A400M: Superstar oder Pannenflieger?
14. April 2018Zuerst ist ein tiefes Brummen zu hören, dann gleitet die dunkle Silhouette eines riesigen Flugzeugs ins Blickfeld. Kurz darauf zeichnen sich die vier markanten Propeller des Airbus A400M am Himmel über Wunstorf ab. Hier, auf dem Fliegerhorst in der Nähe von Hannover, wird der Militärtransporter gleich landen. Er fliegt also, der A400M, über den so oft zu lesen ist, dass er wegen technischer Probleme am Boden bleiben muss. Sind das nur die Kinderkrankheiten des vom Airbus-Konzern entwickelten Transportflugzeugs? Oder sind es ernsthafte Mängel, die den Ruf des A400M als "Pannenflieger" rechtfertigen und das gesamte Rüstungsprojekt gefährden?
In der Sperrzone
Um ganz nah an den A400M heranzukommen, ist auf dem Fliegerhorst in Wunstorf ein besonderer Sperrzonenausweis nötig. Die Luft ist kühl an diesem klaren Frühlingsmorgen, aber Mützen sind nicht erlaubt - sie könnten von den riesigen Triebwerken angesaugt werden. Hinter dem Kontrollposten öffnet sich der Blick auf ein weites Flugfeld. Hier stehen, in ordentlicher Formation, ein Dutzend der wuchtigen Flugzeuge.
Insgesamt 18 Maschinen hat Airbus bisher an die Luftwaffe geliefert, 40 sollen es einmal sein, alle stationiert beim Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf. "Fliegerhorst" klingt unangemessen klein für diesen Bundeswehr-Standort, der in den letzten Jahren zu einem kleinen Städtchen herangewachsen ist. Je mehr A400M hier ankommen, desto mehr Personal und Infrastruktur werden gebraucht. Mehrere Baustellen fallen ins Auge, die riesigen Hangars sehen brandneu aus.
Viel Platz im Laderaum
Vor dem fast 15 Meter hohen Flugzeug, das im Hangar gerade gewartet wird, nimmt sich ein Techniker im olivgrünen Overall wie ein Winzling aus. Der stahlglänzende Frachtraum des dickbauchigen Flugzeugs hat die Anmutung einer tonnenförmigen Halle. Sie ist beachtliche 18 Meter lang und knapp vier Meter hoch. Hinein passen wahlweise 116 Soldaten, zwei Kampfhubschrauber vom Typ "Tiger", sechs Geländewagen oder ein Schützenpanzer.
Auf solche Ladekapazitäten hat die Bundeswehr lange gewartet, um Soldaten und Gerät zu transportieren, vor allem in den Auslandseinsatz. Die schwere Fracht wird in den A400M aber nicht einfach hineingeschoben, sondern von Spezialisten - bei der Luftwaffe heißen sie "technische Ladungsmeister" - nach sorgsamer Berechnung zentimetergenau platziert und festgezurrt. Andernfalls könnte sich der Schwerpunkt des Flugzeugs verändern, mit fatalen Folgen. Die Welt des A400M ist digital: Per Computerbildschirm wird die Platzierung und Befestigung der Ladung überwacht.
Lob der Piloten
Hightech ist auch das Cockpit mit dem "Head-up-Display", einer digitalen Anzeigetafel direkt vor den Augen der Piloten. "Der A400M fliegt sich super", fasst Oberstleutnant Robert Schenk seine Flugerfahrung zusammen. Schenk ist Pilot und Leiter der Ausbildung im Geschwader. Auf dem "Head-up-Display" habe er zu jedem Zeitpunkt alle relevanten Informationen vor sich. "Diese Unterstützung macht die Fliegerei dann einfach." Der Offizier spart nicht mit Lob: "In der Performance ist der A400M Wahnsinn", auch seine Kameraden seien "hellauf begeistert". Und die diversen technischen Probleme? "Kinderkrankheiten hat man immer bei der Einführung von Flugzeugen."
Über die Stärken und Schwächen des A400M weiß am besten Oberst Ludger Bette Bescheid, der zum Gespräch in sein schlichtes Büro mit Deutschlandfahne und Porträt des Bundespräsidenten bittet. Bette kommandiert das Geschwader seit Ende 2014. Damals kam der erste A400M in Wunstorf an, obwohl der Erstflug eines A400M im spanischen Sevilla zu diesem Zeitpunkt schon fünf Jahre zurücklag.
