Projekt. Die lokale Produktion soll Tansania unabhängiger von Import-Medikamenten machen, aber auch wirtschaftlich nachhaltig sein. Bei den Preisen könne die Fabrik nach den jetzigen Berechnungen mithalten, sagt Christoph Bonsmann: "Wir haben kalkuliert, dass sie etwa im unteren Drittel der Preise liegen, zu denen die anderen Anbieter weltweit ihre Produkte anbieten. Wir sind also durchaus konkurrenzfähig zu den asiatischen Herstellern, und zudem sind wir schon vor Ort."
Medikamente, aber nicht für alle
Nicht alle, die antiretrovirale Medikamente brauchen, bekommen sie auch. Nach Erkenntnissen der UN gehört Tansania zu den Ländern, in denen etwa die Hälfte der HIV-Infizierten von den notwenigen Medikamenten ausgeschlossen ist.
Bruno Ghumpi ist Direktor der tansanischen Nichtregierungsorganisation Wamata in Dar es Salam. Sie berät HIV-Positive und AIDS-Kranke und schickt sie zu den Gesundheitszentren. Wer in Tansania HIV-positiv getestet wird, wird an Gesundheitszentren verwiesen, erklärt Ghumpi. Dort wird der CD4-Wert überprüft, ein Indikator für die Stärke des Immunsystems. Liegt er unter 400 Zellen pro Mikroliter im Blut, erhält der Patient die antiretroviralen Medikamente. Doch diese Gesundheitszentren befinden sich vor allem in den Städten. Wer auf dem Land lebt, muss oft lange und beschwerliche Wege zurücklegen. "Das Problem ist also nicht die Verteilung der Medikamente, sondern, dass sie nicht für alle zugänglich sind." Dass es bald eine eigene Medikamenten-Produktion in Tansania geben soll, ist für Bruno Ghumpi eine gute Nachricht. "Aber egal, woher die Medikamente kommen: "Die Qualität muss stimmen."
Die Qualitätsprüfung steht der neuen Fabrik noch bevor – erst auf tansanischer Ebene, dann durch die Weltgesundheitsorganisation. Gerade der zweite Schritt kann dauern. Vielleicht ist die Fabrik dann schon in tansanische Hände übergegangen: Das soll Ende 2012 passieren.
Autorin: Friederike Müller
Redaktion: Stefanie Duckstein