Verspätet und viel teurer
Wie kam es zu dieser Verzögerung? Der Hersteller Airbus kämpfte mit zahlreichen technischen Problemen, vor allem mit den Triebwerken, und forderte bedeutend mehr Geld von den sieben Ländern, die das Flugzeug bestellt hatten, darunter Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien. Es war ein holpriger Start für das Rüstungsprojekt, mit dem Europa eigentlich seine militärisch-technologischen Qualitäten demonstrieren wollte. Wie andere Armeen auch überbrückte die Bundeswehr die Wartezeit, indem sie Lufttransportkapazitäten bei externen Anbietern einkaufte. Als 2015 dann ein A400M bei einem Testflug in der Nähe von Sevilla abstürzte und vier Menschen starben, kamen erneut Zweifel an der Tauglichkeit des Flugzeugs auf. Wegen einer fehlerhaft aufgespielten Software waren drei der vier Triebwerke ausgefallen.
Bevor Oberst Bette auf die Probleme mit dem A400M zu sprechen kommt, geht er auf der Zeitachse einen Schritt zurück: 30 Jahre lang hat er selbst das Transportflugzeug C-160 "Transall" geflogen, den Vorgänger des A400M bei der Bundeswehr. Die "Transall" wurde in den 1960er Jahren gebaut, dann kam sehr lange nichts Neues - bis zum Airbus A400M. "Wir haben drei bis vier Generationen übersprungen", sagt Bette mit einem Blick, als habe er einen rostigen Traktor gegen einen glänzenden Mercedes eingetauscht. "Ein A400 leistet so viel wie drei bis vier Transall". Er fliege doppelt so schnell und dreimal so weit mit der fast dreifachen Nutzlast. "Da migrieren Sie in eine neue Dimension", erklärt der Kommodore, der nach Ankunft des ersten Flugzeugs sofort auf das neue System umschulte und den A400M regelmäßig fliegt.
Inzwischen bringt die Luftwaffe mit dem A400M Material und Soldaten in die Auslandseinsätze der Bundeswehr, etwa nach Mali, Jordanien oder in den Kosovo. Noch in diesem Jahr soll das Flugzeug für die Luftbetankung zertifiziert werden - eine dringend benötigte Fähigkeit der Luftwaffe, die auch in internationalen Einsätzen gefragt ist. Trainiert wird in Wunstorf außerdem gerade das Landen mit Nachtsichtgeräten, also mit ausgeschaltetem Licht im Cockpit. Das macht Landungen in Krisengebieten oder bei geplanten Evakuierungen bedeutend sicherer. Auch die schnelle Umwandlung des A400M in ein "fliegendes Krankenhaus" wird vorbereitet.
Kritik an Airbus
Steht also alles zum Besten mit dem A400M? Keineswegs, räumt der Kommodore ein. Auch er hadert damit, dass die Flugzeuge so häufig gewartet und repariert werden müssen. Im Schnitt seien nur 40 bis 60 Prozent seiner Flotte einsatzbereit, er wünsche sich aber einen Klarstand von 75 Prozent. Dass der noch nicht erreicht sei, liege an zwei Faktoren: Die Flugzeuge müssen nach einem vorgegebenen, sehr engmaschigen Plan gewartet werden und stehen in dieser Zeit für den Flugbetrieb nicht zur Verfügung.
Hinzu kommen technische Defekte, die Airbus aufwendig nachbessern muss - etwa Störungen an der Steuerung der Triebwerke und Ölundichtigkeiten an den Propellern. Bei der Qualität der Flugzeuge sei "noch Luft nach oben", sagt Bette an die Adresse des europäischen Konzerns. Der hat erst kürzlich angekündigt, die Auslieferung der Flugzeuge zu strecken, um mehr Zeit für die Behebung der Mängel zu gewinnen. "Bei jedem neu ausgelieferten Flugzeug hat Airbus die Chance, die Qualität zu verbessern, und das erwarten wir auch."
Noch kostet in Wunstorf jede Flugstunde des A400M unglaubliche 60 Stunden Wartungszeit. "So viel Personal können wir gar nicht einstellen", moniert Bette, das sei "nicht durchhaltbar". Versprochen gewesen seien 10 bis 20 Stunden. "Über das, was inspiziert werden muss, müssen wir reden - und über die Intervalle auch".
"Keep calm and carry on"
Alles in allem dürfe aber nicht jede Panne zum Anlass genommen werden, den A400M als Ganzes infrage zu stellen, mahnt Bette. "Keep calm and carry on", empfiehlt der Kommodore, der in Wunstorf nicht weniger als 3.500 Besucher pro Jahr empfängt - in der Hoffnung, das seiner Meinung nach zu schlechte Image des A400M wieder etwas aufzupolieren.